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MKL1888:Despotismus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Despotismus“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Despotismus“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 4 (1886), Seite 714
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Despotismus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 714. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Despotismus (Version vom 09.07.2021)

[714] Despotismus (Despotie, griech.), diejenige Regierungsform, bei welcher lediglich der Wille und die Willkür des Herrschers entscheiden. Man bezeichnet damit den höchsten Grad und die Ausartung eines autokratischen oder absolutistischen Regierungssystems (Tyrannis, Willkürherrschaft). Aber nicht nur in der Monarchie ist ein D. möglich; auch in der Republik können Gewalthaber zeitweise despotisch auftreten, wenn es ihnen gelingt, lediglich nach ihrem Willen die Geschicke des Volkes zu bestimmen. In der Regel spricht man allerdings von D. in der Bedeutung von Fürstendespotismus, und man nennt denjenigen D., welcher im 17. und 18. Jahrh. in den meisten deutschen Territorien zu finden war, einen patriarchalischen D., weil damals das Verhältnis zwischen Landesherrn und Landeskindern in der That vielfach einen gewissen patriarchalischen Charakter angenommen hatte. Auch in Rußland, der eigentlichen Heimat des D. („Despotisme tempéré par l’assassinat“, D. durch Meuchelmord gemäßigt), hat derselbe mildere Formen angenommen, so daß man jetzt wohl auch mit Beziehung auf das russische Reich von einem aufgeklärten D. sprechen kann. Übrigens wird der Ausdruck D. vom Staatsleben nicht selten auch auf andre Lebensverhältnisse übertragen. Man bezeichnet es im Gemeinde-, Kirchen-, Vereins- und Familienleben, im Beamten- und Militärwesen als D., wenn ein Einzelwille sich in ungerechtfertigter Weise andern gegenüber dominierend zur Geltung bringen will. So wird z. B. auch von einem Ministerdespotismus gesprochen, wenn sich das Übergewicht eines leitenden Staatsmannes nicht nur seinen Mitarbeitern und der Volksvertretung, sondern auch selbst dem Monarchen gegenüber in unzulässiger und übermäßiger Weise geltend macht.