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MKL1888:Dialōg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dialōg“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Dialōg“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 4 (1886), Seite 930
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Dialōg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 930. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dial%C5%8Dg (Version vom 22.12.2024)

[930] Dialōg (griech.), Zwiegespräch, gegenseitige mündliche Mitteilung verschiedener, auch einander widerstreitender Ansichten über einen Gegenstand; auch ein Schriftwerk oder Teil desselben in der Form einer solchen Unterredung. Der D. eignet sich vorzüglich zur Untersuchung des Wesens von Begriffen und einzelnen Gegenständen durch das Interesse, welches die der dramatischen Handlung ähnliche fortschreitende Bewegung der Erörterung gewährt. Damit dies Interesse nicht gestört werde, muß der Darsteller jede Ansicht in ihrer ganzen Kraft und naturgemäß durch die Personen, welche den D. führen, entwickeln und seine Ansicht als ein notwendiges Ergebnis aus dem Gespräch selbst hervorgehen lassen. Der Stil des Dialogs muß die Natürlichkeit, die Kürze und die lebhaften Wendungen eines gebildeten Gesprächs nachahmen, ohne sich weder in die Zerrissenheit unablässig sich durchkreuzender Fragen und Antworten noch in die Breite ausgedehnter Reden zu verirren. Man unterscheidet den poetischen D. vom prosaischen. Den poetischen D. nennt man auch dramatischen, insofern sein Gegenstand die Entwickelung einer Handlung ist; denn die Worte führen zu Entschlüssen und diese zur That. Die Aufmerksamkeit bleibt daher auf den Ausgang gerichtet, welcher durch das Vorhergegangene gehörig vorbereitet sein muß. Zum prosaischen D. rechnet man zuvörderst die theoretische Gesprächsform, deren Gegenstand eine wissenschaftliche Erörterung ist, und welcher sich der Sokratische oder philosophische D. mit der ausschließlichen Richtung anknüpft, bestimmte Vorstellungen und Ansichten durch angemessene Fragen hervorzurufen und zur vollen Klarheit selbständig zu entwickeln. Der konversatorische D. dagegen bezweckt bloß Unterhaltung für den Augenblick und gesellige Mitteilung, wie sich endlich der Charakterdialog nur mit der Schilderung und Veranschaulichung der vorgeführten Personen durch deren eigne Rede beschäftigt. Den philosophischen D. bearbeiteten von den Neuern unter den Deutschen Lessing („Ernst und Falk“), M. Mendelssohn („Phädon“), Engel, Herder, Klinger, Jacobi, Schelling („Clara, oder der Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt“), Solger, Fries („Julius und Evagoras“), Melchior Meyr („Emilie. Drei Gespräche über Wahrheit, Güte und Schönheit“, „Gespräche mit einem Grobian“) u. a. Im komischen und satirischen D. ahmte Wieland den Satiriker Lukianos glücklich nach. Unter den Italienern haben sich in dieser Form Petrarca (in seinem Buch „De vera sapientia“), Machiavelli, Gelli, Algarotti und Gasp. Gozzi ausgezeichnet; bei den Franzosen Malebranche, Fénelon und Fontenelle, die den Lukianos nachahmten. Unter den Engländern folgten G. Berkeley und Rich. Hurd dem Platon, James Harris dem Cicero. In der dramatischen Poesie ist der D. dem Monolog (s. d.) entgegengestellt; im Singspiel bildet er den Gegensatz von Gesangstücken, also die Redepartien.