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MKL1888:Deutsch-Ostafrika

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Deutsch-Ostafrika“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Deutsch-Ostafrika“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 17 (Supplement, 1890), Seite 241247
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Deutsch-Ostafrika. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 241–247. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Deutsch-Ostafrika (Version vom 24.04.2024)

[241] Deutsch-Ostafrika[WS 1] (s. den betr. Abschnitt auf der Karte „Deutsche Kolonien“, Bd. 17), großes, unter deutschem Reichsschutz stehendes Kolonialgebiet in Ostafrika, wird im S. begrenzt vom Rovumafluß, welcher das deutsche Gebiet vom portugiesischen scheidet, im O. durch die großen Seen Nyassa, Tanganjika und Ukerewe, ohne daß die Grenze auf den Strecken zwischen denselben festgestellt wäre; im N., wo die deutsche Interessensphäre an die englische stößt, geht die Grenze von der Mündung des Flüßchens Umba oder Wanga in den Indischen Ozean unter 4°40′ südl. Br. aus in gerader nordwestlicher Richtung zum Jipesee, überschreitet den Fluß Lumi, umschreibt dann in einem nach NO. sich richtenden Bogen durch die Landschaften Taveta und Dschagga das Massiv des Kilima Ndscharo u. geht dann in gerader nordwestlicher Richtung nach demjenigen Punkt am Ostufer des Ukerewe, welcher unter 1° südl. Br. liegt. Nach O. wird das deutsche Gebiet begrenzt von einem 10 km breiten Küstenstreifen, welcher dem Sultan von Sansibar gehört, aber unter deutscher Verwaltung steht. Das Gebiet umfaßt etwa 1,1 Mill. qkm (19,977 QM.). Durch die britische Interessensphäre (s. Britisch-Ostafrika, Bd. 17) wird das deutsche Gebiet von dem [242] deutschen Witu geschieden sowie von der ebenfalls zur deutschen Interessensphäre gehörigen Somalküste, welche sich nördlich bis Kismaju, das dem Sultan von Sansibar gehört, erstreckt. Da D. somit in dem größern südlichen Teil keinen Hafen besitzt, so wurde mit dem Sultan von Sansibar ein Übereinkommen getroffen, wonach derselbe den Deutschen gegen eine jährliche Entschädigung zunächst die Hafenplätze Dar es Salam und Pangani überließ; 28. April 1888 aber schloß Sultan Kalifa, der seinem Bruder Said Bargasch gefolgt war, nach dem Vorgang Englands einen Vertrag ab, wonach er die gesamte Verwaltung des Küstenstrichs einschließlich der Zölle gegen eine Abgabe der Hälfte der Einnahmen auf 50 Jahre an die Deutschen verpachtete. Unter denselben Bedingungen überließ er den Engländern später auch die nördlich von Witu gelegenen Küstenplätze Kismaju, Barawa, Merka und Makdischu. Die deutsche Interessensphäre (ohne die Somalküste) umfaßt eine große Zahl von Landschaften, worunter die bedeutendsten sind: Makonde, Magwangwara, Mamwera, Wangindo, Mahenge, Uhehe, Ubena, Utschungu, Fipa, Kawende, Ugalla, Uwinsa, Uniamvesi, Ussukuma, Ururi, Turu, Ujansi, Ugogo, Usagara, Khutu, Usaramo, Ukami, Usegua, Nguru, Gedja, Usambara und Pare. Von ihnen sind aber nur Usegua, Nguru, Ukami und Usagara direkt unter deutschen Reichsschutz gestellt.

Physische Verhältnisse, Naturerzeugnisse.

Die Küste ist außerordentlich einförmig und zeigt weder durch stark hervortretende Vorgebirge oder tief einspringende Meeresarme noch durch breite Flußmündungen, mit Ausnahme der Baien von Tanga, Pangani und Kiloa, der tiefen Bai, in welche der Lindifluß mündet, endlich der Mikindanibai nördlich von Kap Delgado, irgend welche wesentlichere Abwechselungen. Ein labyrinthischer Zug kleiner, flacher Koralleninseln begleitet den Küstenrand bis Kiloa und erschwert Schiffen die Annäherung, macht sie sogar stellenweise höchst gefährlich. Weiter vorgelagert sind die größern Inseln Pembia, Sansibar und Mafia, ebenfalls an ihrer Westseite von Korallenriffen besäumt. Der Küstenrand ist im größten Teil seiner Länge ein teils aus verwitterten Korallenkalkmassen, teils aus Dünensand, hin und wieder an den Flußmündungen aber auch aus fruchtbaren Flußalluvionen gebildeter Landstrich, dessen Erhebung über den Meeresspiegel so gering ist, daß sich öfters eine Anlage zu Sumpfbildung zeigt. Die Flüsse verzweigen sich vor ihrem Austritt in den Ozean meist in zahlreiche Arme, welche sehr ansehnliche, mit Mangrovewaldungen bedeckte Deltas bilden und in der Regenzeit rasch weit und breit ihre Ufer überschwemmen. Weiter nach dem Innern zu hebt sich das Land terrassenförmig, und zwar liegen die höhern Gegenden im S. weiter von der Küste entfernt als im N. Auf die erste 1500–1800 m hohe Hochfläche folgen weite, unfruchtbare Savannen, aus denen vereinzelte Gebirge sich erheben. Das bedeutendste derselben ist der an der Nordgrenze unvermittelt aus der Ebene bis weit über 6000 m emporsteigende Kilima Ndscharo mit seinen beiden Gipfeln Kibo und Kimawenzi, welche einem 4000 m hohen Hochplateau aufgesetzt sind. Eine Menge wasserreicher Quellen rauschen von seinen Nord-, Ost- und Südabhängen herab, um in den Ruvu und den zum englischen Gebiet gehörigen Sabaki sich zu ergießen. Alle Zonen, von dem glühenden Tropenklima bis zur eisigen Kälte des Polarklimas, sind an seinen Abhängen vertreten. Gebirgig sind auch die Landschaften Usagara, Makata, Khutu und Ukami; in Uhehe erreichen die Berge eine Höhe von 1800 m, die Wasserscheiden zwischen den Seen und dem Terrassenland der Küste sind kaum irgendwo unter 1500 m Höhe. Die Bewässerung ist mit einigen Ausnahmen eine reichliche. Zwar können die Flüsse dem Verkehr nur in beschränktem Maß dienen, da ihr Lauf meist von zahlreichen, hohen Katarakten unterbrochen wird; doch führen sie das ganze Jahr hindurch Wasser, das die Bewohner einiger Landschaften bereits durch Kanäle ihren Feldern zuführen. Der Ruvu, dessen Quellen am Kilima Ndscharo liegen, ist von Pangani an seiner Mündung eine bedeutende Strecke aufwärts schiffbar; in seinem obern Lauf stürzt er in mächtigen Wasserfällen von Stufe zu Stufe. Die nicht weit voneinander gegenüber der Insel Sansibar bei Sadani, resp. Kingani mündenden Wami und Rufua sind beide in ihrem Unterlauf schiffbar. Der Wami durchströmt in seinem Oberlauf die Makataebene, in der trocknen Zeit eine dürre, verbrannte Gegend mit ziegelhartem Boden, in welchem weite Risse klaffen, in der Regenzeit ein tiefer, undurchdringlicher Sumpf, der jeden Zugang abwehrt. Der bedeutendste Fluß des Gebiets ist der Rufidschi oder Lufidschi, der tief im Innern entspringt, mehrere bedeutende Zuflüsse aufnimmt und an seiner Mündung, gegenüber der Insel Mafia, ein Delta bildet. Zwar ist der Eingang zu seiner Mündung größern Schiffen durch Untiefen versperrt, doch kann derselbe in seinem ganzen Lauf mit großen Kähnen ohne irgend welches Hindernis befahren werden. Seine fruchtbaren Ufer eignen sich vor allen andern zum Plantagenbau. Ebenfalls sehr bedeutend ist der Grenzfluß Rufuma oder Lufuma, welcher, in seinem untersten Lauf inselreich und von außerordentlicher Breite, in die Rovumabai sich ergießt, aber leider nicht schiffbar ist. Von den westwärts ziehenden Flüssen ist der Malagarasi zu nennen, der südlich vom Handelsplatz Udschidschi in den Tanganjika sich ergießt; auch der am Südostende des Tanganjika gelegene viel kleinere Rikwa- oder Leopoldsee empfängt ansehnliche Zuflüsse.

Das Klima, an der Küste heiß und feucht, ist Europäern durchaus nicht zusagend, Fieber befallen dieselben fast ausnahmslos. Besser sind die Gesundheitsverhältnisse auf den höhern Stufen des Innern; das Klima einzelner Gegenden, insonderheit der Abhänge des Kilima Ndscharo, gestattet Europäern sogar dauernden Aufenthalt. Indes wird trotz der allgemein bedeutenden Erhebung des Landes über das Meer Ackerbaukolonisation in diesem Gebiet niemals eine bedeutende Ausbreitung gewinnen können. Die tropische Lage stellt nur Pflanzungs- und Handelskolonisation in Aussicht. Höchstens mögen sich einzelne Berginseln finden, welche Ackerbaukolonisten aufzunehmen geeignet sind. Was die Bodenbeschaffenheit des Landes betrifft, so ist dieselbe eine äußerst verschiedene. Fruchtbare, wasserreiche Landschaften mit prächtigen Wäldern und großen Weidestrecken wechseln ab mit Sandwüsten und öden Ebenen, welche mit dornigen Mimosen, scharfrandigen Schilfgewächsen, Euphorbien und Akaziengestrüpp bedeckt sind, wie eine solche das schöne Kilima Ndscharo-Gebiet von den Küstenlandschaften trennt. Auch in den besten Gegenden liegt die bestellbare Bodenschicht nirgends so tief, daß man dasselbe Land auf Jahre hinaus bebauen könnte, ohne seine Fruchtbarkeit zu erschöpfen. Die Vegetation ist in dem heißen, feuchten Küstenstrich überaus üppig und gänzlich tropisch, von der Flora der entsprechenden Westküste Afrikas indes durchaus verschieden. Kasuarinen- und Kokospalmenwaldungen [243] begrenzen den Meeresstrand, neben ihnen findet sich die Arekapalme, die ostindische Palme; bis an den mittlern Lauf der großen Flüsse geht die Mikanapalme. Dichte Waldungen von Flaschenbäumen, Tamarinden, Melonenbäumen, wilden Maulbeerbäumen, bittern Orangen, Mangobäumen, Acajoubäumen bedecken die Höhen; ein Hauptnahrungsmittel bietet die Kassawa, Zuckerrohr wächst wild, ebenso in trefflicher Qualität die Baumwolle. Einen wichtigen Handelsartikel bildet der Kopal von dem Kopalbaum, wild wachsende und kultivierte Ölpalmen liefern Öl für die Ausfuhr nach Indien. Man baut Sorghum, Kürbisse, Erbsen, Maniok, Bananen, Sesam. Die Tierwelt ist die Mittelafrikas überhaupt. Affen, besonders Paviane und Meerkatzen, beleben die Wälder; Löwen sind selten, dagegen Leoparden, Hyänen, Schakale häufig, ebenso Rhinozerosse, Flußpferde, wilde Büffel, Schweine; Antilopenarten, Giraffen, Zebras, Quaggas und wilde Esel schweifen über die Ebenen des Innern, Krokodile finden sich in allen Seen und Flüssen. Auch der Elefant ist an den Seen Zentralafrikas nicht selten. Die Zibetkatze wird in manchen Gegenden zahm gehalten. Auch an Vögeln und Fischen ist das Land reich. An den Küsten wird die im ganzen Sudân als Geld dienende Kaurimuschel in großen Mengen gesammelt. Zahlreich sind Ameisen und Termiten; in manchen Teilen kommt auch die Tsetsefliege vor. Als Haustiere hält man Rinder, Ziegen, Schafe und Esel.

Bevölkerungsverhältnisse, Kultur.

Die Bevölkerung tritt hier in so mannigfachen Verhältnissen auf, daß sie kaum von der einer andern Kontinentalgegend übertroffen werden möchte. Wir haben hier vornehmlich drei Völkerelemente zu unterscheiden: die Handelsaraber, die Krieger- und Nomadenvölker der schwarzen Rasse, endlich die Beute der beiden erstern, die Schwarzen des ostafrikanischen Terrassenlandes und Binnenseegebiets. Araber haben sich unter den einheimischen Stämmen schon seit Jahrhunderten niedergelassen, zuerst an der Küste, dann sind sie weiter und weiter nach W. vorgedrungen, so daß man sie jetzt überall in den wichtigen Handelsplätzen bis zu den großen Seen und darüber hinaus antrifft. Sie stammen aus Südarabien, haben sich aber mit der einheimischen Bevölkerung stark vermischt und sind jetzt durch das Klima, die Bequemlichkeit des Sklavenhaltens und die Vielweiberei verkommen. In den Küstenplätzen wohnen zahlreiche Hindu, Banianen von Kutsch und Dschamnaggar und die mohammedanischen Sekten der Khodscha und Bora von Kutsch, Surat und Bombay, meist schlaue Händler und Geldausleiher, welche es verstanden haben, sich Wohlstand und oft großen Reichtum auf Kosten der übrigen Bevölkerung zu erwerben. Die räuberischen Kriegervölker sind von N. und S. her eingedrungen. Von N. die jetzt zwischen Kilima Ndscharo und Ukerewe hausenden Massai, ausgesprochene Viehzüchter und dabei gefährliche Räuber, denen ihre Rinder alles liefern, was sie zum Leben brauchen. Während diese Massai zu den zwischen mittelländischen Hamiten und Negern stehenden Nubavölkern gehören, sind die von S. her eingedrungenen Raubvolker Zuluneger, also Bantu. Die zu ihnen gehörigen Watuta drangen am Ostufer des Tanganjika aufwärts und von dort nach Uniamwesi, wo sie ein Reich gründeten. Ein andres dieser Raubkriegervölker sind die Yao, welche in den jüngsten Aufständen ein ganzes Heer Bewaffneter an die Küste nach Lindi und Mikindani sowie nach dem benachbarten portugiesischen Gebiet entsandten. In den Küstenlandschaften vom Kap Delgado im S. bis zu den Ansiedelungen der Somal im N. wohnen die Suaheli, welche die Portugiesen schon um 1500 hier antrafen, eine stark mit arabischem Blut vermischte Händler- und Trägerbevölkerung, welche im Dienste der arabischen und indischen Händler und für sich weit ins Innere hinein ihrem Verkehrserwerb nachgeht und dem halben Äquatorialafrika ihre Sprache (das Kisuaheli) aufgedrängt hat. Endlich haben wir hier noch die eigentlichen einheimischen, zu den östlichen Bantu gehörigen Völkerschaften, welche von Arabern und Hindu wie von jenen Räubervölkern ausgebeutet werden. Es sind dies die Wasagara in Usagara, die Wasambara in Usambara und die Wanika nördlich von den letztern. Die Wagogo wohnen in Ugogo und die Waheho zwischen Usagara und Ugogo. Es sind meist wohlgebildete, mittelgroße Gestalten von brauner bis schwarzer Hautfarbe. Am Kilima Ndscharo treiben die Dschagga schon mit viel Verständnis Ackerbau und ziehen selbst Erbsen und Bohnen.

Die Religion der Suaheli an der Küste ist der Islam, der ihnen von den Arabern gebracht wurde, obschon sie wenig mehr als das Zeremoniell gelernt haben. Durch arabische Handelsleute ist der Islam weiter ins Innere getragen worden und noch in steter Ausdehnung begriffen. Im übrigen sind die Völker dieses Gebiets Heiden, ohne aber zu klaren Vorstellungen über die von ihnen verehrten Gottheiten gekommen zu sein. Bei allen herrscht viel Aberglaube: Zauberei, Regenmacherei, Hexerei; bei den Mangandscha und Maravi sind Gottesurteile im Gebrauch, die Manika opfern auf den Gräbern ihrer Vorfahren. Viele Stämme, auch die heidnischen, üben die Beschneidung. Auf den Frauen ruht fast die ganze Last der Arbeit: Feldbau, häusliche Arbeit, bei einigen Stämmen selbst der Häuserbau. Vielweiberei ist gewöhnlich; die Frau wird von den Eltern derselben gekauft, bei den Wakamba muß sie außerdem noch geraubt werden.

Die Mission hat in diesem Gebiet schon seit vielen Jahren gearbeitet. Namentlich sind die Engländer hier thätig gewesen. Sechs englische protestantische Missionsgesellschaften haben 25 Stationen gegründet, auf denen bis vor kurzem 83 europäische und 46 eingeborne Gehilfen wirkten; die Zahl der gesammelten Christen betrug 1887 allerdings nur 1259, die der Kommunikanten 327 und dies bei einer Ausgabe von 810,599 Mk. Auch französische katholische Missionäre arbeiten schon seit Jahren an der Bekehrung der Eingebornen. Nach der Besitzergreifung des Landes durch Deutschland bildete sich auch in Berlin eine Missionsgesellschaft für Ostafrika, deren erste Station sich in Dar es Salam befindet, während ein Krankenhaus auf der Insel Sansibar errichtet wurde. Durch den unter Leitung der arabischen Händler an der Küste ausgebrochenen Aufstand ist auch das Missionswerk ernstlich gefährdet worden; mehrere Missionäre wurden ermordet, andre erst nach Zahlung eines Lösegeldes aus der Gefangenschaft befreit.

Ackerbau und Viehzucht sind schon seit langer Zeit in Ostafrika eingeführt worden, besonders werden schöne Rinder und Fettschwanzschafe gezogen. Der Reis hat bereits außerordentliche Verbreitung, Bienenzucht wird eifrig betrieben, Tomaten, verschiedene Melonenarten und gute Hülsenfrüchte werden gezogen. Auch Plantagenbau ist schon seit längerer Zeit durch die Araber betrieben worden, vor allem werden Kokospalmen in ungeheuern Mengen gebaut, während die Kultur von Gewürznelken nur auf den [244] Inseln Sansibar und Pemba, die von Ölpalmen nur auf Pemba betrieben wird. Auch die französischen Missionäre (meist deutsche Elsässer) haben bei Bagamoyo und im Innern schöne Pflanzungen angelegt, während die englischen Missionäre an der ostafrikanischen Küste dies ganz vernachlässigen. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft zog auf ihren Stationen meist nur genügend für den Küchenbedarf, eine eigentliche Plantage besaß sie nur zu Kikogwe, gegenüber Pangani, wo Baumwolle gepflanzt wurde. Dagegen war der Zweck der 1886 gegründeten Deutsch-Ostafrikanischen Plantagengesellschaft die Anlage von Pflanzungen; sie besaß zu Lewa, zwei Tagereisen von Pangani, sowie zu Kibueni auf Sansibar Tabakspflanzungen, welche sehr gut gediehen. Doch wurde Lewu durch den Aufstand verwüstet, auch bleibt es fraglich, ob der Tabak die Transportspesen nach der Küste vertragen könnte.

Den Verkehr zwischen den bedeutendern Häfen (Lindi, Kiloa Kivindje) mit Sansibar, Mombas, Lamu, Aden und Indien einerseits und Ibo, Mosambik, Quilimane, Delagoabai, Natal und Kapstadt anderseits vermitteln die Dampfer der englischen British-India Steam Navigation Co. von Aden aus und der Castle Mail-Line, welche ihre Fahrten um das Kap macht, während die der französischen Messageries maritimes von Madagaskar über Mosambik und Ibo direkt nach Sansibar gehen, die Küste Deutsch-Ostafrikas demnach gar nicht berühren. Die kleinern Dampfer des Sultans von Sansibar besuchen öfters die Küstenplätze und stellen in langen Zwischenräumen den einzigen, ziemlich willkürlichen Verkehr mit dem Somalland her. Zwei in Sansibar angesessene deutsche Firmen besitzen ebenfalls je ein größeres Schiff, während der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ein kleines Dampfboot gehört, das bei gutem Wetter die Reise von Sansibar nach den Küstenplätzen zu machen im stande ist. Bei dieser ziemlich traurigen Dampferverbindung spielen die kleinen, aber seetüchtigen arabischen Dhaws immer noch die erste Rolle. In nächster Zeit werden indes drei neue Linien mit D. verkehren, eine englische, welche von Liverpool durch den Suezkanal nach Sansibar, eine portugiesische, welche die portugiesischen Besitzungen im W. und, um das Kap laufend, im O. sowie Sansibar anläuft, und eine deutsche, welche sich von der deutschen Reichspostdampferlinie nach Ostasien bei Aden abzweigt und alle wichtigen Häfen der Ostküste bis zur Delagoabai anläuft. Für diese durch drei Dampfer zu besorgende Linie will das Reich eine Subvention von 900,000 Mk. jährlich beisteuern.

Der Handel ist erst in neuester Zeit durch die Herrscher von Sansibar wieder belebt, die Produktion des Landes vermehrt und die Sicherheit im Innern hergestellt worden. Von den Handelswegen nach dem Innern sind besonders drei nennenswert. Einer von Tanga und Pangani nach den Ebenen von Massailand, dem Bergland von Dschagga und den Hochebenen jenseit des Doengo Ngai. Eine zweite gangbare Karawanenstraße führt von Bagamoyo, Kondutschi oder Mboamadschi über Sungamero und Ugogo in das Hochland von Uniamvesi, von dessen Mittelpunkt Tabora wieder Wege südwärts nach Khokoro, südwestwärts nach Lunda, westwärts an den Tanganjika und nordwärts an den Ukerewe sich abzweigen. Auf der dritten gangbaren Straße gehen die Araber von Kiloa nach Mdschenga am Nyassa, übersetzen denselben an seiner schmälsten Stelle in Ruderbooten und gehen dann noch weiter westwärts dem Hochland zu. Hier wie in Westafrika vermittelt lediglich der Mensch als Träger den Verkehr, alles wird auf den Köpfen getragen, und eine Karawane bedarf mehrerer Hunderte von Trägern, um einen größern Warenvorrat fortzuschaffen. In jedem neuen Gebiet muß eine Abgabe an den Häuptling, eine Art Durchgangszoll, gezahlt werden. Der äußerste westlichste Punkt ist die Marktstadt Njangwe am Lualaba. Das Binnenland nach den Großen Seen hat als Stapelwaren Sklaven, Hornvieh, Eisen, Tabak, Matten und Baumrinde; dazu kommen Elfenbein, Hippopotamuszähne, Rhinozeroshörner. Von großer Wichtigkeit ist der an der Küste vorkommende Kopal; Kaurimuscheln werden an der ganzen Küste gesammelt, doch haben sie nur noch im Innern Geltung, an der Küste zieht man englische und arabische Silber- und Goldmünzen vor. Sonst werden noch ausgeführt: Palmöl und Palmkerne, Affenfelle, Ebenholz, Rotholz, Kalabarbohnen (eine Gift enthaltende Nuß) und etwas Kautschuk. Die Einfuhr begreift namentlich Rum, Schießpulver und Munition, Korallen, Baumwollzeuge, Messingdraht, Bandeisen, Eisen- und Stahlwaren, Glasperlen, Zündhölzer und viele andre Industrieerzeugnisse Europas.

Noch bis ganz vor kurzem wurde hier der Sklavenhandel auf das schwunghafteste betrieben, auch der zwischen England und dem Sultan von Sansibar 1874 abgeschlossene Vertrag änderte daran nichts. Der größere Teil der Sklaven kam aus den Landschaften im W. des Nyassasees und ging meist nach Kiloa, um von dort nach Sansibar verschifft zu werden. Bei dem Zollhaus des Sultans von Sansibar in Kiloa wurden 1863–67 nicht weniger als 97,203 Sklaven versteuert, und seitdem nahm die Zahl der verschifften Sklaven keineswegs ab. Dazu kommen noch die andern Häfen an der Küste, aus denen ebenfalls Sklaven ausgeführt werden. Nach dem Vertrag mit England war nicht die Zufuhr von Sklaven nach den Besitzungen des Sultans von Sansibar, wohl aber die Ausfuhr derselben nach Arabien, Persien u. a. verboten. Aber dieselbe fand trotzdem statt. Die arabischen Segeldhaws hängen von den Monsunen ab und können nur von April bis Ende Juni und von September bis Anfang November auslaufen. Während dieser Perioden in den Jahren 1867–69 brachten die an dieser Küste stationierten englischen Kreuzer nicht weniger als 116 Dhaws auf, aus denen sie 2645 Sklaven befreiten, während allein aus Kiloa und Sansibar 37,000 Sklaven verschifft wurden. Infolge dieser Sklavenjagden ist die Bevölkerung furchtbar dezimiert worden. Seit 1888 haben nun Deutschland, England, Portugal und Italien gemeinsam es unternommen, durch Stationierung von Kriegsschiffen an der Ostküste dem Sklavenhandel ein Ende zu setzen.

Die Völkerschaften dieses Gebiets bilden meist kleine Staaten mit monarchischer oder republikanischer Verfassung; bei manchen aber ist von irgend welcher Verfassung gar keine Rede. Die Oberhäupter oder Ältesten, welche in einigen dieser Staaten den Titel Sultan führen, vollziehen entweder nur die Beschlüsse der Majorität, oder sie regieren mit eigner Machtvollkommenheit. Dagegen steht das Küstenland seit Jahrhunderten unter dem Einfluß auswärtiger Mächte. Nachdem 924 die Araber an der Somalküste die Städte Makdischu und Barawa angelegt hatten, gründeten die Perser 980 Kiloa; von diesen Plätzen breiteten beide Völker ihre Herrschaft über die Ostküste aus und bildeten eine Anzahl selbständiger Freistaaten. Vasco da Gama fand 1498 die blühenden Städte Mosambik, Kilwa, Mombas, [245] Melinde, Brawa, Makdischu. Nachdem die Portugiesen 1503 sich die Insel Sansibar unterworfen hatten, trugen sie ihre Herrschaft auch auf die Festlandküste hinüber, zerstörten den Handel mit Landesprodukten und bewirkten das Aufblühen des Sklavenhandels zum Ruin des Landes. Die Herrschaft der Portugiesen erwies sich aber als so drückend, daß die Eingebornen den Imam von Maskat herbeiriefen, welcher 1698 Mombas einnahm und von da aus nach und nach die ganze Küste bis Mosambik eroberte[WS 2]; 1728 kamen die Portugiesen wieder, als der Imam in Maskat beschäftigt war. Bald aber kehrten die Araber zurück und nahmen 1784 das letzte portugiesische Bollwerk, Sansibar, ein. Nur Mombas blieb unter einheimischen Fürsten selbständig, bis es 1828 ebenfalls unterworfen wurde. Doch war die Herrschaft des Sultans von Sansibar nur auf die Küstenplätze beschränkt, die weiter nach innen wohnenden Stämme erkannten dieselbe keineswegs an, wenngleich hier und dort sie dann und wann die Bedrückungen seiner Soldaten sich gefallen lassen mußten.

Geschichtliches. Die deutsche Kolonisation.

Die deutsche Besitzung an der ostafrikanischen Küste wurde 1884 durch den kühnen Zug von Peters, Jühlke und Graf Pfeil erworben, welche im Auftrag der in Berlin gebildeten Gesellschaft für deutsche Kolonisation mit den Herrschern von Useguha, Nguru, Usagara und Ukami Verträge abschlossen, wodurch diese ihr Land mit allen Hoheitsrechten an die genannte Gesellschaft für ewige Zeiten abtraten. Die Erwerbungen waren im November und Dezember 1884 gemacht worden, und schon im Februar 1885 wurde der Gesellschaft ein kaiserlicher Schutzbrief verliehen, durch welchen die genannten Gebiete unter die Oberhoheit des Deutschen Reichs wie unter dessen Schutz gestellt wurden. Alle Hoheitsrechte (Gerichtsbarkeit, Zoll- und Bergwerksregal u. a.) sollten aber der Gesellschaft zustehen und zwar über die Eingebornen wie über die dort wohnenden Reichsangehörigen und die Angehörigen fremder Nationen. Aus dieser Gesellschaft heraus bildete sich bald darauf eine Zweiggesellschaft, die Kommanditgesellschaft Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft Karl Peters und Genossen, an deren Spitze ein auf 15 Jahre gewähltes Direktorium von fünf Mitgliedern mit entscheidenden Vollmachten trat. Als Zweck der Gesellschaft wurden bezeichnet Erwerb, Besitz, Verwaltung und Verwertung von Ländereien, Ausbeutung von Handel und Schiffahrt durch Selbstbetrieb oder Übertragung an andre Gesellschaften sowie deutsche Kolonisation im O. Afrikas. Die ausgegebenen Anteilscheine lauteten auf 50, 500 und 1000 Mk., jede gezahlte Mark gab Anspruch auf 50 Ar Land. Schon wenige Monate später wurde Peters allein mit außerordentlicher Generalvollmacht auf zehn Jahre bekleidet und zur bessern finanziellen Begründung des Unternehmens statt der bisherigen Gesellschaftsform eine korporative Form gewählt, in welcher die Gesamtgesellschaft Trägerin der Gesellschaftsrechte wurde. Dadurch sollte an Stelle der bisherigen Kommanditgesellschaft eine mit dem Rechte der juristischen Person ausgestattete Korporation unter dem Namen Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft treten. Zugleich wurden die Anteile der Gesellschaft um ein Bedeutendes und zwar auf 10,000 Mk. erhöht, man wandte sich nunmehr ausschließlich an das große Kapital und brachte eine Summe von 4 Mill. Mk. zusammen, mit welchem die Arbeiten begonnen wurden. Zum Präsidenten auf fünf Jahre wurde abermals Peters ernannt, ihm sollten zwei Direktoren und ein Direktionsrat von 15 Mitgliedern zur Seite stehen. Die Aufsicht über die Gesellschaft wurde dem Reichskanzler übertragen. Im März 1887 begab sich Peters nach Sansibar, doch kehrte er schon Anfang 1888 wieder nach Berlin zurück, seine Stelle übernahm der ehemalige Konsul Bohsen.

Während sich so die Organisation und Finanzierung der Gesellschaft in Deutschland stufenweise vollzog, war man in Afrika rüstig mit Landerwerbungen fortgeschritten. Als 10. Dez. 1885 eine aus Vertretern des Deutschen Reichs, Frankreichs und Englands zusammengesetzte Kommission in Sansibar zusammentrat, um für die Herrschaft des Sultans genaue Grenzen zu bestimmen, hatte die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft folgende Erwerbungen gemacht: die Landschaften Usagara, Nguru, Useguha und Ukami, durch Peters und Graf Pfeil erworben laut Verträgen vom Dezember 1884, anerkannt durch kaiserlichen Schutzbrief vom 27. Febr. 1885. Landschaft Khutu, durch Graf Pfeil erworben laut Vertrag vom 10. Juni 1885. Das ganze Kilima Ndscharo-Gebiet, umfassend die Landschaften Usambara, Pare, Aruscha, Dschagga, erworben durch Jühlke und Leutnant Weiß laut Vertrag vom 19. Juni 1885. Das Somalland, 20 Tagereisen landeinwärts von der Nordküste östlich von Berbera bis Warscheich an der Ostküste durch Baumeister Hörnecke und Leutnant v. Anderten laut Verträgen vom September und November 1885. Die Landschaft Usuramo durch Leutnant Schmidt laut Vertrag vom 19. Dez. 1885. Die Landschaft Uhehe durch Graf Pfeil und Leutnant Schlüter laut Vertrag vom 29. Nov. 1885. Die Landschaften Ubena, Wamatschonde, Mahenga und Wangindo durch Graf Pfeil und Leutnant Schlüter. Die Gebiete des Herrscherhauses der Msara, deren Umfang nicht festgestellt war, durch Vertrag des Assessors Lucas, so daß das ganze Gebiet sich von 12° nördl. Br. bis 12° südl. Br., d. h. von der Nordküste des Somallandes zwischen Berbera und Halule bis Kap Delgado, erstreckte mit Ausnahme einer geringen Küstenstrecke zwischen Warscheich und Barawa. Landeinwärts erstreckte sich diese Herrschaft längs des Rovuma bis zum Ostufer des Ukerewe, weiter im N. bis nach Ugogo und bis westlich vom Kilima Ndscharo. Eingeschlossen zwischen diesen Erwerbungen lag das Witugebiet. Indessen wurde der kaiserliche Schutzbrief, welcher für Usagara, Nguru, Useguha und Ukami erteilt worden war, nicht auf die übrigen Erwerbungen ausgedehnt. Der Sultan von Sansibar, Said Bargasch, machte aber selbst Ansprüche auf die von den Deutschen erworbenen Gebiete, und sein Widerstand, der sich in mancherlei Schikanen, selbst in offener Feindseligkeit gegen den Sultan von Witu kundgab, wurde erst durch das Erscheinen einiger deutscher Kriegsschiffe vor Sansibar gebrochen. Er erkannte 13. Aug. 1885 die deutsche Schutzherrschaft an und schloß sogar einen für Deutschland sehr günstigen Handelsvertrag ab. Sehr bald machte auch England auf einen Teil der Küste Anspruch, und so wurde denn Ende 1886 ein Abkommen getroffen, welches die deutsche und die englische Interessensphäre bestimmt abgrenzte. (Vgl. oben und Britisch-Ostafrika, Bd. 17.) Deutschland verpflichtete sich, nördlich von der vereinbarten Grenze keine Gebietserwerbungen zu machen, keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung englischen Einflusses im N. dieser Linie nicht entgegenzutreten, während Großbritannien gleiche Verpflichtungen für die südlich von dieser Linie gelegenen Gebiete übernahm. Die privatrechtlichen [246] Ansprüche der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft auf die der englischen Interessensphäre überlassenen Gebiete wurden dadurch nicht berührt, ebensowenig wie die privatrechtlichen Ansprüche auf die Erwerbungen im Somalland vom Tana bis zum Golf von Aden, was aber Italien nicht hinderte, 1889 das Gebiet von Obbia an dieser Küste von dem dortigen Sultan sowie das daran grenzende Küstenland bis Kismaju zu erwerben. Auch wurden die an dieser Küste gelegenen Stationen von Kismaju, Barawa, Merka und Makdischu mit einem Umkreis von je zehn Seemeilen und Warscheich mit einem Umkreis von fünf Seemeilen als dem Sultan von Sansibar gehörig anerkannt. Demselben wurden auch durch ein zu gleicher Zeit getroffenes Übereinkommen außer den Inseln Sansibar und Pemba diejenigen kleinern Inseln zuerkannt, welche in der Nähe der erstern innerhalb eines Umkreises von 12 Seemeilen liegen, die Inseln Lamu und Mafia, sowie auf dem Festland ein Küstenstreifen von 10 Seemeilen Breite, welcher ununterbrochen von der Mündung des Mininganiflusses am Ausgang der Tunghibucht bis Kipini reicht. Die Verhandlungen Deutschlands mit Portugal wegen Feststellung der Südgrenze des deutschen Gebiets wurden rasch erledigt.

Somit war sowohl der deutsche als der englische Besitz von dem direkten Verkehr mit der Küste gänzlich abgeschlossen. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft hat daher ihre Stationen hinter diesem Küstenstreifen und zwar einige derselben in sehr beträchtlicher Entfernung vom Meer angelegt, für ihr wirtschaftliches Gedeihen ein sehr großes Hindernis. Solche Stationen sind Usaungula, Madimolo und Dunda in Usaramo, Kiora und Simathal in Usagara, Korogwe in Usegua, während Tanganijko in dem Küstenstreifen des Sultans vor der britischen Interessensphäre und Hohenzollernhafen an der Küste des Somallandes liegen. Die später gebildete Ostafrikanische Plantagengesellschaft hatte die Stationen Deutschenhof am Ruvu, Mbzini in Useguha und Kibuene und Manganya auf Sansibar angelegt. Die Stationen waren demnach sehr zerstreut und viel zu weit von der Küste gelegen, um bei den mangelhaften Verkehrsverhältnissen Äquatorialafrikas, wo alle Transporte durch Träger besorgt werden müssen, an eine lohnende Verwertung denken zu lassen. Zudem war der Verkehr keineswegs gesichert, so daß Sendungen von der Küste zu den Stationen im Innern mehrfach abgefangen wurden. Die Versuche mit allerlei Kulturen, insonderheit mit Tabak, gediehen indessen recht gut, obschon die Beschaffung von Arbeitern anfangs einige Schwierigkeiten machte. Eine große Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des deutschen Schutzgebiets war es, als durch Vermittelung der Reichsregierung der Sultan der Gesellschaft die Häfen Pangani und Dar es Salam gegen eine Entschädigung, jedoch unter Wahrung seiner Hoheitsrechte, überließ. Als dann 1888 die Britisch-Ostafrikanische Kompanie mit dem Sultan einen Vertrag auf 50 Jahre abschloß, durch welchen die gesamte Verwaltung, insbesondere auch die Erhebung der Zölle im Küstengebiet, an die englische Gesellschaft verpachtet wurde, ahmten die Deutschen dies Beispiel nach. Dieser Vertrag verschaffte den beiden Gesellschaften nicht nur, indem er sie an den Zollerträgnissen teilnehmen ließ, Einnahmen zur Verzinsung ihrer Kapitalien, sondern löste, indem er die Gesellschaften mit Verwaltungs- und Hoheitsrechten im Sultansgebiet ausstattete, auch die Territorialfrage, wenn auch noch nicht klar rechtlich und mit Vorbehalten, doch faktisch zu gunsten der Europäer. Neben der Sultansflagge sollte die der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft geheißt werden. Aber die Beamten der deutschen Gesellschaft, welche die Zollverwaltung sofort übernahm, während die Engländer diese Übernahme noch aufschoben, waren kaum in die ihnen zugewiesenen Plätze eingerückt, als ein Aufstand der in ihren Interessen bedrohten arabischen Händler ausbrach, welcher rasch die ganze bisher geleistete Kolonialarbeit zu nichte machte. Die deutschen Beamten wurden vertrieben, einige sogar getötet und die deutsche Flagge in den Staub getreten. Der Sultan von Sansibar entsandte zwar ein Korps unter seinem General Matthews, zog dasselbe aber sogleich wieder zurück, da seine Soldaten mit den Aufständischen fraternisierten. Eine an der ostafrikanischen Küste stationierte deutsche Marineabteilung schritt fast gar nicht ein, und so verbreitete sich die aufständische Bewegung rasch über die ganze Küste, nur zwei Plätze derselben wurden von einer kleinen Zahl Deutscher, unterstützt von der Marine, gehalten und gegen große Übermacht tapfer verteidigt. Die Verluste aber, welche die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft durch den Aufstand erlitt, waren sehr bedeutend, die direkten wurden von ihr auf 650,000 Mk. berechnet, während die indirekten Verluste an Aufwendungen, welche gemacht wurden, um im Innern festen Fuß zu fassen, Stationen (Arusha, Mashi, Mpwapwa) anzulegen, Expeditionen auszusenden u. a., sich auf noch weit höhere Summen berechnen. Die Gesellschaft stellte nun beim Auswärtigen Amte den Antrag, daß ihr gestattet werde, eine Anleihe von 6–10 Mill. Mk. unter einer Zinsgarantie seitens des Reichs aufzunehmen, deren Verzinsung und Amortisation aus dem deutschen Anteil der Zölle geschehen solle. Die deutsche Reichsregierung aber zog es vor, selber die Wiederherstellung der Ruhe und den Schutz der deutschen Interessen in die Hand zu nehmen. Sie erhielt zu diesem Zweck vom Reichstag eine Bewilligung von 2 Mill. Mk. und gewann den Afrikaforscher Wißmann, die Führung einer Expedition zu übernehmen, durch welche die Ruhe im ostafrikanischen Schutzgebiet wiederhergestellt werden sollte. Wißmann ging mit 21 deutschen Offizieren, Ärzten und Beamten und 40 Unteroffizieren im März 1889 nach Afrika ab, wo er eine Truppe aus Somal, Suaheli und Zulu anwarb. Zur Beförderung seiner Truppen von einem Ort zum andern wurden fünf Dampfer angekauft, außerdem noch zwei kleinere Dampfer gemietet. Die Araber unter ihrem Führer Buschiri waren inzwischen immer kühner geworden. Wißmann schritt sogleich nach seiner Ankunft an der ostafrikanischen Küste zum Angriff auf die arabischen, stark verschanzten Stellungen und nahm, unterstützt von einer Abteilung der deutschen Flotte unter Admiral Deinhardt, in rascher Folge Bagamoyo, Saadani, Pangani und Tanga, worauf sich der Rebellenführer Buschiri nach dem Innern zurückzog und die Station Mpwapwa überfiel, wobei ein deutscher Beamter ermordet wurde, während ein zweiter entkommen konnte. Buschiri, der bisher den Kampf in verhältnismäßig ehrlicher Weise geführt hatte (so wurden auch die von ihm gefangenen Reisenden Meyer und Baumann sowie die Mitglieder der katholischen Mission gegen ein Lösegeld freigegeben), begann mit diesem Akt eine Reihe der empörendsten Grausamkeiten gegen alle, welche mit den Deutschen in irgend welche Verbindung traten. Er metzelte in barbarischer Weise die Bewohner der überfallenen Ortschaften nieder und schickte Handwerker und Arbeiter, [247] welche den Deutschen Dienste geleistet, mit abgehauenen Händen in Wißmanns Lager. Eine auf seinen Kopf gesetzte hohe Belohnung hatte lange keinen Erfolg. Endlich aber fiel er, in einem Gefecht verwundet und fliehend, den aufgebrachten Eingebornen in die Hände, welche ihn an Wißmann auslieferten, der ihn sofort durch ein Kriegsgericht aburteilen und durch den Strang hinrichten ließ. Obwohl nun durch Wißmanns, der inzwischen zum Major befördert worden war, und seines ersten Offiziers, v. Gravenreuth, energisches Vorgehen die Sicherheit so weit hergestellt wurde, daß nach Errichtung einer befestigten Station zu Mpwapwa der Karawanenverkehr über diesen wichtigen Handelsplatz wieder aufgenommen werden konnte, so daß Stanley und Emin von hier unter deutschem Geleit zur Küste zogen, so war der Aufstand damit doch noch nicht völlig niedergeworfen. Eine längere militärische Besetzung des Landes erwies sich als dringend nötig, und der Reichstag bewilligte abermals 2 Mill. Mk. für militärische Zwecke in D.

Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft erhielt 23. Mai 1889 die landesherrliche Genehmigung, sich in eine reichsrechtliche Korporation umzuwandeln mit dem Recht, Eigentum und andre dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. Mitglieder der Gesellschaft sind die Eigentümer von 536 Anteilscheinen in Einzelbeträgen von 200 bis 10,000 Mk. und im Gesamtbetrag von 3,726,200 Mk., der heute bis auf 1 Mill. reduziert ist. Die Finanzverhältnisse haben sich folgendermaßen entwickelt. Als die oben dargelegte Umwandlung der Gesellschaft „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft Karl Peters und Genossen“ in die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ erfolgte und auf diese nun der ganze Besitz überging, betrug die buchmäßige Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafter und Kommanditisten 40,000, diejenige der stillen Gesellschafter 1,217,600 Mk. Am 26. Febr. 1887 wurde von den seitherigen persönlichen Gesellschaftern der genannten Kommanditgesellschaft und von ihren Kommanditisten, welche bei dem Unternehmen in der neuen Form in der Höhe ihrer seitherigen Quoten beteiligt wurden, sowie von andern Personen, welche auf das Unternehmen in der neuen Form 208 Anteile über je 10,000 Mk. gezeichnet hatten, eine neue „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ konstituiert. Die Gesamtbeteiligung beträgt gegenwärtig Neuzeichnungen bis 25. Febr. 1887: 2,080,000 Mk., Beteiligung der ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter und Kommanditisten 40,000, Anteile ohne Barzahlung als Gegenleistung 150,000, Beteiligung ehemaliger stiller Teilnehmer 1,216,300, Neuzeichnungen seit Februar 1887: 240,000 Mk. Die Gesellschaft ist berechtigt, auf Beschluß des Verwaltungsrats weitere Anteile von je 100,000 Mk. bis zum Gesamtbetrag von 10 Mill. Mk. auszugeben. Trotz der äußerst ungünstigen in jüngster Zeit eingetretenen Verhältnisse erweist sich unser ostafrikanischer Besitz für den Handel als außerordentlich wertvoll. Denn es betrug der Gesamtwert der in die Verwaltungsbezirke Tanga, Pangani, Bagamoyo, Dar es Salam, Quiloa Kiwindje, Lindi und Mikandani vom 18. Aug. 1888 bis 17. Aug. 1889 eingeführten Waren 2,478,388, der der Ausfuhr 4,388,150 Mk.; an Einfuhrzöllen wurden während der gedachten Periode 123,388, an Ausfuhrzöllen 523,678 Mk. erhoben.

Vgl. Westphal, Sansibar und das deutsche Ostafrika (Weim. 1885); Wagner, Deutsch-Ostafrika (2. Aufl., Berl. 1888); Grimm, Der wirtschaftliche Wert von D. (das. 1886); Baumgarten, Deutsch-Afrika und seine Nachbarn (das. 1887); Derselbe, Ostafrika (Gotha 1890); Krenzler, Ein Jahr in Ostafrika (Ulm 1888); Graf Pfeil, Vorschläge zur praktischen Kolonisation in Ostafrika (Berl. 1888); Oberländer, Deutsch-Afrika (Leipz. 1889); Frenzel, Deutschlands Kolonien (2. Aufl., Hannov. 1889); Förster, D., Geographie und Geschichte der deutschen Kolonie (Leipz. 1889); Fabri, Fünf Jahre deutscher Kolonialpolitik (Gotha 1889); Peters, Die deutsch-ostafrikanische Kolonie (Berl. 1889); Baumann, In D. während des Aufstandes (Wien 1889), Karten: Übersichtskarte von Mittelostafrika (1 : 800,000, 2. Aufl., Weim. 1887); Ketteler, Spezialwandkarte von D. (1 : 3,000,000, Wien 1887); Spezialkarte von Afrika, Sektion 8, bearbeitet von Lüddecke (Gotha 1887).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 199201
korrigiert
Indexseite

[199] Deutsch-Ostafrika. Nach dem Untergang des gefährlichen Rebellenführers Buschiri behauptete sich noch Bana Heri, der frühere Wali von Saadani, im Süden von Mkwadja. Hier wurde er bei einer Rekognoszierung von Leutnant Schmidt bei Mlembule entdeckt und 4. Jan. 1890 vom Major Wißmann, der bei Saadani mit 500 Mann gelandet war, in einer stark befestigten Stellung angegriffen. Nach einem gleichzeitigen Angriff in der Fronte und der rechten Flanke wurden die feindlichen Verschanzungen erstürmt, aber Bana Heri entkam und setzte sich südwestlich davon bei Palamaka in einer hügeligen und bewaldeten Gegend fest. Hier wurde er vom Freiherrn von Gravenreuth aufgespürt und 9. und 10. März von Wißmann wieder angegriffen. Der Feind hatte sich in mehrere Abteilungen aufgelöst und verschwand, nachdem er einen vergeblichen Sturm auf das deutsche Lager versucht hatte. Da den Aufständischen infolge der Blockade der Küste zwischen Bagamoyo und Mkwadja die Lebensmittel bald ausgingen, unterwarf sich Bana Heri 6. April dem Freiherrn v. Gravenreuth in Saadani, nachdem ihm Begnadigung und Rückgabe seiner Besitzungen zugesichert war. Weniger Schwierigkeiten machte die Unterwerfung des südlichen Küstengebiets. Die Hauptmacht der Aufständischen hatte sich, 5–7000 Mann stark, in der Stadt Kilwa Kivindje festgesetzt, die an der Seeseite durch Bastionen und Palissadenreihen geschützt war. Wißmann erschien mit den Kriegsschiffen Carola und Schwalbe und mehreren andern Dampfern 2. Mai vor der Stadt, landete und umging sie von Norden. Als er sie 4. Mai an der Südwestseite angriff, zeigte es sich, daß sie auf der Landseite keine Befestigungen hatte und inzwischen vom Feinde geräumt war. Wenige Tage später wurde Lindi erobert, und Mikindani (südlich davon) unterwarf sich. Damit durfte der Aufstand als unterdrückt gelten. Als dann Ende Mai Major Wißmann seine Urlaubsreise nach Deutschland antrat, wurde Dr. Schmidt mit seiner Vertretung betraut. Dieser unternahm im Juli einen Zug gegen die Mafiti nach dem Kingani, im Oktober einen andern nach dem Rovuma (an der Südgrenze) und hatte kleine Gefechte mit den Eingebornen, darunter mit Machemba, dem Häuptling der Jao. Es kam hier zu keiner Entscheidung, ebensowenig bei einer Expedition, welche Chef Ramsay mit vier Kompanien im Dezember gegen Machemba unternahm; nach erheblichen Verlusten mußte sich jener aus Mangel an Munition und Lebensmitteln nach Lindi zurückziehen.

Inzwischen war 1. Juli 1890 zwischen dem Deutschen Reiche und Großbritannien ein Vertrag abgeschlossen worden, durch welchen die beiderseitigen Interessengebiete in Afrika abgegrenzt wurden. Durch dieses deutsch-englische Abkommen erhielt D. folgende Grenzen: im N. wurde bis zum Victoria Nyanza die frühere Grenze im wesentlichen beibehalten (s. Britisch-Ostafrika), auf der Westseite des Sees wurde sie bis zur Grenze des Congostaats weitergeführt, wobei jedoch der Mfumbiroberg den Engländern überlassen wurde. Die Südgrenze folgt dem Rovuma bis zur Mündung des Msinjeflusses, wendet sich dann zum Nyassasee, dessen Ost-, Nord- und Westufer sie bis zur Mündung des Songweflusses begleitet. Sie geht dann diesen Fluß aufwärts bis zum 32.° östl. L. v. Gr. und führt weiter längs des Kilambo zum Tanganjikasee. Die Westgrenze wird durch letztern See und das sich nördlich daran anschließende Gebiet des Congostaats gebildet. Der beiderseitige Güterverkehr soll von jedem Durchgangszoll befreit sein zwischen dem Nyassasee und Congostaat, zwischen dem Nyassa- und dem Tanganjikasee, auf letzterm und zwischen ihm und der Nordgrenze der beiderseitigen Besitzungen. Großbritannien [200] verpflichtet sich, seinen Einfluß aufzubieten, um den Sultan von Sansibar zur Abtretung seiner Besitzungen auf dem gegenüberliegenden Festland und der Insel Mafia zu bewegen. Deutschland erkannte die Schutzherrschaft Großbritanniens über die dem Sultan verbleibenden Besitzungen, d. h. die Inseln Sansibar und Pemba, an, verzichtete auf die Schutzherrschaft über das Sultanat Witu und die Küste bis Kismaja und erhielt schließlich die Insel Helgoland.

Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, welche 13. Jan. 1890 einen neuen Vertrag wegen der von ihr gepachteten Zölle mit dem Sultan von Sansibar geschlossen und sich 4. Juni mit der Witugesellschaft vereinigt hatte, schloß 20. Nov. 1890 einen Vertrag mit dem Deutschen Reiche ab, durch welchen ihre Stellung und ihre Aufgaben in Ostafrika völlig umgestaltet wurden. Danach übernahm das Reich das Küstengebiet mit der Insel Mafia und das bisherige Schutzgebiet in Ostafrika in eigne Verwaltung, wogegen sich die Gesellschaft zu einer Entschädigung von 4 Mill. Mk. an den Sultan von Sansibar verpflichtete. Zugleich wurde ihr die Aufnahme einer Anleihe von 101/2 Mill. Mk., zu 5 Proz. verzinslich, gestattet, deren Ertrag innerhalb der nächsten 10 Jahre verwandt werden sollte, zunächst zur Betonnung der Häfen und zur Herstellung von Beleuchtungsanlagen an der Küste. Das Reich gelangt in den Besitz der in jenen Gebieten eingehenden Zölle, Steuern etc. und zahlt fortan an die Gesellschaft eine jährliche Summe von 600,000 Mk. Der Gesellschaft wird das Okkupationsrecht an herrenlosen Grundstücken und Wäldern, Konzession zu Bergwerken, zur Anlage von Eisenbahnen etc. verliehen.

Dieser Vertrag ist 1. Jan. 1891 in Kraft getreten und gleichzeitig an der ostafrikanischen Küste die deutsche Reichskriegsflagge geheißt worden. Major v. Wißmann, der in seiner Heimat Lauterberg im Harz am Gelenkrheumatismus erkrankt war, kehrte nach seiner Genesung nach Ostafrika zurück und traf 30. Nov. 1890 in Sansibar ein, worauf sein Stellvertreter Schmidt beurlaubt wurde. Wißmann wird aber nur bis 1. April 1891 die Geschäfte des Reichskommissars führen, alsdann soll die Zivil- und Militärgewalt im Küstengebiet und den Landschaften, für welche der kaiserliche Schutzbrief erteilt ist (also nicht für das gesamte Gebiet bis zum Victoria Nyanza), einem Gouverneur übertragen werden, für welche Stellung der bisherige Gouverneur von Kamerun, Freiherr von Soden (s. d.), ausersehen ist. Die Schutztruppe, welche 1890 aus 52 Offizieren, 21 Deckoffizieren, 134 Unteroffizieren bestand und an schwarzen Mannschaften 1200 Sudanesen, 380 Zulus, 120 Askaris (Sansibarsoldaten) und 10 Somali umfaßte, geht nebst der zugehörigen Flottille in den unmittelbaren Dienst des Deutschen Reiches über. Desgleichen übernimmt letzteres die in Ostafrika schon bestehenden Stationen, und zwar im Norddistrikt die Hauptstationen Tanga und Pangani (in Usambara), Saadani (Useguha), Bagamoyo und Dar es Salam (Usaramo). Letztere Stadt ist zum Sitz des Gouverneurs ausersehen. Von den zugehörigen Nebenstationen erwähnen wir Mpwapwa (in Usagara), die am Kilima Ndscharo und die im November 1890 zu Masinde angelegte (zwischen Pangani und dem Kilima Ndscharo). Im Süddistrikt bestehen Stationen in Kilwa, Lindi und Mikindani. Im Herbst 1890 hat endlich Emin Pascha eine Station zu Bukoba am Victoria Nyanza angelegt. In den ältern Stationen sind während des Jahres 1890 Forts mit Benutzung der noch vorhandenen Gebäude errichtet worden; als Material hat man den Korallenstein verwendet. Die während des Aufstandes meist zerstörten Küstenstädte sind in regelmäßiger Anlage wiederhergestellt worden.

Neuerdings sind die definitiven Ergebnisse des Handels für das Jahr August 1888 bis August 1889 veröffentlicht worden. Sie sind recht günstig, wenn man erwägt, daß das in Rede stehende Jahr ein Kriegsjahr war. Es betrug die Einfuhr 2,5 Mill., die Ausfuhr 4,27 Mill. Mk. Der Hauptverkehr ging über Bagomoyo, dann folgen Kilwa Kivindje, Dar es Salam und Pangani. Zur Einfuhr kamen besonders gefärbte und bedruckte Baumwollstoffe, die Ausfuhr bestand aus Elfenbein, Kopal, Kautschuk, Sesamsaat, Reis, Bauholz etc. Elfenbein wird meist über Bagamoyo, Kopal über Dar es Salam, Kautschuk über Kilwa ausgeführt. Zur Förderung des Seehandels hat dann neuerdings die Errichtung einer Dampferlinie beigetragen, welche 21. Jan. 1890 der deutsche Reichstag bewilligte. Unternehmerin ist eine Aktiengesellschaft in Hamburg, welche über ein Kapital von 6 Mill. Mk. verfügt. Sie hat sich zur Errichtung folgender Linien verpflichtet: auf der Hauptlinie Hamburg-Delagoabai (über Aden, Sansibar, Dar es Salam) sind jährlich 13 Fahrten, auf der Küstenlinie Sansibar-Lamu 26 und auf der Küstenlinie von Sansibar südwärts nach Inhambane 13 Fahrten auszuführen. Für die Hauptlinie sollen vier, für die Küstenlinien zwei neue Dampfer errichtet werden. Der jährliche Zuschuß des Reiches beträgt 900,000 Mk.

Was die finanziellen Opfer anbetrifft, welche D. dem Reich auferlegt, so betrugen dieselben für 1890 bis 1891: 41/2 Mill. Mk., darunter 3 Mill. Mk. für laufende Ausgaben. Nach langen Debatten bewilligte der Reichstag diese Summe 24. Juni 1890. Im Etat für 1891/92 verlangte die Regierung 31/2 Mill. Mk. unter dem Titel: „Für Maßregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Interessen in Ostafrika“, doch hat die Budgetkommission beantragt, diese Summe um 1 Mill. zu kürzen, und in diesem Sinn hat sich auch der Reichstag bei der zweiten Lesung des Etats (Februar 1891) entschieden.

Es erübrigt noch über die beiden wichtigen Expeditionen zu sprechen, welche 1890 in D. unternommen sind. Emin Pascha trat, nachdem er von dem Unfall in Bagamoyo genesen war, 6. März 1890 in deutsche Dienste. Seine Aufgabe sollte es sein, innerhalb der deutschen Interessensphäre mit den Häuptlingen zwischen dem Victoria Nyanza und Tanganjikasee Verträge zu schließen, im Innern Stationen zu errichten und die drohende Verbindung zwischen den Arabern von Tabora und den Mahdisten in der ehemals ägyptischen Äquatorialprovinz zu unterbrechen. Am 20. April brach Emin Pascha mit 500 Mann von Bagamoyo auf; unter ihm kommandierten die Leutnants Langheld und Dr. Stuhlmann, unter andern begleitete Pater Schynse die Expedition. In Mpwapwa traf man auf Dr. Peters und die von diesem geführte Emin Pascha-Expedition. Während diese sich zur Küste wandte, drang Emin Pascha nach Unjanjembe vor, heißte in Tabora die deutsche Flagge und erreichte 27. Sept. Bussisi, das am Kreek des Victoria Nyanza gegenüber der französischen Missionsstation Bukumbi liegt. Am 19. Okt. fuhr Emin Pascha über den See nach der Landschaft Karagwe am Westufer, wohin ihm Stuhlmann zu Lande mit 144 Soldaten und 110 beladenen Trägern folgte. Emin Pascha landete 31. Okt. in Bukoba [201] und legte hier eine Station an; daselbst kam 15. Nov. Stuhlmann mit der Landkolonne an. Leutnant Langheld, der seit längerer Zeit mit einem Detachement vom Hauptkorps detachiert war, langte inzwischen in Bussumbi an. Ein weiteres Vordringen Emin Paschas ist durch die seitens des Reichskommissars an ihn ergangene Zurückberufung verhindert worden. Über die Gründe zu dieser Maßregel läßt sich noch nichts Sicheres feststellen. Wahrscheinlich handelt es sich beiderseits um Mißverständnisse, da dem Pascha des stellvertretenden Reichskommissars Befehle und letzterm die Berichte des Paschas nur unvollständig zugingen.

Eine andre Expedition war von O. Baumann im März 1890 im Auftrag der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft unternommen worden. Er trat mit 60 Mann von Tanga aus den Marsch nach Usambara an, durchforschte dies Gebirgsland und fand es fruchtbar und zum Anbau wohl geeignet, durchzog dann das an Weideländereien reiche Paregebirge und kehrte über Nord-Useguha und Nguru zurück.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 191192
korrigiert
Indexseite

[191] Deutsch-Ostafrika. Durch Abkommen mit England vom 17. Juni und 1. Juli 1890 wurden die Grenzen zwischen der deutschen und der englischen Interessensphäre dahin bestimmt, daß dieselben geschieden werden im S. durch eine Linie, welche an der Küste von der Nordgrenze der Provinz Mosambik ausgehend, dem Laufe des Flusses Rovuma bis zu dem Punkte folgt, wo der M’sindjefluß in den Rovuma mündet und von dort nach W. auf dem Breitenparallel bis zum Nyassasee läuft, dann sich nordwärts wendend längs den Ost-, Nord- und Westufern des Sees bis zum nördlichen Ufer der Mündung des Songweflusses fortsetzt, diesen Fluß bis zu seinem Schnittpunkt mit dem 33.° östl. v. Gr. hinaufgeht, von wo sie sich westwärts bis zum 32.° östl. L. wendet, worauf sie in gerader Richtung zum Vereinigungspunkt des Nord- und Südarmes des Kilamboflusses geht, dem sie darauf bis zu seiner Mündung in den Tanganjikasee folgt. Durch diese Abgrenzung fällt die sogen. Stevensonroad ganz innerhalb der englischen Interessensphäre; dieselbe steht jedoch dem deutschen Güterverkehr offen. Im N. geht die Grenze längs des 1.° südl. Br. vom Westufer des Victoria Nyanza bis zum Kongostaat, den Berg Asambiro südlich umgehend. Zwischen dem Nyassasee und dem Kongostaat, zwischen dem Nyassasee und dem Tanganjika, auf dem Tanganjika und zwischen diesem und der Nordgrenze der beiderseitigen Interessensphären haben die Unterthanen und Güter beider Nationen Zoll- und Verkehrsfreiheit, die Missionen beider Staaten Kultus- und Unterrichtsfreiheit. Die Unterthanen des einen Staates haben in der Interessensphäre des andern gleiche Handels- und Niederlassungsrechte wie die Unterthanen des Staates, dem die Interessensphäre angehört. Der dem Sultan von Sansibar gehörige Küstenstreifen wurde von diesem an Deutschland gegen eine 27. Dez. 1890 in London gezahlte Summe von 4 Mill. Mk. abgetreten. Mit 1. Jan. 1891 trat das Deutsche Reich die volle Souveränität über das ganze Gebiet an. Zum Gouverneur wurde der bisherige Gouverneur in Kamerun, Freiherr v. Soden, jedoch mit wesentlich höherm Range, ernannt. Dieser übernahm 1. April 1891 die Verwaltung. Ihm wurden als Kommissare v. Wissmann, Emin Pascha und Peters, jeder in dem ihm zugewiesenen Gebiet, beigegeben. Doch konnte Wissmann krankheitshalber den Dienst nicht antreten, Emin aber kehrte nach sehr verdienstvoller Thätigkeit im deutschen Schutzgebiet in seine frühere Provinz am Nil zurück. Der Gouverneur führt die deutsche Handelsflagge mit dem Reichsadler in der Mitte des weißen Streifens. Eine aus 28 deutschen Offizieren, 32 deutschen Unteroffizieren, 12 farbigen Offizieren, 40 farbigen Unteroffizieren und 1500 farbigen Mannschaften in 10 Kompanien [192] bestehende Schutztruppe ist ihm betreffs der Verwaltung und Verwendung unterstellt, während sie in Bezug auf militärische Organisation und Disziplin unter dem Reichskanzler (Reichsmarineamt) steht. Die Stellen der Offiziere und Unteroffiziere werden durch deutsche Militärs besetzt, doch können Farbige bei jeder Kompanie eine Leutnants- und einige Unteroffiziersstellen bekleiden. Der Stab der Schutztruppe steht in Dar es Salaam, die 10 Kompanien sind verteilt auf Dar es Salaam, Bagamoyo, Saadani, Tanga, Pangani, Masinde, Kilwa, Lindi, Mikindani, Moschi, Mpawpa und Tabora. Die Flottille zur Disposition des Gouverneurs besteht aus drei Dampfern, zwei von 24, einer von 17 Ton. Mit 9. April 1891 trat die Einteilung der Küste in fünf Bezirke: Tanga, Bagamoyo, Dar es Salaam, Kilwa und Mgan, in Kraft; jeder Bezirk steht unter einem Bezirkshauptmann. Das Reich hat 1. Juli 1891 die Zollverwaltung übernommen. Als Hauptzollämter, über welche nur der direkte Auslandsverkehr gestattet ist, wurden erklärt Tanga, Pangani, Bagamoyo, Dar es Salaam, Kilwa, Lindi und Mikindani. Die Einfuhr betrug 18. Aug. 1889 bis 28. Febr. 1890: 1,996,221, die Ausfuhr 2,050,552 Rupien (zu 1,5 Mk.). Aus Deutschland wurden 1890 eingeführt für 489,000 Mk., dorthin ausgeführt für 320,000 Mk. Waren. Von der Ausfuhr entfallen auf Elfenbein 111,000, auf Palmkerne u. Kopra 74,000, auf Kautschuk 66,000, auf Gewürznelken 41,000 Mk.

Der im deutschen Dienst beschäftigte Engländer Stokes sowie Emin Pascha und Leutnant Sigl schlossen Verträge mit zahlreichen Häuptlingen in der deutschen Interessensphäre ab, wodurch diese ihr Land dem Deutschen Reich unterstellten. Eine unter Zelewski gegen die Wahehe entsandte Expedition erlitt 17. Aug. 1891 eine schwere Niederlage, in der außer dem Führer noch 9 Europäer (3 Offiziere, 6 Unteroffiziere), 250 Soldaten und 96 Träger fielen. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft schloß 3. Aug. 1891 mit der kaiserlichen Regierung einen Vertrag, in dem sie die Verpflichtung zur Bildung einer Eisenbahngesellschaft übernahm. Das sogleich vorläufig mit einem Kapital von 2 Mill. Mark, das bis 15 Mill. erhöht werden kann, gebildete Konsortium, die „Eisenbahn-Gesellschaft für D. (Usambara-Linie)“, wird zunächst eine Eisenbahn von Tanga nach Korogwe am Pangani erbauen, aber auch bei andern Eisenbahnunternehmungen sich beteiligen, Hafenanlagen machen, Lagerhäuser errichten u. a. Die Bahn soll event. nach Tabora oder nach dem Kilima Ndscharo weiter gebaut werden. Eine Bahn von Bagamoyo nach Dar es Salaam wird bereits vermessen. Nach Vollendung derselben hört Bagamoyo auf, Ausfuhrhafen zu sein. Seitens der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ist die Prägung von silbernen Rupien sowie von 1/2 und 1/4 Rupienstücken veranlaßt worden. Der ganze bisher in Sansibar domizilierte Verwaltungsapparat der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft wurde nach Dar es Salaam verlegt, auch das Krankenhaus der evangelischen Missionsgesellschaft für D., welches auf dem Immanuelskap am Hafeneingang errichtet wurde. – Über die Missionsthätigkeit im Gebiete von D. vgl. den Artikel Mission.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Deutsche Ostafrikanische Gesellschaft im Hauptteil (Band 4).
  2. Vorlage: er-|eroberte