MKL1888:Eisenbahnpersonengeld-Tarife

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisenbahnpersonengeld-Tarife“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 225226
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Eisenbahnpersonengeld-Tarife. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 225–226. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisenbahnpersonengeld-Tarife (Version vom 10.12.2022)

[225] Eisenbahnpersonengeld-Tarife. Das kühne Vorgehen der ungarischen Staatseisenbahnverwaltung auf dem Wege der Vereinfachung und Herabsetzung der Personengeldtarife (vgl. Bd. 17, S. 279), deren Ergebnisse unten mitgeteilt werden, ist, wie zu erwarten stand, bei den mit dem ungar. Staatseisenbahnnetz wirtschaftlich verbundenen, bez. mit ihm in Wettbewerb stehenden Eisenbahnen nicht ohne Nachwirkung geblieben. Abgesehen davon, daß sehr bald einige kleinere Bahnen den ungarischen Zonentarif einführten oder doch zu einer wesentlichen Ermäßigung ihrer Fahrpreise übergingen, ist am 16. Juni 1890 auf den österreichischen Staatseisenbahnen ein neuer Personengeldtarif in Kraft getreten, welcher gleich dem ungarischen Zonentarif eine wesentliche Vereinfachung des Tarifsystems unter Fortfall des Freigepäcks und eine erhebliche Verbilligung der Fahrpreise bei Wegfall des größten Teiles der einseitigen und ungerechten Ermäßigungen mit sich gebracht hat. Der grundsätzliche Unterschied beider Tarife besteht darin, daß der österreichische Tarif nach für alle Entfernungen gleichmäßigen kilometrischen [226] Einheitssätzen gebildet ist, während der ungarische Zonentarif für die einzelnen Zonen verschiedene Einheitssätze und zwar unter besonderer Begünstigung des Fernverkehrs aufweist. Die Fahrpreise des österreichischen Tarifs betragen für die 3. Klasse 1 Kr., für die 2. Klasse 2 Kr. und für die 1. Klasse 3 Kr. pro Kilometer. Für Schnellzüge tritt für alle Klassen ein je 50proz. Zuschlag hinzu. Die Entfernungen werden von jeder Station oder Haltestelle gleichmäßig in bestimmte Strecken oder Zonen eingeteilt, innerhalb welcher der Fahrpreis für jede Entfernung bis zum Endpunkt der betreffenden Zone berechnet wird. Die ersten 50 km sind in 5 Zonen zu je 10 km, die folgenden 30 in 2 Zonen zu je 15 km eingeteilt, die weitern 20 km bilden eine Zone für sich, die nächsten 100 km sind in 4 Zonen zu je 25 km und die weitern Entfernungen über 200 km in Zonen zu je 50 km eingeteilt. Die Verminderung des Fahrpreises für eine direkte, d. h. ununterbrochene Fahrt durch Zuhilfenahme zweier oder mehrerer auf geringere Entfernungen lautender Zonenkarten an Stelle der für eine solche Fahrt vorgesehenen normalen Karte ist in den Tarifbestimmungen ausdrücklich untersagt und unter Strafe gestellt. Freigepäck wird, wie bereits erwähnt, nicht gewährt. Für je 10 kg Gepäck und für jeden Kilometer sind 0,2 Kr., mindestens 10 Kr. zu entrichten.

Im Gegensatz zu dem ungarischen Zonentarif begünstigt der österreichische Kreuzertarif durch seine Zoneneinteilung gerade den Nahverkehr und damit die breiten, minder wohlhabenden Volksschichten. Anderseits stellt sich die Übernahme der Zoneneinteilung aus dem ungarischen Tarif als eine unerwünschte und ungerechtfertigte Komplizierung und Verschlechterung des an sich so überaus einfachen und auch in seinen Abstufungen der Einheitssätze wohl das Richtige treffenden Tarifsystems dar. Durch die Zoneneinteilung wird das Publikum insofern benachteiligt, als immer der Tarif der höchsten Zonenstufe erhoben wird, auch dann, wenn die zu durchfahrende Strecke eine geringere Entfernung aufweist, so daß z. B. ein Reisender für eine Strecke von 21 km das Fahrgeld für 30 km zu entrichten hat. Die Vereinfachung, welche die Zoneneinteilung für die Verwaltung mit sich bringt, ist zu unerheblich, als daß sie dabei in Betracht kommen könnte. Ebenso dürfte die außerordentliche Höhe des Zuschlags bei Benutzung der Schnellzüge (50 Proz.) in keinem Verhältnis zu der dafür gebotenen Gegenleistung stehen.

In Ungarn hat der seit 1. Aug. 1889 eingeführte Zonentarif nicht allein zu einer beträchtlichen Steigerung des Personenverkehrs geführt, sondern auch erhebliche Mehreinnahmen zur Folge gehabt. Die Hauptergebnisse zeigen sich in nachstehenden Zahlen:

1889, beziehungs­weise 1890 Personen­zahl Gesamt­verkehr Gesamt­einnahmen
im Nachbar­verkehr im Fern­verkehr 1889, bez. 1890 gegen­über dem Vor­jahr 1889, bez. 1890 gegen­über dem Vor­jahr
Mill. Gulden
August 553105 559335 1112440 +677581 1,332 +0,320
September 595532 550665 1146197 +718524 1,126 +0,158
Oktober 587991 477611 1065602 +652016 0,993 +0,141
November 567284 404333 971617 +629185 0,829 +0,157
Dezember 517727 353436 871163 +539282 0,733 +0,085
Januar 488017 329938 817955 +497844 0,669 +0,081
Februar 489540 326025 815565 +531466 0,653 +0,119
März 568390 401947 970337 +633456 0,754 +0,130
April 639201 470736 1109937 +723948 0,935 +0,195
Mai 691065 593292 1184357 +806217 0,946 +0,186
Zusammen: 5697852 4367318 10065170 +6409609 8,973 +1,586

Rundreise- und Sommerkarten mit feststehendem Reiseweg werden in der Zeit vom Mai bis September auf größern deutschen Eisenbahnstationen zur Erleichterung des Besuches von Sommerfrischen (Gebirgsgegenden und Seebädern) mit einer Gültigkeitsdauer bis zu 45 Tagen zu ermäßigten Preisen ausgegeben. Gewöhnlich berechtigen sie zur unentgeltlichen Beförderung von 25 kg Gepäck und zur Fahrt mit allen fahrplanmäßigen Zügen, welche die betreffende Wagenklasse führen. Fahrtunterbrechung ist, soweit auf den Karten nichts andres vermerkt, je einmal auf dem Hin- und dem Rückweg gegen Bestätigung durch den diensthabenden Stationsbeamten gestattet. Außerdem werden Rückfahrkarten mit längerer Gültigkeitsdauer (bis zu 60 Tagen) nach einzelnen Verkehrsmittelpunkten, wie Berlin, Frankfurt a. M., Wien, zum Anschluß an von dort ausgehende Rundreisen zu ermäßigten Preisen ausgegeben.

Zusammenstellbare Fahrscheinhefte werden während des ganzen Jahres ausgefertigt zur Ausführung a) von in sich geschlossenen Rundfahrten; b) von gewöhnlichen Hin- und Rückfahrten über die gleichen Strecken; c) von Reisen, welche sich zum Teil aus Hin- und Rückfahrten über die gleichen Strecken, zum Teil aus einer oder mehreren Rundfahrten zusammensetzen. Bedingung für die Ausgabe der zusammenstellbaren Fahrscheinhefte ist ein Reiseweg von mindestens 600 km, wobei jedoch die Ausgangsstation, zu welcher die Reise wieder zurückführen muß, vor Vollendung der letztern nicht wieder berührt werden darf. Eine mehr als zweimalige Befahrung derselben Strecke ist nicht gestattet. Die Gültigkeitsdauer beträgt 45 Tage, bei Reisen von 2000 km und mehr 60 Tage. Freigepäck wird nicht gewährt. Diese Fahrscheine gelten zu allen Zügen, welche die betreffende Wagenklasse führen, und umfassen folgende Verkehrsgebiete: Deutschland, Luxemburg, Österreich-Ungarn, Rumänien, Belgien, die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen und Italien.