MKL1888:Eugubinische Tafeln
[903] Eugubinische Tafeln (Tabulae Iguvinae), sieben große kupferne Tafeln mit umbrischen und lateinischen Inschriften, in der Stadt Gubbio oder Eugubio (dem alten Iguvium) 1444 in einem Gewölbe gefunden und in dem Rathaus daselbst aufbewahrt. [904] Aus dem reinsten Kupfer gegossen, sind die Tafeln von verschiedener, jedoch unter sechs derselben jedesmal zwei und zwei von gleicher Größe. Außer den beiden kleinsten sind alle auf beiden Seiten beschrieben, und zwar ist die Schrift vollkommen gut erhalten. Die darauf befindlichen Inschriften sind nicht nur das bedeutendste umbrische und überhaupt altitalische Sprachmonument, aus dem wir über 1000 umbrische Wörter kennen lernen, sondern zugleich ein schätzbares liturgisches Denkmal, da sich der Inhalt durchaus auf den Religionsdienst bezieht. Es erteilt Vorschriften zu Opfern und Augurien für das Priesterkollegium, enthält auch einzelne vollständige Gebete, Litaneien und Gesänge; saturnischer Rhythmus mit Allitteration tritt darin teilweise unverkennbar zu Tage. Die vier ersten Tafeln sind in umbrischer Schrift und in einem ältern Dialekt abgefaßt und dürften bis 400 v.Chr. zurückreichen, dagegen haben die sechste und siebente Tafel rein lateinische Schriftzeichen; in der Mitte steht die fünfte, auf ihrer Vorderseite umbrische, auf der Rückseite lateinische Schrift zeigend, letztere jedoch erst später hinzugefügt. Sämtliche Tafeln wurden zuerst von Bonarota in Dempsters „Etruria regalis“ (Flor. 1723–24, 2 Bde.) mitgeteilt; ihrer Erklärung widmete Lanzi einen großen Teil seiner „Saggi di lingua etrusca“ (Rom 1789). Es folgten R. Lepsius mit seiner Abhandlung „De tabulis Eugubinis“ (Bd. 1, Berl. 1833), Lassen mit „Beiträgen zur Deutung der umbrischen Tafeln“ (im „Rheinischen Museum“, Bonn 1833), bald auch Grotefend mit seinen „Rudimenta linguae umbricae“ (Hann. 1835–39, 8 Tle.), worin eine wörtliche Übersetzung und Erklärung der Tafeln versucht wird. Urkundlich treue Abbildungen der Inschriften in der Größe des Originals gab Lepsius in seinen „Inscriptiones umbricae et oscae“ (Leipz. 1841); die vollständigste und ausgezeichnetste Arbeit aber lieferten Aufrecht und Kirchhoff in dem Werk „Umbrische Sprachdenkmäler“ (Berl. 1849–51, 2 Bde.). Doch ist auch nach diesem Werk die Kenntnis der Eugubinischen Tafeln und der umbrischen Sprache, besonders in ihrem Verhältnis zu den verwandten Sprachen, noch mehrfach erweitert und vertieft worden. Vgl. Bréal, Les tables Eugubines (Par. 1875–78), und die sprachlichen Untersuchungen von S. Bugge, J. Savelsberg und H. F. Zeyß in Kuhns „Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung“ sowie des letztgenannten Schrift „De vocabulorum umbricorum fictione“ (Marienwerder 1861–65, 3 Tle.).