MKL1888:Eisenbahnbetrieb

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisenbahnbetrieb“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 215219
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Eisenbahnbetrieb. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 215–219. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisenbahnbetrieb (Version vom 29.01.2022)

[215] Eisenbahnbetrieb. Nach dem Unfall des kaiserlich-russischen Zuges auf der Kursk-Charkow-Asow-Bahn wurde von russischen Ingenieuren die Behauptung aufgestellt, daß die Zugbeförderung mit zwei Maschinen weniger Sicherheit als diejenige mit einer einzigen biete und sogar gefährlich sei. L. Wurzel, russischer Staatsrat, stellte darüber Untersuchungen an. Bei jeder Lokomotive ist die Treibkraft veränderlich, weil der Dampfdruck bei den Hubwechseln unwirksam und auch während jedes Kolbenhubes teils infolge der Expansion veränderlich ist, teils infolge der verschiedenen Kurbelstellung ungleichmäßig auf die Radperipherie übertragen wird. Allerdings gleichen sich die Dampfdrucke auf beiden Seiten der Lokomotive wegen der Verstellung der Kurbeln um einen rechten Winkel etwas, jedoch nicht vollkommen aus. Infolgedessen wird die Bewegung der Lokomotive und des Zuges keine ganz gleichmäßige sein, sondern die Geschwindigkeit wird innerhalb gewisser Grenzen hin und her schwanken, im einen Augenblick über die mittlere Geschwindigkeit hinausgehen, dann nachlassen und unter die mittlere Geschwindigkeit heruntergehen, dann wieder wachsen und die mittlere Geschwindigkeit übersteigen etc. Hierdurch werden sowohl auf die Schienen [216] als auf den Zug Stoßwirkungen ausgeübt. Wird nun der Zug durch zwei Lokomotiven befördert, so werden sich die Ungleichheiten schon dadurch etwas ausgleichen, daß im allgemeinen die Momente höchster und geringster Wirkung der Triebkraft sich bei beiden Lokomotiven nicht decken werden. Wurzel vergleicht nun rechnerisch, wie groß die Stöße, die durch die Geschwindigkeitsänderungen herbeigeführt werden, bei Anwendung einer und zweier Lokomotiven sind, und kommt dabei zu dem Schluß, daß die Gefahr der Schienenbrüche oder der Brüche des rollenden Materials bei der Beförderung mit zwei Maschinen geringer ist als bei Beförderung mit einer Maschine, daß bei letzterer die übermäßig stark entwickelten lebendigen Kräfte und Stöße die Folgen einer Entgleisung beträchtlich verschlimmern können, und daß hieraus zu ersehen sei, daß die Bedenken, schwere Züge mittels zweier Lokomotiven zu befördern, unbegründet sind. Die Gegner der Beförderung mit zwei Lokomotiven betonen noch, daß bei zwei Lokomotiven die Lokomotivführer sich schwer verständigen können, daher den Zug ungleichmäßig führen und so schlimme Stöße und einen ungleichmäßigen Gang verursachen werden. Dem gegenüber zeigt Wurzel an Beispielen, daß bei der Beförderung mit

Eingleisungsvorrichtung von Post.

zwei Maschinen selbst bei mutwillig schlechter Behandlung der Maschinen dem Zuge keine schlimmen Folgen erwachsen, auch eine etwanige Entgleisung keine verschlimmerten Folgen nach sich zieht, weil, wenn eine Maschine entgleist, die andre gewöhnlich auf den Schienen bleibt, die entgleiste weiter treibt und auf diese Weise einen gewissen Teil der lebendigen Kraft des Zuges allmählich vernichtet, wohingegen beim Entgleisen der Maschine, wenn sie allein den Zug führte, jene lebendige Kraft auf einmal vernichtet wird.

Bei den gewöhnlichen Hemmschuhen mit fester Spitze krümmt sich diese nach kurzem Gebrauch nach oben, wovon die Folge ist, daß der Schuh beim Anlaufen des zu hemmenden Wagens von den Schienen herabgeworfen wird. Bei dem von der Maschinenfabrik und Metallgießerei Witwe J. Schumacher in Köln am Rhein ausgeführten Hemmschuh von Barthelmeß soll dies dadurch verhindert werden, daß die das Auflaufen des Wagens einleitende Spitze, als besonderes Stück ausgeführt, mit dem eigentlichen Hemmschuh durch ein Scharnier verbunden ist, und daß zu beiden Seiten des Hemmschuhes Laschen angebracht sind, welche über die Schienen greifen, ohne die gleitende Bewegung des Schuhes auf den Schienen zu behindern, wenn ein Fahrzeug auf den Schuh aufgefahren ist und nun infolge der ihm innewohnenden lebendigen Kraft mit dem Schuh weiterrutscht. Eine schlanke Abschrägung der Sohle an dem der Spitze abgewendeten Ende soll es ermöglichen, daß der Hemmschuh beim Weiterrutschen ungehindert die Schienenstöße passieren kann, auch wenn die Oberkante der nächsten Schiene hervorsteht. Hiernach erscheint der Auflauf des zu hemmenden Fahrzeuges auf den Hemmschuh vollkommen gesichert, und eine Formveränderung der Spitze ist nicht zu erwarten, weil dieselbe nach dem Auflauf des Fahrzeuges nicht mehr belastet und beim Weiterrutschen des Hemmschuhes durch das Scharnier lose mitgeschleppt wird. Eine etwas abgeänderte Konstruktion dieses Hemmschuhes kommt zur Anwendung, wenn verhindert werden soll, daß in Sackgeleisen Wagen gegen den Prellbock auflaufen, oder um Wagen an einer bestimmten Stelle anzuhalten (etwa vor einer Weiche, einem Bahnübergang oder einem stehenden Zuge). In diesen Fällen sind die Hemmschuhe mit einer Klemmvorrichtung versehen, die das Anhaften derselben an den Schienen erzielt. Die Klemmen öffnen sich beim Auflauf des Wagens selbstthätig und schließen sich wieder, sobald der Wagen abgelaufen ist. Diese Konstruktion des Hemmschuhes empfiehlt sich auch, um das Abrollen der Wagen von den Bahnhöfen durch Winddruck zu verhindern.

Wenn ein Zug mit einem unbemerkt entgleisten Wagen über eine Brücke fährt, so kann diese von dem mitgeschleiften, hin und her geschleuderten Wagen leicht so beschädigt werden, daß ihr Einsturz erfolgt. Unter den 22 Fällen, in welchen in Amerika Eisenbahn-Fachwerkbrücken 1889 einstürzten, waren nachweislich nicht weniger als 9, die durch entgleiste Wagen verursacht wurden. Man hat deshalb Vorrichtungen konstruiert, welche derartige Unfälle möglichst verhüten sollen. Derartige Vorrichtungen sind in Amerika vielfach zu finden, jedoch meist von ziemlich primitiver Konstruktion, gewöhnlich in der Form von Balken, die innen oder außen neben den Schienen in solcher Entfernung von ihnen angebracht sind, daß die Räder dazwischen auf dem Brückenbelag weiterlaufen können. Viel besser würden Eingleisungsvorrichtungen wirken, die, vor den Brücken angebracht, die entgleisten Wagen wieder auf die Schienen heben (eingleisen). An eine Eingleisungsvorrichtung sind folgende Anforderungen zu stellen: Sie darf keine neue Gefahr der Entgleisung der durchlaufenden Wagen entstehen lassen, weshalb auf die Bewahrung des freien Raumes für die nicht entgleisten Wagen geachtet werden muß. Sie darf möglichst wenig mit den schwächern Teilen der Wagen in Berührung kommen, am besten nur mit den Rädern. Sie muß die entgleisten Räder in wagerechter und senkrechter Richtung ohne große Stöße so leiten, daß das Eingleisen vor der Brücke stattfindet. Sie muß die entgleisten Wagen, welche infolge irgend eines Fehlers aus dem Geleise gewichen waren, auf der ganzen Brücke möglichst im Geleise halten. Sie muß aus dauerhaftestem Material hergestellt sein, so daß besonders im Augenblick der Inanspruchnahme keine Zerstörung zu befürchten ist. Sie muß in einzelnen Teilen von nicht zu großem Gewicht befördert und leicht an Ort und Stelle montiert werden können. Sie muß das Heben und Stopfen des Geleises zulassen. Die Kosten für die Herstellung, Montierung, Unterhaltung und Erneuerung dürfen nicht zu hoch sein. Diesen Anforderungen soll die von J. W. Post für einige Brücken der niederländischen Staatsbahnen konstruierte Einrichtung entsprechen. Über sieben der Querschwellen des Geleises hinweg sind Stahlplatten zu beiden Seiten der Schienen ss gelegt (s. Figur), auf welchen ansteigende Flächen aa bb angebracht sind. Diese bestehen der Länge nach aus einzelnen Blöcken, von welchen die dünnsten geschmiedet, die [217] dickern gegossen sind. Die innern Steigflächen bb sind nach innen durch gebogene Gegenschienen cc begrenzt, welche in der Geleismitte in einem spitzen Winkel zusammentreffen. Ein entgleistes Rad, welches auf seinem Rande zwischen Geleismitte und Schiene in der Richtung des Pfeiles gegen die Vorrichtung läuft, steigt auf der betreffenden Steigfläche b an und wird zugleich von der Gegenschiene c nach der Schiene s zu gedrängt. Wo der Raum zwischen Schiene und Gegenschiene zu eng wird, um den Radreifen durchzulassen, ist die Fläche b bereits so viel angestiegen, daß das Rad, mit seinem Rande auf der Fläche b aufstehend, mit seiner Lauffläche die Oberkante der Schiene s um ein geringes Maß überragt, so daß es nun von der Gegenschiene leicht vollends auf die Schiene übergeschoben werden kann. Ein entgleistes Rad, welches nach dem Entgleisen sich außerhalb der Schienen befindet, steigt, auf seinem Rande laufend, auf der entsprechenden Fläche a an, bis es mit seinem Rande in Schienenhöhe ist, wobei es durch die zur andern Schiene gehörige Gegenschiene vermittelst des andern Rades und der Achse gegen seine Schiene bewegt und schließlich mit seinem Rande darüber hinweggeschoben wird, so daß es wieder auf der innern Seite der Schiene läuft. Um zu verhindern, daß ein Rad auf die verkehrte Seite der Gegenschienenspitze gelangt und nun gegen die falsche Schiene s geführt wird, sind vor der Spitze der Gegenschiene außerhalb des Geleises schiefe Schienen tt angebracht, welche an ihrer engsten Stelle schon so weit aneinander gerückt sind, daß jedes nach innen entgleiste Rad zwischen der zugehörigen Schiene und Gegenschienenspitze einlaufen muß. Die Gegenschienen s laufen zur sichern Führung der entgleist gewesenen Räder auf den Schienen neben diesen über die ganze Brücke fort. Die Gegenschienen bestehen aus alten Schienen, die, auf der Seite liegend und ihrer Schiene s den Fuß zukehrend, auf gußeisernen Stühlen gelagert sind. Eine Brücke mit einfachem Geleise, welche also in beiden Richtungen befahren wird, ist auf jeder Seite mit einer Eingleisungsvorrichtung zu versehen. Ist die Brücke doppelgeleisig, so erhält jedes Geleis auf der Seite, von welcher die Züge kommen, eine solche Vorrichtung. Die Spitze der Gegenschienen muß 30–50 m außerhalb der Brücke liegen.

Vor einiger Zeit sind in Berlin auf dem Potsdamer Bahnhof Versuche mit zwei Wasserpuffern (hydraulische Puffer, hydraulische Prellböcke) angestellt worden. Sie sollen an Stelle der sonst gebräuchlichen Federprellböcke bei Sackgeleisen als Geleisabschluß verwendet werden, wie das in England schon seit etwa acht Jahren bei vielen Kopfstationen mit bestem Erfolge geschieht. Diese Puffer bilden eine Art Wasserbremse, wie sie auch sonst zur Verzögerung heftiger Bewegungen verwendet werden. Die ersten englischen hydraulischen Puffer von Langley bestehen aus zwei hydraulischen Cylindern, die durch ein Rohr verbunden sind. Die vorn mit Pufferscheiben versehenen Kolbenstangen sind in einer Stopfbüchse geführt. Die Kolben haben rechteckige Ausschnitte, in welche je eine keilförmige, von vorn nach hinten an der Cylinderwand angebrachte Leiste eingreift, deren dünneres Ende am vordern Cylinderende liegt. Wenn daher der Kolben vom vordern nach dem hintern Cylinderende bewegt wird, so treten die Keile mit immer dicker werdenden Stellen in die Kolbenausschnitte ein und verengern somit deren freien Durchflußquerschnitt. War nun der Raum hinter dem Kolben mit Wasser gefüllt, so tritt dies durch die Ausschnitte in den vordern Teil, indem es infolge davon, daß es durch diese sich hindurchzwängen muß, der Bewegung des Kolbens einen Widerstand entgegensetzt, der mit der Verengerung der Ausschnitte, also nach dem hintern Kolbenende hin, wächst. Der Widerstand ist außerdem auch noch von der Geschwindigkeit der Kolbenbewegung abhängig, er wächst mit dem Quadrat derselben. Übrigens ist die Bewegung des Kolbens von vorn nach hinten nur möglich, wenn aus dem Cylinder so viel Wasser austreten kann, als die Kolbenstange verdrängt. Bei Langley tritt dieses Wasser durch ein im Verbindungsrohr der Cylinder angebrachtes Ventil ins Freie. Die Aufgabe des hydraulischen Puffers besteht nun darin, die lebendige Kraft eines mit größerer Geschwindigkeit gegen die Pufferscheiben fahrenden Zuges durch den Widerstand zu vernichten, welchen das Wasser dem Durchströmen durch die Kolbenausschnitte entgegensetzt, und zwar muß die Geschwindigkeit, allmählich abnehmend, bis auf Null gebracht sein, bevor der Kolben am hintern Kolbenende angelangt ist. Der Durchflußquerschnitt muß deshalb bei vorn stehendem Kolben weit sein und sich allmählich mit dem nach hinten rückenden Kolben verengern, damit der Widerstand im Anfang der Bremsung nicht infolge der noch ungeminderten Zuggeschwindigkeit zu groß und gegen Ende der Bremsung, wo die Geschwindigkeit schon nachgelassen hat, nicht zu klein wird, sondern sich gleichmäßig verteilt. Nach der Wirkung wird der Kolben dadurch wieder in Bereitschaft gesetzt, daß in den Cylinder Wasser eingepreßt wird, welches, auf die hintere Kolbenfläche stärker wirkend als auf die um den Kolbenstangenquerschnitt verminderte vordere Seite, einen Überdruck nach vorn ausübt und so den Kolben wieder vortreibt. Für den Betrieb in nicht frostfreien Gegenden darf die Betriebsflüssigkeit aber nicht Wasser sein, vielmehr muß eine nicht dem Einfrieren ausgesetzte Flüssigkeit (Glycerin, Spiritus) verwendet und deshalb der Apparat so konstruiert werden, daß nicht bei jeder Wirkung ein Teil der Flüssigkeit verloren geht. Webb in Crewe erreicht das dadurch, daß er die verdrängte Flüssigkeit durch das Verbindungsrohr der Cylinder in einen Windkessel eintreten läßt, von dem aus es, nach der Wirkung des Puffers unter einem Druck von 3–4 Atmosphären stehend, wieder in den Cylinder zurückgedrückt wird und so den Kolben vorschiebt. Webb bewirkt bei seinem Apparat den Ausgleich des Widerstandes dadurch, daß er den Kolben in einem siebartig durchlöcherten, innerhalb eines geschlossenen Mantels liegenden Cylinder sich bewegen läßt. Je mehr der Kolben zurückgedrängt wird, desto geringer wird die Anzahl der Sieblöcher zwischen ihm und der Cylinderrückwand. Die auf dem Potsdamer Bahnhof aufgestellten Puffer sind eine Kombination der beiden genannten englischen Konstruktionen, Cylinder und Kolben sind dem Langleyschen, die Windkesselanordnung ist dem Webbschen Puffer nachgebildet. Außerdem aber ist für eine den gewaltigen Stößen Rechnung tragende sichere Führung des vordern Kolbenstangenendes gesorgt. Die Füllung besteht aus Wasser und Glycerin zu gleichen Teilen. Eine 66,000 kg schwere Lokomotive kann ohne Schaden mit 20 km Geschwindigkeit gegen den Puffer anfahren. Züge von einer Lokomotive und acht Wagen mit einem Gesamtgewicht von 170,000 kg dürfen mit 13–15 km Geschwindigkeit anlaufen, ohne daß die Insassen beschädigt werden. Dabei beträgt der Kolbenweg bis zum Stillstand etwa 2,2 m und der Druck im [218] Cylinder 50–80 Atmosphären. Die Kosten eines Puffers (ausschließlich der Fundamente und Widerlager) belaufen sich auf 3600 Mark.

Von W. Schmid in München sind Vorschläge gemacht, die Folgen der Zusammenstöße von Eisenbahnzügen abzuschwächen. Er geht von der Ansicht aus, daß die Mittel zum Schutze der Menschen gegen Eisenbahnunfälle (weit ausgebildetes Signalwesen, verbesserte Weichenstellapparate und schnell wirkende Bremsen) noch unzureichend sind, weil die beste Signalvorrichtung und Weichenstellung mit dem Mangel behaftet ist, durch menschliche Bedienung in einem Augenblick unrichtig gestellt werden zu können, wo es mit der sichersten Schnellbremse nicht mehr möglich ist, den Zug zum Stehen zu bringen, um einen Unfall zu verhüten. Auch die Verstärkung der Wagen durch Einführung der eisernen Untergestelle hält er für verfehlt, weil bei einem Zusammenstoß die Untergestelle vom Anprall gar nicht getroffen werden, und zwar deshalb nicht, weil die Puffer der Eisenbahnfahrzeuge ihren Zweck verfehlen. Beobachtungen haben ergeben, daß bei einem Höhenunterschied zusammenstehender Puffer, wie er durch verschiedene Belastung der Wagen sehr leicht herbeigeführt wird, die Pufferscheiben sich schon unter der Einwirkung eines verhältnismäßig geringen Aufstoßes derart verbiegen, daß sie schiefe Ebenen bilden, welche die Puffer der höher stehenden Wagen aufsteigen und diese in die andern Wagen hineingleiten lassen, so daß sie alles darin Befindliche vernichten. Wenn dieses Verbiegen der Puffer und das darauf folgende Abgleiten vermieden werden könnte, so würde mancher Zusammenstoß ohne schlimme Folgen verlaufen. Auch Entgleisungen wären weniger gefährlich, weil dann der seitliche Schub der schief aufeinander stoßenden Puffer vermieden wäre. W. Schmid bringt nun zwei Konstruktionen in Vorschlag, eine für schon vorhandene, eine zweite für neu zu erbauende Wagen. Bei ersterer sollen in allen Personenzügen die Puffer der ersten 3–4 Wagen, die bei Zusammenstößen den größten Anprall auszuhalten haben, mit transportabeln Panzerpuffern versehen werden, welche aus zweiteiligen zusammengeschraubten Stahlpanzern bestehen, die, über die Puffergehäuse und -Scheiben reichend, einen nach innen stehenden Ring in U-Eisenform bilden, wodurch die Pufferscheiben unbeschadet ihrer Beweglichkeit so eingeschlossen sind, daß sie bei Verbiegungen der gegenüberstehenden nicht verstärkten Puffer das Abgleiten derselben verhüten, so daß die Stöße mit Sicherheit auf die Puffer und, durch diese abgeschwächt, auf den stärksten Teil der Wagen, ihren eisernen Unterbau, übertragen werden. Bei neuen Wagen sollen die Stoßapparate der Eisenbahnfahrzeuge überhaupt derart verstärkt und mit Schutzvorrichtungen gegen das Abgleiten versehen werden, daß ein Seitenschub der Wagen gegeneinander vollkommen ausgeschlossen erscheint. Die Pufferscheiben sollen nicht mehr flach, sondern teils hohl (konkav), teils erhaben (konvex) ausgeführt werden, so daß überall eine konvexe Scheibe des einen Wagens in eine konkave des andern eingreift und die Puffer eine Art Kugelgelenk bilden. Dadurch würde zugleich das Schleudern der Wagen vermindert werden.

Von den französischen Ingenieuren Courcelles und Elu rührt ein Projekt her, die Eisenbahnwagen mit Elektrizität zu heizen. In die üblichen, im Innern der Wagen befindlichen Heizkörper sollen Gitter aus dünnen Bleistäben eingesetzt werden, welchen von einer Dynamomaschine Elektrizität zugeführt wird. In den Bleigittern setzt sich die Elektrizität in Wärme um, erhitzt diese und wird von da auf den Mantel der Heizkörper übertragen, und zwar soll die Wärmemenge genügen, um die Wagen gehörig warm zu halten. Ähnliche Projekte werden in neuerer Zeit mehrfach gemacht, sind jedoch bisher nicht zur Anwendung gekommen, weil diese Art der Heizung zu teuer wird. Um zu beurteilen, inwiefern eine elektrische Heizung der Eisenbahnwagen möglich ist, muß man zunächst die Wärmemenge kennen, die in der Zeiteinheit in das Innere eines Wagens geschafft werden muß, um die Temperatur dauernd in ausreichender Höhe zu erhalten. Der stündliche Wärmeverlust eines geheizten Personenwagens durch Ausstrahlung beträgt nun für jeden Grad Temperaturdifferenz (d. h. Differenz der innern und äußern Temperatur) 3 Wärmeeinheiten (W.-E.) pro 1 qm Wandfläche und 9 W.-E. pro 1 qm Fensterfläche. Ein mittlerer Wagen von 66 qm Wandfläche und 2,6 qm Fensterflache strahlt also stündlich rund 220 W.-E. aus, wenn die Temperatur im Wageninnern um 1° C. höher ist als außen. Diese Wärme muß also durch die Heizung ersetzt werden. Dazu kommt aber noch diejenige Wärme, welche bei der Ventilation des Wagens mit der verdorbenen Luft ins Freie entweicht. Für jede Person im Wagen müssen pro Stunde etwa 17 cbm Luft ausgewechselt werden, bei 1° C. Temperaturdifferenz werden also die 17 cbm hinzugeführte Luft um 1° C. zu erwärmen sein. Da nun 1 cbm Luft 4/3 kg wiegt und 1/4 W.-E. zur Erwärmung von 1 kg Luft um 1° C. erforderlich ist, so beträgt die wegen der Ventilation stündlich zuzuführende Wärmemenge für jede Person W.-E., und in einem mit 30 Personen mittelmäßig besetzten Wagen W.-E. Es wären somit im ganzen für jeden Grad Temperaturdifferenz W.-E. zuzuführen, daher bei einer Differenz von 30°, wie sie in kältern Gegenden oft genug vorkommt, das Dreißigfache, = 11,700 W.-E. Hiervon wird jedoch ein guter Teil von den Insassen selbst durch den Atmungsprozeß erzeugt, nämlich pro Person stündlich 120 W.-E., also von 30 Personen W.-E., so daß die Heizung stündlich noch W.-E. liefern muß; das entspricht einer Wärmemenge von pro Minute oder W.-E. pro Sekunde. Nun ist eine W.-E. einer mechanischen Arbeit von 424 Meterkilogramm gleichwertig, es würde somit zur Erzeugung der erforderlichen Heizwärme eine Arbeit von Meterkilogramm in der Sekunde oder, da 75 Sekundenmeterkilogramm = 1 Pferdekraft sind, rund 13 Pferdekräfte nötig sein. Veranschlagt man den Nutzeffekt einer Dynamomaschine und denjenigen der Heizvorrichtung zu je 80 Proz., d. h. nimmt man an, daß bei der Umwandlung der Arbeit der Dampfmaschine in Elektrizität 20 Proz. verloren gehen, und ebenso bei der Umwandlung der Elektrizität in Wärme, so muß von der Dampfmaschine eine Arbeit von rund 20 Pferdekräften geleistet werden. Ein Zug von 15 Personenwagen würde also zur Heizung durch Elektrizität einer Dampfmaschine von Pferdekräften bedürfen, wodurch ungefähr die gesamte Arbeit einer Lokomotive absorbiert werden würde. Man würde also zur Heizung ebensoviel Kraft und folglich ebensoviel Kohlen gebrauchen wie zur Bewegung des Zuges. Hieraus ist [219] zu ersehen, daß die Art der Heizung durch Elektrizität sehr kostspielig werden würde, was ja auch schon ohne weiteres daraus einleuchtet, daß von der Wärme, die direkt durch die Verbrennung der Kohlen frei wird, infolge der mehrfachen Umwandlung (erst in mechanische Arbeit in der Dampfmaschine, dann in Elektrizität, dann wieder zurück in Wärme) sehr große Verluste entstehen werden. Eine Heizung mit Elektrizität wird erst denkbar sein, wenn man diese auf andre Weise, als mittels Maschinen, bedeutend billiger erzeugen kann. Vgl. die folgenden Artikel.