MKL1888:Delphin
[651] Delphin, im Militärwesen die früher in Delphinform gestalteten Henkel bronzener Geschützrohre; dann ein Kriegswerkzeug der Alten: ein eiserner Kolben, unten spitz und mit Widerhaken versehen, den man an Segelstangen hoch am Mast aufhing und mittels eines auf Rollen gehenden Taues auf feindliche Schiffe herabfallen ließ, um diese zu zerschmettern oder durch Einbohren des Delphins in das Verdeck festzuhalten, z. B. bei Verteidigung von Hafeneinfahrten.
Delphin, Sternbild am nördlichen Himmel, zwischen Adler und Pegasus an der Milchstraße, bei 308° Rektaszension und 15° nördlicher Deklination, zählt 31 mit bloßem Auge sichtbare Sterne, darunter 5 dritter Größe, von denen 4 einen kleinen Rhombus bilden. Es stellt den D. vor, welcher den Arion wohlbehalten durchs Meer trug.
[213] Delphin.[WS 1] Die Griechen nannten nach Plutarch den D. das „menschenfreundliche Tier“ (Zoon philanthropon), weil es das einzige Tier sei, welches eine „uneigennützige Liebe zum Menschen“ trage. In der That sind die Schriften der griechischen und römischen Naturkundigen reich an Nachrichten von Delphinen, welche ins Meer gefallene Kinder wie auch Erwachsene lebend oder tot ans Ufer trugen oder Fischerknaben, mit denen sie sich befreundet hatten, auf ihren Rücken reiten ließen. Zum Andenken an solche Vorkommnisse führten mehrere berühmte Hafenstädte, wie Korinth, Tarent und Jasos (bei Milet), den auf einem D. reitenden Knaben auf ihren Münzen. Alle diese Erzählungen wurden von den spätern Naturforschern kurzerhand verworfen, allein dieselben Sagen sind beinahe über die ganze Welt verbreitet. Als v. Beneden sich mit dem Studium der brasilischen Delphine beschäftigte, weigerten sich die dortigen Eingebornen, ihm beim Fang dieser Tiere, „welche die ertrunkenen Menschen zum Ufer brächten“, behilflich zu sein; das Tier sei heilig und unverletzlich. Eine Beobachtung der letzten Jahre hat nun gezeigt, daß in gewissen Gegenden noch heute ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen den Küstenbewohnern und den Delphinen besteht, und daß der bisher ebenfalls als Sage behandelte Bericht des Plinius und andrer Berichterstatter von dem Zusammenwirken der Fischer und Delphine beim Fang von Seefischen einer noch jetzt geübten Praxis entspricht. Plinius erzählt ausführlich, wie in einer Seebucht der gallischen Provinz Narbo (Narbonne) der Fang der Meeräschen von Menschen und Delphinen gemeinsam betrieben wurde. Beim Eintritt der Ebbe zögen nämlich daselbst die Meeräschen durch den engen Ausgang der Bucht ins tiefere Meer, und dann riefen die Fischer, indem sie laut Simon schrieen, die Delphine herbei, welche sich förmlich wie in Schlachtordnung vor dem Ausgang der Bucht aufstellten und die Fische auf das flache Ufer zurücktrieben. Die letztern würden dann in Netzen gefangen, in welche die Delphine im Eifer ihres Dienstes ebenfalls zuweilen hineingerieten, aber dann jedesmal sorgsam befreit würden. Zur Belohnung für ihre Dienstwilligkeit bekämen sie nicht nur diejenigen Fische, welche über die Netze hinwegspringen, als ihren Anteil, sondern würden auch noch besonders mit ihrer Lieblingsspeise, in Wein geweichten Brotstücken, gefüttert. Fast genau dasselbe Verfahren beobachtete Paul Bert bei den Fischern in der Bai von Huë (Anam). Milchweiße Delphine mit rosenroter Rückenflosse nähern sich daselbst des Morgens in kleinen Gesellschaften von 4–5 Köpfen dem flachen Ufer, indem sie Scharen einer kleinen Seebarbenart vor sich hertreiben. In diesem Augenblick gehen die halbnackten Fischer den Delphinen entgegen und werfen vor ihnen Netze aus, in denen die Barben in Masse gefangen werden. Damit die Delphine nicht in die Netze geraten, stehen neben den Fischern im seichten Wasser kleine Jungen, die im rechten Augenblick ein leichtes Stück an einer Schnur befestigten Bambusholzes gegen die Delphine werfen, um sie zu benachrichtigen, daß sie nunmehr einige Meter zurückweichen sollen, um das Netz nicht zu zerreißen. „Delphine und Fischer“, sagt Bert, „sind hier die besten Freunde von der Welt. Im Wasser streifen sie einander fast, ohne sich zu erschrecken und einander Übles zuzufügen. Da der D. in dem Augenblick, wo er als Treiber dient, seinen runden Kopf mit der spitzen Schnauze über das Wasser hebt und ein schnaufendes Geräusch hervorbringt, so sind viele überzeugt, daß er damit die Fischer benachrichtigen will. Diese hinwiederum erweisen ihm gelegentlich die besten Dienste. Wenn er sich in festen Netzen gefangen hat, befreit man ihn mit Sorgfalt, ohne ihm dabei die Zerstörungen nachzutragen, die er etwa dabei angerichtet hat. Ja, noch mehr, wenn er sich durch seine Unvorsichtigkeit auf Untiefen gewagt hat, steht man ihm bei, um ihn wieder flott zu machen. Denn er ist ein Mitarbeiter, ein Freund. Ich glaube sogar wahrgenommen zu haben, daß die Fischer eine Art Beschwörungsformel an ihn richteten.“ Dieser 1886 von einem anerkannten Beobachter erstattete Bericht entspricht auf das genaueste den Angaben der alten Schriftsteller über den freundlichen Verkehr der Fischer mit den Delphinen in der Bucht von Jasos, unfern dem alten Milet. Mutianus erzählt, daß dort ebenso wie ehemals in Gallien und noch heute in Anam Fischer und Delphine beim Fischfang gemeinsame Sache machten. Ja, das kameradschaftliche Verhältnis bildete sich dort so weit aus, daß jeder Fischer seinen eignen D. besaß, den er aus der Hand fütterte, und der seinen Kahn stets und auch bei Nacht, wenn bei Fackelschein gefischt wurde, umkreiste und ihm die Fische zutrieb. Plutarch erzählt in seinem „Gastmahl der sieben Weisen“, daß es den dortigen Delphinen das größte Vergnügen gemacht habe, mit den jasischen Fischerjungen um die Wette zu schwimmen und sie im Wasser wie getreue Hunde zu begleiten. Nun muß man sich erinnern, daß gerade dort die Erzählungen von den Delphinritten zu Hause waren, und daß die Seesäugetiere, sogar Robben und Walrosse sich auch in unsern Tiergärten durch ungewöhnliche Gelehrigkeit und Anhänglichkeit an ihre Pfleger auszeichnen. Wie nahe lag für diese Kinder, die bei ihrer Schwimmfertigkeit keine Gefahr dabei liefen, der Versuch, ihre Spielkameraden als Reitpferde zu benutzen. Nach alledem schließt Krause, daß die Zoologen unrecht gethan haben, die Erzählungen von der Delphinfreundschaft als Märchen zu behandeln, wenn das Verhältnis auch natürlich poetisch verklärt und ausgeschmückt worden war. Es scheint vielmehr daraus hervorzugehen, daß sich bei an der Küste wohnenden Naturvölkern der ganzen Welt dieses auf gegenseitigen [214] Nutzen beruhende Verhältnis herausgebildet hat und nur dadurch an Innigkeit einbüßte, daß die Menschen Fangmethoden ersannen, bei der sie die freiwillig geleisteten Treiberdienste der Delphine allmählich entbehren lernten und ihrerseits diese Freundschaft vernachlässigten. Als Rückstand blieb dann nur die Sage von einer solchen Freundschaft und das über die ganze Welt verbreitete Gesetz der Unverletzlichkeit dieser Tiere. Auch unter den Fischern am Adriatischen Meer hat sich noch eine schwache Erinnerung an die alte Fanggenossenschaft lebendig erhalten. Sie glauben, wie Cuvier erzählt, daß der D. aus alter Freundschaft für sie die Thunfische in die großen Kammern aus verankerten Netzen hineintreibe, die man Tonare nennt. Manchmal, wenn sie Bedenken zeigten, gehe er sogar voran, und darum träfe man zuweilen einen D. in den Tonaren. Sie rufen ihm dann zu: „Fora Delfino!“ („Hinaus mit dem D.!“) und komplimentieren ihn auf diese Weise, ohne ihm ein Leid zuzufügen, wieder aus der geöffneten Kammer heraus, bevor sie mit ihrer großen Schlächterei beginnen.