MKL1888:Elektrodynamik

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Elektrodynamik“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 533534
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Elektrodynamik. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 533–534. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Elektrodynamik (Version vom 20.04.2021)

[533] Elektrodynamik (griech.), die Lehre von den Bewegungserscheinungen, welche durch die gegenseitige Einwirkung elektrischer Ströme hervorgebracht werden.

Fig. 1.
Ampèresches Gestell.

Die beiden auf dem Brettchen A (Fig. 1) stehenden Messingsäulchen v u. t, die oben rechtwinkelig umgebogen sind, tragen an ihren Enden stählerne, mit Quecksilber gefüllte Näpfchen y und y′, von denen das erstere gerade unter dem letztern liegt. Ein zu einem Rechteck gebogener Draht cde aus Kupfer oder besser aus dem leichtern Aluminium wird mittels Stahlspitzen, die an seinen in geeigneter Weise umgebogenen Enden angelötet sind, in die Quecksilbernäpfchen des Ampèreschen Gestells (so nennt man die Vorrichtung Avyy′t) eingehängt, so daß er sich um die von den beiden Spitzen gebildete Achse mit Leichtigkeit drehen kann. Verbindet man das Säulchen v durch die unten an demselben angebrachte Klemmschraube mit dem positiven, das Säulchen t mit dem negativen Pol eines galvanischen Elements (z. B. eines Groveschen), so durchläuft der positive Strom den beweglichen Leiter cde in der Richtung der Pfeile. Auf einem zweiten Brettchen B ist ein gleichfalls rechteckig gebogener Kupferdraht ab fest aufgestellt, durch welchen man mittels der Zuleitungsdrähte f und g ebenfalls den Strom eines galvanischen Elements sendet. Geht nun der positive Strom in dem Drahtstück ba von unten nach oben, also in der gleichen Richtung wie in dem nähern, zu ba parallelen Teil des beweglichen Leiters, so wird dieser von ba angezogen; kehrt man aber den Strom in ab mittels eines in den Schließungskreis fg eingeschalteten Stromwenders um, so daß er jetzt von oben nach unten fließt, so wird der bewegliche Leiter von ab abgestoßen. Es ergibt sich also, daß zwei parallele Stromleiter sich anziehen, wenn ihre Ströme gleichgerichtet sind, sich aber abstoßen, wenn die Ströme entgegengesetzte Richtung haben (Ampèresches Gesetz). Wenn ein Stromleiter rs (Fig. 2) über oder unter einem um a drehbaren Stromleiter pq weggeht, z. B. über oder unter dem wagerechten Teil d des am Ampèreschen Gestell aufgehängten Rechtecks, so daß die Leiter sich kreuzen, so sind die Ströme bestrebt, sich parallel und gleichgerichtet zu stellen; es findet demnach Anziehung statt zwischen [534] denjenigen Teilen der beiden Leiter, in welchen beide Ströme nach dem Kreuzungspunkt o hin- oder von ihm sich fortbewegen, Abstoßung aber zwischen je zwei Teilen der beiden Leiter, in deren einem der Strom nach der Kreuzungsstelle hin-, in dem andern von ihr wegfließt.

Fig. 2.
Gekreuzte Ströme.

Vermöge dieser Wirkung, welche gekreuzte Stromleiter aufeinander ausüben, läßt sich ein vom Strom durchflossener Draht in dauernde Umdrehung versetzen; hierzu dient die in Fig. 3 abgebildete, von Garthe angegebene Vorrichtung.

Fig. 3.
Elektrodynamischer Rotationsapparat.

Innerhalb eines feststehenden hölzernen Rahmens AB, auf dessen Umfang mehrere Lagen eines übersponnenen Kupferdrahts aufgewunden sind, ist ein leichtes, ebenfalls mit isolierten Drahtwindungen versehenes Holzrähmchen CD um eine lotrechte Achse leicht drehbar; die mehrfachen Drahtwindungen haben den Zweck, die Wirkung (nach Art des Multiplikators) zu verstärken. Werden nun die Poldrähte einer galvanischen Batterie mit den Klemmschrauben f und g verbunden, so dreht sich das bewegliche Rähmchen, bis der Strom in seinen Windungen mit demjenigen in den Windungen des festen Rahmens parallel und gleichgerichtet ist; damit es aber in dieser Lage nicht stehen bleibe, wird der Strom in dem Rähmchen durch einen unten an seiner Achse angebrachten Stromwender oder Kommutator (vgl. Elektromagnetismus) umgekehrt, so daß die Stromteile, welche sich eben noch anzogen, nunmehr sich abstoßen und die Drehung sich in der bisherigen Richtung fortsetzt.

Fig. 4.
Beweglicher Kreisstrom.

Da eine beweglich aufgehängte Magnetnadel durch einen galvanischen Strom abgelenkt wird, so muß umgekehrt auch der im Ampèreschen Gestell (Fig. 1) beweglich aufgehängte Stromleiter, dem man jetzt zweckmäßig eine kreisförmige Gestalt (Fig. 4) geben kann, durch einen feststehenden Magnet abgelenkt werden. Bringt man z. B. einen wagerecht gehaltenen Magnetstab in das Innere des Kreisstroms (Fig. 4), so dreht sich dieser so lange, bis seine Ebene auf der Längsrichtung des Magnets senkrecht steht und der Strom, vom Südpol des Magnets gesehen, denselben in der Richtung des Uhrzeigers umkreist. Auch die Erde, als großer Magnet, wirkt richtend auf den beweglichen Kreisstrom; sich selbst überlassen, stellt er sich nämlich so ein, daß seine Ebene auf der ungefähr nach N. weisenden Richtung, welche eine Magnetnadel unter dem Einfluß des Erdmagnetismus annehmen würde (d. h. auf dem magnetischen Meridian), senkrecht steht und der Strom, von S. her betrachtet, in der Richtung des Uhrzeigers, also im untern Teil des Kreisstroms von O. nach W., fließt. Denkt man sich daher auf der Ebene des Kreisstroms (auf der Ebene der Fig. 4) in seinem Mittelpunkt eine Senkrechte errichtet, welche man seine Achse nennt, so kann man sagen, der Kreisstrom verhalte sich sowohl der Erde als einem Stahlmagnet gegenüber, als wäre er selbst ein Magnet, dessen Pole auf seiner Achse diesseit und jenseit der Kreisfläche liegen.

Fig. 5.
Solenoid.

Windet man nun einen Kupferdraht in der in Fig. 5 dargestellten Weise schraubenförmig und hängt diesen Schraubendraht, welchen man ein Solenoid nennt, in dem Ampèreschen Gestell beweglich auf, so muß, da die einzelnen Windungen als ebenso viele in gleichem Sinn fließende Kreisströme anzusehen sind, die gemeinschaftliche Achse aller Kreisströme oder die Achse ab des Solenoids sich in die Richtung der Magnetnadel einstellen, indem sich das Ende b, von welchem aus gesehen die Ströme in der Richtung des Uhrzeigers kreisen, nach S., das andre a nach N. richtet; von dem Nordpol eines dem Solenoid genäherten Magnets wird sein Nordende a abgestoßen, sein Südende b angezogen. Der vom Strom durchflossene Schraubendraht verhält sich also sowohl der Erde als einem gewöhnlichen Magnet gegenüber selbst wie ein Magnet; desgleichen wirken zwei einander genäherte durchströmte Solenoide aufeinander ein, als wären sie zwei Magnete, deren jeder mit einem Südpol und einem Nordpol ausgestattet ist. Es lassen sich sonach sämtliche Erscheinungen des Magnetismus ohne Anwendung von Stahl oder Eisen durch die Wechselwirkung galvanischer Ströme nachahmen, und es liegt daher die Vermutung nahe, daß der Magnetismus des Eisens und Stahls durch das Dasein von elektrischen Strömen in diesen Stoffen zu erklären sei. Auf diese Erwägungen gründete Ampère seine durch die Erfahrung in jeder Hinsicht bestätigte Erklärung des Magnetismus (s. Magnetismus).