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MKL1888:Eichendorff

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eichendorff“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Eichendorff“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 5 (1886), Seite 358359
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Eichendorff. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 358–359. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eichendorff (Version vom 29.05.2021)

[358] Eichendorff, Joseph, Freiherr von, deutscher Dichter, der letzte hervorragende Romantiker, geb. 10. März 1788 auf Schloß Lubowitz in Oberschlesien, im aristokratischen Prunk- und Lustleben des ausklingenden 18. Jahrh., aber streng katholisch erzogen, besuchte das Magdalenengymnasium zu Breslau, studierte dann in Halle und Heidelberg die Rechte. Auf letzterer Universität ward sein poetisches Talent durch Arnim, Brentano, Görres, Creuzer, Otto v. Loeben, die damals sämtlich in Heidelberg lebten, geweckt. Der Zug zur Romantik war von vornherein entschieden, er traf mit Eichendorffs patriotischem Haß gegen die Fremdherrschaft und seiner tiefen Abneigung gegen die Nüchternheit der Aufklärung zusammen. Er veröffentlichte zuerst zerstreute Gedichte unter dem Namen Florens und verfaßte einen Roman: „Ahnung und Gegenwart“ (1811 vollendet; hrsg. von de la Motte Fouqué, Nürnb. 1815). Nach Beendigung seiner Studien faßte er, da die Zustände in Preußen zunächst völlig aussichts- und hoffnungslos erschienen, den Entschluß, sein Heil im österreichischen Staatsdienst zu versuchen. Der Aufruf des Königs von Preußen: „An mein Volk“ führte ihn im Frühjahr 1813 nach Schlesien zurück; er trat in das Lützowsche Freikorps und nahm in diesem und in einem Landwehrregiment an den Feldzügen des Befreiungskriegs 1813–15 teil. Nach dem Frieden verheiratete er sich und trat als Referendar bei der Regierung zu Breslau ein. 1821 ward er Regierungsrat für katholische Kirchen- und Schulsachen bei der Regierung zu Danzig, 1824 in gleicher Eigenschaft nach Königsberg, 1831 in das Kultusministerium nach Berlin berufen, wo er 1839 und 1840 bei seiner streng katholischen Richtung während der Kölner Wirren in Zerwürfnisse mit dem Minister geriet, auch nachher [359] und trotz seiner Ernennung zum Geheimen Regierungsrat sich mit seiner amtlichen Stellung nicht wieder befreundete und 1844 seine Entlassung nahm. E. lebte zunächst einige Jahre bei seiner verheirateten Tochter in Danzig, dann ein Jahr in Wien, längere Zeit (bis Herbst 1850) in Dresden, auch abwechselnd in Berlin und auf dem ihm gehörigen Gut Sedlnitz in Mähren. Zuletzt nahm er seinen Aufenthalt wieder bei der Familie seiner Tochter im Landhaus St. Rochus bei Neiße, wo er 26. Nov. 1857 starb. Von seinen Dichtungen waren nacheinander erschienen: „Krieg den Philistern“, dramatisches Märchen (Berl. 1824); „Aus dem Leben eines Taugenichts“, Novelle (das. 1826; 14. Aufl., Leipz. 1882); die Parodie „Meierbeths Glück und Ende“, Tragödie mit Gesang und Tanz (Berl. 1828); die Trauerspiele: „Ezzelin von Romano“ (Königsb. 1828) und „Der letzte Held von Marienburg“ (das. 1830); das Lustspiel „Die Freier“ (Stuttg. 1833); die Novelle „Dichter und ihre Gesellen“ (Berl. 1834); „Gedichte“ (das. 1837; 13. Aufl., Leipz. 1883). Eichendorffs Gedichte waren die reifste und schönste lyrische Produktion der spezifischen Romantik, von tiefster Innerlichkeit, voll quellenden Lebens, voll träumerisch weicher Stimmung, duftig, eigentümlich, dabei dem deutschen Volkslied mannigfach verwandt und von einem sprachlichen Wohllaut, welcher beinahe schon selbst Musik ist. Auch in den Novellen, namentlich dem Meisterstück „Aus dem Leben eines Taugenichts“, waren es hauptsächlich die Fülle der lyrischen Stimmung und die Anmut des Vortrags, die sich wirksam erwiesen. In der Mitte der 30er Jahre begann E., welchem zum Bewußtsein kam, daß die Litteraturgeschichte beinahe ausschließlich von Protestanten geschrieben werde, die ernstesten litterarischen und historischen Studien. Als poetische Resultate derselben traten zunächst die vortrefflichen Übertragungen des mittelalterlichen spanischen Volksbuchs „Der Graf Lucanor“ (Berl. 1843) und der „Geistlichen Schauspiele Calderons“ (Stuttg. 1846–1853) hervor. Mit dem Buch „Über die ethische und religiöse Bedeutung der neuen romantischen Poesie in Deutschland“ (Leipz. 1847) eröffnete er die Reihe seiner litterarhistorisch-kritischen Schriften, deren Gesamtinhalt auf eine kritische Urteilsrevision im Sinn der modernen Katholizität hinauslief. „Der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts in seinem Verhältnis zum Christentum“ (Leipz. 1851; 2. Aufl., Paderb. 1867), „Zur Geschichte des Dramas“ (Leipz. 1854; 2. Aufl., Paderb. 1867), „Geschichte der poetischen Litteratur Deutschlands“ (das. 1857, 3. Aufl. 1866) setzten diese Thätigkeit fort, welche in einer entschiedenen Bevorzugung und beinahe ausschließlichen Verherrlichung der spanischen Dichtung und ihrer Nachklänge in der deutschen Romantik gipfelte. Darüber nahm die eigne poetische Thätigkeit Eichendorffs, die im Anfang neben der kirchlichen Gesinnung die volle Frische und Unbefangenheit bewahrt hatte, eine spezifisch tendenziöse Richtung, welche in den erzählenden Gedichten: „Julian, ein Romanzencyklus“ (Leipz. 1853), „Robert und Guiscard“ (das. 1855) und „Lucius“ (das. 1857) entschieden zu Tage trat. Außer Eichendorffs „Sämtlichen (poetischen) Werken“ (Berl. 1841–43, 4 Bde.; 3. Aufl., Leipz. 1883, 4 Bde.) erschien nach dem Tode des Verfassers auch eine Sammlung seiner „Vermischten Schriften“ (Paderb. 1867, 5 Bde.), welche seine litterarischen und kritischen Arbeiten, auch seinen Nachlaß, umfaßt.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 269
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[269] Eichendorff, Joseph, Freiherr von, Dichter. Als Festgabe zu Eichendorffs 100jährigem Geburtstag veröffentlichte H. Meisner „Gedichte aus dem Nachlasse des Freiherrn J. v. E.“ (Leipz. 1888). Vgl. Keiter, J. v. Eichendorff (Köln 1887).