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MKL1888:Dinosaurĭer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dinosaurĭer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 989
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Dinosaurĭer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 989. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dinosaur%C4%ADer (Version vom 22.05.2023)

[989] Dinosaurĭer (Dinosaurii, Lindwürmer), außerordentlich formenreiche Ordnung fossiler Reptilien aus der Trias, dem Jura und der Kreide. In den letzten Jahren sind in Nordamerika (Felsengebirge) so viele neue D., welche meist besondere Familien oder selbst Unterordnungen bilden, gefunden worden, daß kaum noch ein für alle passendes Merkmal angegeben werden kann, somit eine Trennung der jetzt noch als D. bezeichneten Tiere in mehrere selbständige Abteilungen wahrscheinlich bald erfolgen wird. Bei einem Teil von ihnen haben sich sehr nahe Beziehungen zu den Vögeln herausgestellt. Nach der Form des Schädels, namentlich des Gebisses, unterscheidet man A. Pflanzenfresser. 1. Gruppe: Sauropoden (Sauropoda) oder Atlantosaurier. Vorder- und Hinterfüße nahezu gleich lang, also Gang meist auf allen Vieren und zwar auf der Sohle. Füße fünfzehig. Die vor dem Schwanz gelegenen Wirbel mit großen, wahrscheinlich bei Lebzeiten der Tiere mit Luft erfüllten Höhlen. Knochen der Beine plump. Hierher: Brontosaurus, von etwa 25 m Länge, das größte Landtier, Mosasaurus, etwa 12 m lang, Atlantosaurus (Titanosaurus), etwa 20 m lang, Diplodocus, Apatosaurus u. a., fast alle aus Nordamerika. 2. Gruppe: Ornithosceliden (Ornithoscelides, Laosaurier). Becken vogelähnlich, Vorderfüße fünfzehig, vielfach nur halb so lang wie die dreizehigen Hinterfüße, daher Gang meist auf den letztern, nach Art etwa des Känguruhs. Knochen hohl. Hierher: Nanosaurus, etwa katzengroß, Laosaurus, bis 3 m lang, Iguanodon, etwa 9 m lang, Camptonotus, etwa 10 m hoch bei aufrechter Stellung, Hypsilophodon u. a. Von vielen Ornithosceliden kennt man nur die Spuren, welche die Hinterfüße in dem weichen Thon zurückgelassen haben und die man früher als Vogelfährten (Ornithichnites, s. Tafel „Triasformation I“) auffaßte. 3. Gruppe: Stegosaurier (Stegosaurii), mit Knochenschildern und Knochenplatten in der Haut; Wirbel und Knochen meist hohl, Vorderfüße viel kleiner als Hinterfüße, alle fünfzehig. Gang auf den Hinterbeinen. Hierher: Stegosaurus, Sulidosaurus u. a. B. Fleischfresser. 4. Gruppe: Theropoden (Theropoda), Vorderfüße sehr klein, Gang auf den Zehen, diese mit Greifklauen. Knochen hohl. Hierher: Compsognathus, mit sehr langem Hals und vogelähnlichem Kopf, Megalosaurus, Allosaurus u. a.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 204
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[204] Dinosaurier. Zu der bereits an riesenhaften und abenteuerlichen Formen überreichen Reptilgruppe, welche den Höhepunkt ihrer Entwickelung am Schluß der Kreidezeit erreichte, um dann ziemlich plötzlich den Säugetieren das Feld zu räumen, haben die Ausgrabungen der Jahre 1886–89 wieder sehr merkwürdige Beiträge geliefert und in den Gattungen Ceratosaurus und Ceratops wohl die seltsamsten aller bisher bekannten. Der erstere Saurier ist dem europäischen Megalosaurus einigermaßen ähnlich; er trägt auf der Mittellinie des Nasenbeins einen starken Hornzapfen, und die Wirbel zeigen eine vordere flache und eine tiefere hintere Aushöhlung und darin eine bisher im gesamten Reptilreich einzig dastehende Bildung. Die Elemente des Beckens sind wie bei den Vögeln ohne Naht verschmolzen, und auch die Verwachsung der Zwischenhandknochen erinnert an die gleiche Bildung bei Vögeln, ohne daß man darin übrigens mehr als eine sogen. Konvergenzerscheinung sehen darf. Die ältere Annahme einer nähern Blutsverwandtschaft dieser spezialisierten Dinosaurierformen mit Vögeln hat aufgegeben werden müssen.

Noch viel seltsamere Formen stellen die nach ihren „Stierhörnern“ benannten Ceratopsiden dar, die in bestimmten Schichten längs des östlichen Abhanges der Felsengebirge in einer Ausdehnung von 800 engl. Meilen so häufig vorkommen, daß man dieselben als Ceratops-Schichten bezeichnet. Nach einer Beschreibung von Marsh übertraf die Größe der Ceratopsiden diejenige aller bekannten lebenden und fossilen Landtiere; der Schädel der Triceratops-Arten (T. horridus und T. flabellatus) erreicht allein schon 1,8–2,5 m Länge und muß ein enormes Gewicht gehabt haben, da die Schädelknochen entsprechend dick sind. Die Gattung ist nach drei Hornzapfen benannt, von denen zwei große, 0,6–0,9 m hohe gewaltige Hörner auf den Stirnbeinen trugen, während ein dritter, kleinerer auf dem Nasenbein steht, so daß der Kopf zugleich Ähnlichkeit mit dem des Rhinozeros erlangt haben muß, obwohl er vorn in einen Schnabel auslief. Auf große Schwere deutet auch die starke Verbreiterung des Schädels nach hinten, die dort ein mächtiges, aus dem Hinterhaupt und den Scheitelbeinen bestehendes Dach bildete, welches weit über den Nacken zurückreichte und Nackenmuskeln als Ansatzfläche diente, die eine gewaltige Entwickelung gehabt haben müssen, um den mit drei großen Hörnern bewehrten ungeheuerlichen Kopf zu regieren. Auch der Hinterhauptskamm ist bei T. flabellatus am Seitenrand mit einer Reihe spitzer Knochen besetzt, welche wahrscheinlich Hornstacheln trugen. Der Rachen entspricht nicht ganz dem furchtbaren Anblick dieses gehörnten Drachenschädels, denn die Kiefer trugen nur kleine Zähne, während die Zwischenkiefer ganz zahnlos sind und ebenso wie die entsprechende Partie des Unterkiefers mit einem sonst niemals beobachteten Schnabelbein bedeckt waren, welches im Leben wahrscheinlich einer Hornbekleidung des Schnabels, derjenigen der Schildkröten ähnlich, als Unterlage diente. Natürlich kann ein solcher Schnappschnabel, wie wir ihn bei den Riesenschildkröten sehen, gefährlich genug sein. Die Nasenbeine, welche wie beim Rhinozeros ein Mittelhorn trugen, sind kräftig entwickelt.

So baut sich in unsrer Phantasie ein Tier auf, welches an Größe und Schreckhaftigkeit alle Drachenphantasien der Maler weit übertrifft, wenn wir auch in Moloch horridus, Phrynosoma orbicularis, Metapoceros und andern ausländischen Eidechsen lebende Miniaturbilder solcher mit Hornstacheln besetzter Großechsen besitzen. Bei Triceratops scheint der ganze übrige Körper dem schwerbewaffneten Haupt in dem Maße dienstbar geworden zu sein, daß diese Schreckenstiere an solcher Einseitigkeit zu Grunde gehen mußten. Während das Haupt wuchs, um die Bewaffnung noch tragen zu können, wurden zuerst der Nacken, dann die Vorderglieder, zuletzt das ganze Skelett in der einen Richtung verändert, Stützpunkte für den Schädel zu liefern. Die Intelligenz scheint dagegen, wie aus dem außerordentlich kleinen Gehirnraum zu schließen ist, nur schwach entwickelt gewesen zu sein, schwächer selbst als bei den ebenfalls mit Hornstacheln bewaffneten Stegosauriern, bei denen die im Kreuzbein belegene Strecke des Rückenmarkskanals, d. h. der Raum des Hinterteilgehirns, den Inhalt der Schädelhöhle um mehr als das Zehnfache übertrifft.