MKL1888:Erinnerung
[255] Erinnerung, in der Sprache der wissenschaftlichen Psychologie nicht die Thatsache, daß in unserm Seelenleben frühere Vorstellungen wieder auftauchen (Gedächtnis, s. d.), sondern der Vorgang, bei dem die reproduzierten Vorstellungen von Vorstellungen der für jene charakteristischen Nebenumstände begleitet sind. Taucht eine bestimmte Farbennüance in mir auf, so ist das Gedächtnis, sehe ich dabei innerlich die Form des Kleides u. dgl., an dem mir die Farbe das erste [256] Mal auffiel, so ist das E., entsinne ich mich zugleich des Ortes und der Zeit der Wahrnehmung, lokalisiere ich also den Vorstellungskomplex richtig, so ist das Wiedererkennung. Wird eine neue Wahrnehmung fälschlich als Wiedererkennung aufgefaßt, d. h. glaubt man, das Objekt der Wahrnehmung bereits früher einmal da oder dort gesehen zu haben, dann liegt eine sogen. Erinnerungstäuschung vor, wie sie besonders häufig bei der Beurteilung von Gegenden vorkommt.