MKL1888:Elefant

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Elefant“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 508511
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Elefant. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 508–511. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Elefant (Version vom 07.05.2023)

[508] Elefant (Elephas L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Rüsseltiere (Proboscidea), umfaßt die kolossalsten unter den gegenwärtig lebenden Landtieren, mit kurzem, dickem Rumpf, sehr kurzem Hals, rundem, durch Höhlen in den obern Schädelknochen aufgetriebenem Kopf, ziemlich hohen, säulenartigen Beinen, vier oder fünf bis auf die Hufe verbundenen Zehen, zwei Stoßzähnen in den Zwischenkiefern und nur noch einem Backenzahn in jedem Kiefer. Dieser [509] Zahn besteht aus zahlreichen Platten, welche ihrer ganzen Länge nach durch Zement verbunden sind. Die Nase ist zu einem langen, beweglichen Rüssel mit fingerartigem Fortsatz verlängert und durch zahlreiche Ring- und Längsmuskeln bedeutender Zusammenziehung und Ausstreckung fähig. Die Augen des Elefanten sind klein, die Ohren sehr groß, der Schwanz mittellang mit einem Büschel sehr grober Borsten. Die Haut ist braungrau oder schiefergrau, fast erdfarben, runzelig, schwielig, mit wenigen dunkeln Borsten besetzt. Die Stoßzähne wachsen ununterbrochen fort und erreichen eine bedeutende Länge und ein Gewicht von 75–90 kg; der auffallend große

Fig. 1.
Indischer Elefant.

Backenzahn nutzt sich allmählich ab, wird aber, sobald er den Dienst versagt, durch einen hinter ihm erscheinenden neuen Zahn ersetzt, welcher allmählich weiter nach vorn rückt und vor dem Ausfallen des letzten Stummels in Thätigkeit tritt. Dieser Zahnwechsel findet sechsmal statt. In dem Rüssel ist bei den Elefanten Geruchs- und Tastorgan vereinigt. Sie fassen mit demselben, wie mit einem Finger, selbst die kleinsten Gegenstände. Zugleich dient ihnen auch der Rüssel als Organ zum Schöpfen und Einsaugen des Wassers, zum Trinken, oder um sich damit zu bespritzen; denn es finden sich in demselben zwei nebeneinander in der ganzen Länge hinlaufende Kanäle, die sie durch Einsaugen mit Wasser füllen, worauf sie dieses in das geöffnete Maul spritzen. Die Elefanten haben in dem Rüssel eine fast unglaubliche Stärke, und so dient ihnen derselbe auch als Waffe, womit sie furchtbare Schläge geben können. Eine zweite, ebenso wirksame Waffe besitzen sie in den zwei Stoßzähnen der obern Kinnlade. Diese sind von oben nach unten, jedoch vorwärts gerichtet und von der Wurzel bis zur Spitze mäßig aufwärts gekrümmt. Man unterscheidet mit Sicherheit zwei Arten: Der indische E. (E. asiaticus Bl., Fig. 1), bis 3,35 m lang, mit 2,25 m langem Rüssel und 1,4 m langem Schwanz, 3,5–4 m hoch und 3–4000 kg schwer, mit massigem, hohem, breitstirnigem Kopf, konkaver Stirn, mittelgroßen Ohren, deren Oberrand vorn und an der Innenseite umgekrempt ist, tief herabhängender Unterlippe, eigentümlich gefältelter Haut und beweglichen, wammenartigen Wülsten an der Brust. Die

Fig. 2.
Afrikanischer Elefant.

Haut ist fahlgrau, am Rüssel, Unterhals, der Brust und dem Bauch in Fleischrötlich übergehend und hier dunkel gefleckt. Er bewohnt Vorder- und Hinterindien, ist in vielen Gegenden bereits ausgerottet, findet sich aber noch in allen größern Waldungen des Gebirges und der Ebene. Der E., welcher auf Ceylon, Sumatra und Borneo haust, wird von manchen als besondere Art (E. sumatranus Temm.) betrachtet. Der afrikanische E. (E. africanus Bl., Fig. 2) wird wahrscheinlich größer als der indische, macht aber mit seinem kürzern, höher gestellten Leib, dem niedrigen Kopf, der gewölbten Stirn, den außerordentlich großen Ohren, dem dünnen Rüssel, der schmalen Brust und den häßlichen Beinen bei weitem nicht den majestätischen Eindruck wie jener. Die Falten und Risse der Haut zeigen gröberes Gepräge, auf Hals und Widerrist steht ein schwacher Haarkamm, auch hängen von Hals und Bauch dünn stehende [510] Haare herab; die Farbe der Haut ist schieferblaugrau, aber durch Schmutz und Staub schmutzig fahlbraun. Er findet sich in ganz Innerafrika und ist am Kap erst zu Ende des 18. Jahrh. ausgerottet.

Die Elefanten leben herdenweise in größern Waldungen, mit hohem Gras bewachsenen Steppen, in denen Bäume nicht gänzlich fehlen, auch in hügeligen, bergigen Gegenden bis zu 3000 m ü. M., aber nur, wo reichlich Wasser vorhanden ist; sie verweilen am Tag im Dickicht und machen nachts ihre Ausflüge, dabei brechen sie durch den Urwald Pfade, überwinden im Gebirge Schwierigkeiten, denen das Pferd nicht gewachsen ist, und klettern sogar sehr geschickt. Sie gehen gewöhnlich in ruhigem, gleichmäßigem Paß, können aber auch so schnell laufen, daß ein Reiter sie kaum einholt; in der Ruhe führen sie mit den einzelnen Gliedmaßen eigentümliche schwingende Bewegungen aus; sie schlafen oft im Stehen, lagern sich aber auch, nehmen auf freien, sandigen Flächen Staubbäder, indem sie sich mit dem Rüssel den Sand über den Leib werfen, und gehen auch ins Wasser, wobei sie sehr geschickt schwimmen. Das Gesichtsfeld des Elefanten ist ein sehr beschränktes, Geruch und Gehör sind hoch entwickelt und auch Geschmack und Gefühl verhältnismäßig fein. Dabei ist der E. höchst intelligent, und im Umgang mit dem Menschen entwickelt sich sein Verstand ganz außerordentlich. In der Wildnis ist er ruhig und harmlos, greift niemals an und wird von keinem Tier angegriffen. Madenhacker, Kuhreiher und andre Vögel sammeln sich auf seinem Rücken und reinigen ihn von Ungeziefer. Die Herden, welche 30–50, selbst 200 Tiere umfassen, halten sich sehr abgeschlossen, repräsentieren Familien und nehmen keine fremden Elefanten auf. Von der Herde getrennte Tiere bleiben für immer einsam und sind vorzugsweise gefürchtet, weil sie sich oft bösartig zeigen. Auf einen männlichen Elefanten finden sich in den Herden 6–8 Weibchen; das klügste Tier, Männchen oder Weibchen, fungiert als Führer. Hauptnahrung sind Blätter und Zweige, seltener Gras. Bisweilen fallen sie in die Felder, aber in der Regel genügen die leichtesten Umzäunungen, sie abzuhalten, während sie in eine Lücke derselben sofort eindringen. Der E. wirft 201/2 Monate nach der Paarung ein Junges, welches bis zum 24. Jahr wächst und im 16. zur Fortpflanzung geeignet ist. Er soll 150 Jahre alt werden, doch sterben in der Gefangenschaft die meisten vor dem Ablauf von 20 Jahren. Die Elefanten gehen mehr und mehr ihrer Ausrottung entgegen, da besonders des Elfenbeins halber jährlich über 8000 getötet werden. Ein guter Schütze tötet einen Elefanten durch einen Schuß hinter das Ohr, viele Elefanten werden aber auch in Fallgruben etc. gefangen und durch Speere getötet. Man ißt das Fleisch der Füße, des Rüssels und die Zunge und benutzt auch die Haut. Elefantenfleisch ist zäher und grobfaseriger als Rindfleisch, sonst schmackhaft. Die Neger dörren das Fleisch und zerreiben es dann zu Pulver, um es ihren Speisen beizumischen. Im Einfangen und Zähmen der wilden Elefanten zeigen die Eingebornen Indiens große Geschicklichkeit. Auf Ceylon gibt es eine förmliche Zunft von Elefantenjägern, Panikis, welche mit einer dehnbaren, starken Schlinge in den Wald ziehen und diese dem Elefanten um ein Bein werfen, worauf ein Gehilfe sie sofort an einem Baum befestigt. Durch Feuer, Rauch, Hunger, Durst und stete Beunruhigung machen sie dann den Gefangenen matt, um ihn endlich durch Erweisung von allem, was ihm angenehm ist, in wenigen Monaten zu zähmen. Außerdem werden aber auch Elefanten auf großartigen Treiben gefangen, wobei man einen Platz im Wald von etwa 150 m Länge und 75 m Breite mit starken Pfählen umgibt (Korral), die Herden aus einem Umkreis von mehreren Meilen allmählich dem Korral zutreibt und dann durch Schießen, Schreien, Trommeln zum Eintritt durch das Thor nötigt. Die Tiere werden dann allmählich matt gemacht, mit Hilfe von zahmen Elefanten, mit denen der Jäger sich in den Korral begibt, gefesselt und an Bäume gebunden. Nach drei Tagen beginnen sie zu fressen und werden dann gezähmt und abgerichtet, wobei wiederum zahme Elefanten wesentliche Dienste leisten. Nach zwei Monaten kann der E. von seinem Führer (Kornak) allein geritten werden, und nach drei Monaten kann man ihn zur Arbeit verwenden. Man benutzt ihn zum Ziehen eines Wagens und besonders zum Herbeischaffen schwerer Baumaterialien, muß aber die sehr empfindliche Haut schonen, um lange eiternde Wunden zu vermeiden. In unbebauten Landesteilen verwendet man den Elefanten noch immer mit Vorteil; wo aber Ochsen und Pferde angewendet werden können, sind diese entschieden vorzuziehen. Denn wenn auch ein E. mehr leistet als 6 Pferde und 2500 kg trägt (seine gewöhnliche Belastung beträgt 400 kg), so ist doch seine Unterhaltung sehr kostspielig, da er täglich etwa 75 kg Heu, Rüben, Brot etc. frißt. In Ceylon spannt man ihn auch vor den Pflug. Er entwickelt im Zustand der Zähmung viele intellektuelle Fähigkeiten und zeigt große Klugheit und Vorsicht. In der Regel ist er sanft und folgsam und zeigt große Anhänglichkeit an seinen Führer und Wärter; dabei ist er aber gegen Strafe, Mißhandlung und Neckerei sehr empfindlich und dann im höchsten Grad rachgierig und grausam. Vorzüglich reizbar ist er zur Brunstzeit.

Die indischen Dichter preisen den Elefanten als Symbol der Weisheit und des Mitgefühls; der Gott Ganesa, der Schirmherr der Künste und Wissenschaften, erscheint in den indischen Tempeln mit dem Haupt eines Elefanten; ein E. ist das Reittier Indras, und acht Elefanten tragen das Weltall. Der weiße E. gilt den Buddhisten als eine Inkarnation der verschiedenen Buddhas und steht deswegen in Hinterindien in großem Ansehen. Die Inder waren die ersten, welche den Elefanten zähmten und zum Krieg verwendeten, und als die Perser erobernd nach dem Osten vordrangen, fand diese Einrichtung auch bei ihnen Eingang. Das Sanskrit hat für ihn gegen 100 verschiedene Bezeichnungen. Als Elephas bildete das Elfenbein einen Handelsartikel schon bei den alten Äthiopiern, auch Homer erwähnt das Elfenbein unter demselben Namen, und Herodot nennt das Tier bei einer Aufzählung der Fauna Libyens. Ktesias, der Leibarzt des Artaxerxes, beschrieb zuerst einen Elefanten nach eigner Anschauung in Babylon. In der Schlacht von Arbela erbeutete Alexander d. Gr. 15 dieser Tiere, nach welchen Aristoteles nun eine genaue Beschreibung lieferte. Nach Alexanders Tod kamen seine 300 Elefanten in verschiedene Länder, besonders nach Syrien und Ägypten. Auch in Europa hat man Elefanten zu Kriegszwecken benutzt, und Pyrrhus führte 20 Stück gegen die Römer. Den Karthagern leisteten die afrikanischen Elefanten große Dienste. Die Römer benutzten sie nach Cäsar nur noch zu Kampfspielen und schlachteten sie oft scharenweise hin; sie wurden aber auch abgerichtet, so daß sie nach dem Takte tanzten, auf einem schräg gespannten Seil gingen, Buchstaben mit dem Griffel zeichneten etc. Der afrikanische E. bevölkerte noch zu Hannibals Zeiten den Atlas, und zu Anfang des vorigen [511] Jahrhunderts fand er sich noch von 20° nördl. Br. bis zur Kapkolonie, während er jetzt viel weiter zurückgedrängt ist. Die alten Ägypter kannten beide Arten, und zu allen Zeiten bildete das Elfenbein einen Hauptbestandteil des Tributs, welchen asiatische und afrikanische Völker den Ägyptern leisteten. In der Schlacht bei Raphia 217 v. Chr. kämpften 73 afrikanische Elefanten gegen 102 asiatische sehr unglücklich. Auf babylonischen und assyrischen Denkmälern findet sich stets der asiatische E. abgebildet. Die erste größere Zahl indischer Elefanten, welche in der Neuzeit in die Hände von Europäern kam, dürften die sechs Elefanten gewesen sein, welche den Zug Solimans mitmachten und bei dem Sieg auf dem Fernitzer Feld 1529 erbeutet wurden. Vgl. Armandi, Histoire militaire des éléphants (neue Ausg., Par. 1883). – Wie die paläontologischen Forschungen dargethan, haben sich die Elefanten offenbar aus den Mastodonten entwickelt. Echte Elefanten waren einst sehr verbreitet, sie sind in allen Teilen der Erde, auch in Australien, am häufigsten aber in Nordasien gefunden worden; sie erscheinen zuerst in den tertiären Siwalikhügeln, wo 6–7 Arten (Stecodon Falc.) vorkommen, welche durch ihren Zahnbau zwischen beiden Arten stehen. In Europa erscheinen die Elefanten erst im obern Pliocän und im Diluvium, so E. priscus Goldf., welcher dem afrikanischen Elefanten ähnlich ist, und vor allen das Mammut (E. primigenius Bl.).

Elefant, Papierformat von 780 mm Breite und 624 mm Höhe.