MKL1888:Diodōros

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Diodōros“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 991
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Diodōros. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 991. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Diod%C5%8Dros (Version vom 22.05.2023)

[991] Diodōros, 1) griech. Philosoph aus Iasos in Karien mit dem Beinamen Kronos, lebte zu Anfang des 4. Jahrh. v. Chr., gehörte der megarischen Schule an und galt, als angeblicher Erfinder der unter den Namen „der Verhüllte“ und „der Gehörnte“ bekannten Trugschlüsse (die andre seinem Lehrer, dem Eubulides von Milet, zuschreiben), für einen der berühmtesten Dialektiker seiner Zeit. Auch seine Töchter waren ihrer dialektischen Kunst wegen berühmt, so daß ihres Vaters Schüler Philo ein eignes Werk über sie verfaßte. Sein Tod war seines Lebens würdig: derselbe wurde durch Gram herbeigeführt, als er ein ihm von dem Megarenser Stilpon vorgelegtes Problem nicht zu lösen vermochte. In der Physik bestritt er die Möglichkeit der Bewegung sowie des leeren Raums; auch lehrte er, daß nur das Notwendige wirklich und nur das Wirkliche möglich sei.

2) D. (Siculus), namhafter röm. Geschichtschreiber, der in griechischer Sprache schrieb, war aus Argyrion in Sizilien (daher Siculus, Sikeliotes genannt) gebürtig, machte ausgedehnte Reisen und lebte dann in Rom, wo er zur Zeit Cäsars und Augustus’ seine „Historische Bibliothek“, eine Universalgeschichte in 40 Büchern, schrieb, von denen die 6 ersten in ethnographischer Form die mythische Zeit bis zur Zerstörung Trojas, die übrigen in streng annalistischer Folge die Geschichte von da bis zum Anfang von Cäsars Gallischem Krieg (nach ihm 60 v. Chr.) umfaßten. Nur 15 Bücher (1–5 ägyptische, äthiopische, asiatische, griechische Urgeschichte und 11–20 die Geschichte der Jahre 480–302 v. Chr.) sind erhalten, außerdem bedeutende Bruchstücke in den byzantinischen Historikern, in den Exzerptensammlungen des Konstantin Porphyrogennetos und in den von Angelo Mai herausgegebenen vatikanischen Fragmenten. Der Verfasser hat nach seiner eignen Versicherung 30 Jahre an dem Werk gearbeitet und eine große Menge von ihm namentlich angeführter, jetzt meist verlorner Schriftsteller benutzt, jedoch ohne die erforderliche Umsicht und Sorgfalt, so daß das Werk zahlreiche Irrtümer und Ungenauigkeiten enthält. Die Darstellung ist klar und frei von rhetorischer Übertreibung, aber ohne alle sonstigen Vorzüge. Ausgaben des Werkes lieferten Wesseling (mit wichtigem Kommentar, Amsterd. 1746, 2 Bde.), L. Dindorf (Leipz. 1828–1831, 5 Bde.; Par. 1842–44, 2 Bde.; Leipz. 1867–1868, 5 Bde.) und I. Bekker (das. 1853–54, 4 Bde.); deutsche Übersetzungen Stroth und Kaltwasser (Frankf. 1782–87, 6 Bde.), Wurm (Stuttg. 1826–42, 19 Bdchn.) und Wahrmund (das. 1869). Die von A. Mai aufgefundenen vatikanischen Fragmente gaben L. Dindorf (Leipz. 1828) und Müller (Par. 1848) heraus.

3) Vertreter der sogen. antiochenischen Schule (s. d.), war zuerst Presbyter in seiner Vaterstadt Antiochia, seit 378 Bischof in Tarsos, wo er um 394 starb, als Hauptvertreter der damaligen Orthodoxie hochverehrt. Nichtsdestoweniger glaubte man später in ihm den moralischen Urheber des Nestorianismus entdeckt zu haben, was den Untergang der meisten seiner Schriften zur Folge hatte.