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MKL1888:Eulen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eulen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 905908
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Eulen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 905–908. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eulen (Version vom 01.12.2024)

[905] Eulen (Strigidae, hierzu Tafel „Eulen“), Familie aus der Ordnung der Raubvögel, Vögel mit kurzem, gedrungenem, wenig fleischigem Leib, relativ sehr großem, dicht befiedertem Kopf, oft mit Ohrbüscheln, kurzem, kräftigem, von der Wurzel an abwärts gebogenem, kurzhakigem, zahnlosem, häufig fast ganz von Federn verdecktem Schnabel, kurzer Wachshaut, großer, meist von einem häutigen Ohrdeckel geschützter Ohröffnung, umgeben von einem Kranz steifer Federn (Schleier), der sich häufig auf das ganze Gesicht und die Kehle ausbreitet. Die Augen sind auffallend groß, nach vorn gerichtet, die Flügel meist lang, breit und muldenförmig und die Außenfahnen der Handschwingen gefranst; der Schwanz ist kurz, klein, die Beine mittel- oder ziemlich hoch und gewöhnlich bis zu den Krallen herab befiedert, die Zehen verhältnismäßig kurz, die äußere Zehe ist Wendezehe; die Klauen sind groß, lang, stark gebogen, äußerst spitzig. Das Gefieder ist sehr reich, die einzelnen Federn sind groß, am Ende zugerundet, höchst fein gefasert, weich und biegsam, bei der Berührung knisternd; die Färbung ist meist düster, die Zeichnung oft zierlich und mannigfaltig. Die E. finden sich weit verbreitet in allen Zonen, leben meist in Wäldern, aber auch in Steppen, Wüsten und bei den Wohnstätten des Menschen; sehr viele sind Nachtraubvögel und durch ihr weiches Gefieder, den lautlosen Flug, das für kürzere Entfernungen sehr scharfe Auge und das feine Gehör dazu besonders befähigt. Gegen Tageslicht ist das Auge empfindlich, und einzelne Arten verschließen es am Tag zur Hälfte und mehr. Die Stimme ist gewöhnlich laut; einzelne kreischen, andre geben ganz eigentümliche Töne zu hören und haben dadurch und durch ihr nächtliches Wesen viel Aberglauben genährt. Sie sind sehr beweglich, auf der Erde aber meist ungeschickt; der Flug ist verhältnismäßig langsam, und nur bei größern Wanderungen erheben sie sich zu bedeutender Höhe. Sie sind scheu, aber nicht vorsichtig, wenig gelehrig, meist jähzornig und grausam, untereinander friedfertig, fressen aber die verunglückten oder kranken Genossen auf. Sie leben meist von kleinen Säugetieren (hauptsächlich von Mäusen und Spitzmäusen), jagen Vögel und suchen Kerbtiere, einzelne fischen auch; Aas verschmähen sie. Sie verschlingen die Beute in großen Bissen und speien Knochen, Haare und Federn, zu Kugeln geballt (Gewölle), meist an einem bestimmten Ort wieder aus. Viele nisten in Höhlen, Spalten, andre in den Bauen von Säugetieren, in verlassenen Falken- und Krähennestern. Sie legen 2–10 weiße Eier, welche vielleicht von beiden Geschlechtern bebrütet werden. Die Jungen sitzen lange im Nest und werden treulich gepflegt und mutig verteidigt. Alle Tagvögel sind den E. abhold, und wo sich eine solche zeigt, wird sie mit lautem Geschrei befehdet, von den stärkern Arten auch angegriffen.

Zu den Tageulen (Surninae Gray), mit relativ kleinem Kopf, schlankem Körper, langen Flügeln und Schwanz und anliegendem Gefieder, ohne deutlichen Schleier, gehört die Sperbereule (Surnia ulula Bp., s. Tafel), 39–42 cm lang, 76–81 cm breit, mit breitem Kopf, platter Stirn, schmalem Gesicht, ohne Federkreis um das Auge, ziemlich langen Flügeln, langem, keilförmigem Schwanz. Das Gesicht ist weißgrau mit schwarzem Streifen vor und hinter dem Ohr, der Scheitel und die Oberseite sind braunschwarz, weiß gefleckt, Nacken und Kehle weiß, Unterseite weiß, schwarzbraun gestreift oder gesperbert; Schwingen und Schwanz sind grau, weiß gebändert, der Schnabel ist wachsgelb, an der Spitze schwarz, das Auge dunkel schwefelgelb. Sie bewohnt die Polargegenden der Alten Welt, hauptsächlich Birkenwaldungen, erscheint im Winter bei uns, erinnert in ihrem Auftreten an die Falken, jagt am Tag, fliegt wie ein Weih, nährt sich hauptsächlich von Lemmingen und nistet (selten in Deutschland) auf hohen Bäumen. In Nordamerika wird sie durch die ähnliche Falkeneule (S. funerea aut.) vertreten. Die Schneeeule (Nyctea nivea Gray), 68–71 cm lang, 146–156 cm breit, mit kleinem, schmalem Kopf, mittellangen Flügeln, ziemlich langem, breitem, abgerundetem Schwanz, unvollkommenem Schleier, dicht befiederten Läufen und Zehen, ist im Alter oft ganz weiß, in der Jugend mehr oder weniger braun gefleckt. Das Auge ist gelb, der Schnabel schwarz. Sie kommt aus dem Norden häufiger zu uns und nistet auch häufiger in Deutschland als die vorige, jagt bei Tag und Nacht Lemminge, Eichhörnchen, größere Vögel und Fische und legt im Juni in eine Vertiefung auf der Erde bis zehn Eier. Samojeden und Ostjaken essen ihr Fleisch. Die Steinkäuze (Athene Boie) sind kleine E. mit mittelgroßem Kopf, undeutlichem Schleier, kurzem, stark gekrümmtem Schnabel, kurzen, gerundeten Flügeln,

[Beilage]

[Ξ]

Eulen.
Sumpfeule (Otus brachyotus). 1/3. – Steinkauz (Athene noctua). 2/5. – Waldkauz (Syrnium aluco). 1/4. – Uhu (Bubo maximus). 1/6. – Schleiereule (Strix flammea). 1/4. – Sperbereule (Surnia ulula). 1/3.

[906] kurzem, gerade abgeschnittenem Schwanz, relativ hohen, sparsam befiederten Läufen und borstigen Federn an den Zehen. Der Steinkauz (Leichen-, Toteneule, Totenvogel, Leichenhühnchen, Klagemutter, Scheunen-, Sperlings-, Lerchenkauz, Wichtl, A. noctua Gray, s. Tafel) wird 22 cm lang, 55 cm breit, oben tief mäusegraubraun, weiß gefleckt, im Gesicht grauweiß, am Unterkörper weißlich, braun gefleckt, mit rostgelblichen, weiß gefleckten Schwung- und Schwanzfedern, schwefelgelben Augen, grünlichgelbem Schnabel, gelblichgrauen Füßen. Er findet sich in Mitteleuropa (in Südeuropa, Nordafrika und Nordasien vertritt ihn die kleinere, matter gefärbte, undeutlich gefleckte A. indigena Gray) und Mittelasien, in Feldgehölzen, Obstgärten, in Städten auf Türmen, Dachböden, in Gewölben, hat durch seine nächtliche Stimme den Aberglauben vielfach beschäftigt, jagt erst nach Sonnenuntergang und zwar hauptsächlich Mäuse, auch Fledermäuse, Spitzmäuse, Sperlinge, Lerchen, Insekten, nistet in Höhlungen, auch in Gebäuden und legt im April oder Mai 1–7 Eier, welche das Weibchen in 14–16 Tagen ausbrütet, wobei es sehr fest auf dem Nest sitzt. Er ist eine der verständigsten E., benimmt sich in der Gefangenschaft sehr gefällig und ist daher in Südeuropa sehr beliebt. In Italien benutzt man ihn zum Vogelfang, da ihn alle kleinen Vögel verfolgen und sich auf Leimruten in seiner Nähe leicht fangen lassen; auch wird er in Gärten und im Haus häufig gehalten. Die Zwergeule (Sperlingskauz, Glaucidium passerinum Boie), 17 cm lang, 41 cm breit, mit gestrecktem Leib, kleinem Kopf, starkem Schnabel mit einem Zahn und Einschnitt an der Schneide des Oberkiefers, undeutlichem Schleier, kurzen Flügeln und mittellangem Schwanz, oben mäusegrau, weiß gefleckt, unten weiß mit braunen Längsflecken, im Gesicht weißgrau, auf Flügeln und Schwanz weiß gebändert; das Auge ist hochgelb, der Schnabel horngelb; sie findet sich im Norden Europas und Asiens, aber auch ständig in Deutschland, auf den Alpen, im Kaukasus, lebt in Wäldern, im Winter oft in der Nähe der Dörfer, jagt am meisten in der Dämmerung Mäuse, Lemminge, hauptsächlich Vögel, ist sehr munter und beweglich, dabei possenhaft wie die Nachteulen und nistet in hohlen Bäumen. (S. Tafel „Eier I“, Fig. 9.)

Zu den Ohreulen oder Uhus (Buboninae Gray), mit großem, breitem, flachem Kopf, starkem, fast bauchigem Schnabel, großen, erektilen Ohrbüscheln, unvollständigem Schleier, mittellangen, stumpfen Flügeln und kurzem, fast gerade abgeschnittenem Schwanz, gehört der Uhu (Schuhu, Buhu, Gauf, Bubo maximus Sibb., s. Tafel). Er wird 77 cm lang und 176 cm breit, ist auf der Oberseite dunkel rostgelb, schwarz geflammt, an der Kehle gelblichweiß, auf der Unterseite rostgelb mit schwarzen Längsstreifen; die Ohrbüschel sind schwarz, Schwung- und Schwanzfedern braun und gelb gezeichnet, das Auge ist goldgelb, rötlich gerandet, der Schnabel dunkel blaugrau. Der Uhu findet sich in Europa, Nord- und Mittelasien, Nordafrika, in großen Waldungen und Gebirgen, in Deutschland besonders im Nordosten und im bayrischen Hochgebirge, bisweilen auch in der Nähe des Menschen, ist sehr wütend und scheu, sitzt bei Tag regungslos in Höhlungen oder auf hohen Bäumen, jagt nachts Hasen, Enten, Hühnervögel, Gänse, Raben, Krähen, auch Bussarde und Igel, meist aber Ratten, Mäuse sowie Reptilien und Insekten. Sein dumpfes, weithin hörbares „Buhu“ läßt er namentlich in Frühjahrsnächten ertönen. Er nistet im März in Höhlungen, Gebäuden, auf dem flachen Boden, auch im Röhricht, legt 2–3 Eier. (s. Tafel „Eier I“, Fig. 6) und pflegt die Jungen mit größter Anhänglichkeit selbst noch in der Gefangenschaft. Er wird von allen Vögeln verfolgt; in der Gefangenschaft hält er mehrere Jahre aus, pflanzt sich auch fort, ist aber sehr schwer zähmbar; man benutzt ihn als Lockvogel auf der Jagd. Die Waldohreule (Ohr-, Horn-, Fuchs-, Ranzeule, Otus verus Cuv.), 35 cm lang, 98 cm breit, schlanker als der Uhu, mit längern Flügeln und Ohrbüscheln, sehr ausgebildetem Schleier und kürzern Füßen, ist ähnlich, aber heller gefärbt als der Uhu, mit gelbem Auge und schwärzlichem Schnabel, findet sich in ganz Europa und Mittelasien, nur im Wald, lebt gesellig, jagt wie der Uhu, fängt Mäuse, selten Vögel, streicht im Herbst weit umher und legt im März in verlassene Nester andrer Vögel 4 Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 7). Nur in Australien fehlt die Sumpfeule (Rohr-, Moor-, Brand-, Kohleule, Otus brachyotus L., s. Tafel), welche der vorigen sehr ähnlich, aber durch einen kleinern Kopf, kurze Ohrbüschel, die verhältnismäßig langen Flügel und die blaßgelbe Grundfarbe von ihr unterschieden ist. Sie wird 36 cm lang, 98 cm breit, der Schleier ist weißlichgrau, die Kopf- und Rumpffedern sind mit schwarzen Schaftstrichen gezeichnet, die Schwingen und Schwanzfedern graubraun gebändert, der Schnabel schwarz, das Auge lichtgelb; sie ist in der Tundra sehr häufig, zieht im Winter sehr weit südlich, durch Deutschland im September, Oktober und im März, nistet auch nicht selten bei uns, sitzt am Tag zwischen Gras und Schilf, jagt nachts Mäuse, Maulwürfe, Lemminge, auch wohl Vögel und legt auf den Boden im Mai 3–4 Eier. Die Zwergohreule (Ohrkauz, Ephialtes scops Gray), 15–18 cm lang, 46–51 cm breit, auf der Oberseite rotbräunlich, schwärzlich gewässert und längsgestreift, auf dem Flügel weiß, in der Schultergegend rötlich geschuppt, auf der Unterseite braunrostgelb und grauweiß, mit undeutlichem Schleier, mittellangen Federohren, blaugrauem Schnabel, dunkelgrauem Fuß und hellgelbem Auge, lebt in Südeuropa, Mittelasien, noch in Süddeutschland, verirrt sich nach Mittel- und Norddeutschland und weilt in Europa von April bis Oktober. Sie siedelt sich oft in unmittelbarer Nähe des Menschen an, jagt kleine Wirbeltiere und Vögel, nistet in Baumhöhlen, legt kleine, rundliche, weiße Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 8) und hält sich gut in der Gefangenschaft.

Zu den Nachtkäuzen (Syrniinae Gray), mit großem, rundem Kopf ohne Federohren, großer Ohröffnung, deutlichem Schleier, verhältnismäßig langem Schnabel und meist abgerundeten Flügeln, gehört der Waldkauz (Baumkauz, Brand-, Katzeneule, Syrnium aluco Boie, s. Tafel), bis 48 cm lang, 100 cm breit, tief grau oder leicht rostbraun, auf dem Flügel licht gezeichnet, am Bauch mit sägeartigen Strichen; der Schnabel ist bleigrau, das Auge dunkelbraun. Er bewohnt Mitteleuropa, Nordasien, lebt in Wäldern, verbirgt sich im Winter am Tag, wohnt auch gern in Gebäuden und Baumhöhlungen, ist äußerst lichtscheu, jagt fast ausschließlich Mäuse und frißt viele Raupen. Sein Gewölle speit er an einer bestimmten Stelle aus. Im März oder April nistet er in Baumhöhlungen, im Gemäuer, unter Dächern etc. und legt 2–3 Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 10). Kaum eine andre Eule wird vom Kleingeflügel eifriger verfolgt als der Waldkauz; in der Gefangenschaft wird er sehr zahm. Zu den Schleierkäuzen (Striginae Gray), mit ziemlich langem Hals, großem, breitem Kopf ohne Ohrbüschel, vollständigem, dreieckig-herzförmigem [907] Schleier, relativ langem, an der Spitze des Unterkiefers leicht ausgekerbtem Schnabel, kleinen Augen, sehr großen Flügeln, mittellangem Schwanz, hohen, schwachen, spärlich befiederten, unten nur mit feinen Borstenfedern bekleideten Füßen und langen, dünnen Krallen, gehört die Schleiereule (Flammen-, Turm-, Kirchen-, Klag-, Schnarcheule, Strix flammea L., s. Tafel), 32 cm lang, 90 cm breit, auf der Oberseite dunkel aschgrau, mit sehr kleinen, schwarzen und weißen Längsflecken, auf der Unterseite dunkel rostgelb, braun und weiß gefleckt; der Schleier ist rostfarben, die Schwingen sind rostfarben, auf der Innenfahne weißlich, dunkler gebändert, auf der Außenfahne dunkel gefleckt, die Schwanzfedern rostgelb, schwärzlich gebändert, an den Spitzen weißlich; das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel rötlichweiß, der Fuß schmutzig blaugrau. Sie lebt in Mittel- und Südeuropa, Kleinasien und Nordafrika in altem Gemäuer, hält sich am Tag verborgen, jagt in der Nacht auf Mäuse, Spitzmäuse, kleine Vögel, Insekten, trägt oft bedeutende Vorräte zusammen, nimmt in der Not auch Aas an, hat eine widerliche, heiser kreischende Stimme und nistet im April und Mai, aber auch noch im Oktober und November in einem passenden Winkel des Gemäuers, in Holstein in der Giebelspitze großer Scheuern, wo sie vom Landmann geschützt wird. In der Gefangenschaft wird sie sehr zahm und ergötzt durch ihre merkwürdigen Bewegungen und Grimassen.

Bei den alten Griechen, namentlich in Athen, galt die Eule als ein der Athene heiliger Vogel und demnach als Verkünderin des Glückes. Sie wurde hier stets neben dieser Schutzgöttin der Stadt abgebildet, und sowohl auf den athenischen als auf den Kolonialmünzen nahm sie ihren Platz neben dem Kopf der Pallas ein (s. Tafel „Münzen des Altertums“, Fig. 2). Wegen ihres Aufenthalts an einsamen Orten und ihres nächtlichen Umherschweifens galt sie zugleich als Symbol des tiefen, unermüdeten Studiums. Die Mythe läßt bei den Griechen die Eule aus einer Verwandlung der Nyktimene entstanden sein. Da man in Athen sehr viele E. hielt, so hieß das Sprichwort „E. nach Athen tragen“ s. v. w. etwas Unnötiges verrichten. Wegen ihres nächtlichen Treibens erhielt die Eule aber auch eine dämonische, infernale Bedeutung, sie verkündet Unheil und den Tod; verwünschte Seelen müssen in Gestalt von E. umherirren. In der christlichen Kunst ward die Eule zum Symbol der falschen Weisheit und irdischen Thorheit; ein Kreuz auf dem Kopf einer Eule bedeutet daher den Sieg des Kreuzes über die Feinde Christi. Die Stimme der E. hat zu vielen Sagen von der wilden Jagd Veranlassung gegeben. Die Nachteulen saugen den Kindern das Blut aus (die Nacht nimmt der Sonne die Farbe) oder ersticken sie (daher strix von stringere). Wegen seiner sonderbaren Gebärden ist der „närrische Kauz“ bekannt, und an das Komische reiht sich das Neckische (Eulenspiegel).

Eulen (Eulenfalter, Nachtfalter, Noctuina), Familie aus der Ordnung der Schmetterlinge, Falter von gewöhnlich kaum mittlerer Größe und trüber, meist grauer oder brauner Färbung, mit langen, dünnen, borstenförmigen, beim Männchen zuweilen gekämmten Fühlern, großen Augen, stets deutlichen Nebenaugen, stark entwickelter Rollzunge und Tastern, langen Beinen, starken Sporen an den Schienen, in der Regel glattem, anliegend behaartem Körper und mäßig großen, in der Ruhe dachförmigen Flügeln, von denen die vordern meist schmal und mit zwei deutlichen Flecken versehen sind. Sie halten sich am Tag zwischen Baumrinde, in Mauerspalten, an der Erde unter Blättern etc. versteckt und gehen bei einbrechender Nacht ihrer Blütennahrung nach. Das Weibchen setzt während des lebhaften, schwirrenden Flugs seine Eier ab, und die meist 16füßigen und nackten Raupen leben daher fast nie gesellschaftlich. Sie nähren sich meist von Kräutern und verpuppen sich unter der Erde, seltener zwischen Blättern. Die überall verbreitete Familie umfaßt bis jetzt 2500 Arten. 1. Gruppe: Spinnenartige E. (Bombycoidea), meist pelzig oder wollig behaarte, träge Falter und spinnerartige, haarige Raupen. Die Aprikoseneule (kleine Pfeilmotte, Acronycta tridens L.), 37 mm breit, mit bräunlichgrauen, schwarz gezeichneten Vorderflügeln und weißgrauen Hinterflügeln, durch deren Mitte eine verwischte dunklere Bogenlinie geht, legt im Juni, Juli ihre Eier an Obstbäume, welche von der schwarzen, mäßig dicht behaarten, gelb, weiß und rot gezeichneten, 35 mm langen Raupe bisweilen entblättert werden. Die braune Puppe überwintert in dichtem Gewebe an Baumstämmen. Der Blaukopf (Brillenvogel, Diloba coeruleocephala L.), 40 mm breit, graubraun mit drei weißgrünen, zusammenfließenden Flecken auf den Vorderflügeln und grauen, am Innenwinkel fleckig braunen Hinterflügeln, legt im Herbst seine überwinternden Eier einzeln an Obstbäume. Die Raupen befressen die Knospen und richten oft großen Schaden an; sie sind gelbgrün, blaßgelb gestreift, warzig, einzeln behaart, mit bläulichem, schwarz geflecktem Kopf, und spinnen sich im Juni an Mauern, Zäunen, Baumstämmen ein. Der Schmetterling erscheint Ende September u. später.

2. Gruppe: Eigentliche E. (Noctuae genuinae), glatt behaarte, lebhafte und scheue Falter, meist ganz nackte Raupen. Die Ackereule (Wintersaateule, Agrotis segetum Fab.), 48 mm breit, mit licht gelbbraunen, grau gefleckten Vorderflügeln und weißen, bestäubten Hinterflügeln, findet sich in ganz Europa, einem großen Teil Asiens, in Südafrika und Nordamerika, fliegt bei uns vom Mai bis November und legt ihre Eier an Pflanzenabfälle oder am Boden liegende Blätter; die kahle, erdfahle, reichlich mit Grau und etwas Grün gemischte, stark glänzende Raupe findet sich vom Juli bis April, überwintert ziemlich erwachsen, thut des Nachts auf Samenbeeten aller Art und auf den Feldern (Getreide, Ölsaaten, Rüben, Kartoffeln, Fichtensaaten) großen Schaden, hält sich am Tag an oder in der Erde verborgen (daher Erdraupe, Wurzelraupe) und verpuppt sich im April in einem zerfallenden Erdkokon. Neben diesen werden noch mehrere andre Ackereulen den Saaten in ähnlicher Weise verderblich, indem sie nicht die feinen Wurzeln fressen, sondern die jungen Pflanzen über der Wurzel teils von unten, teils von oben angreifen und in Rüben u. Kartoffeln Löcher, wie der Engerling, machen. Die Hausmutter (Sauerampfereule, Triphaena pronuba L.), 60 mm breit, auf den Vorderflügeln graubraun, lichtgrau gefleckt, mit hellgrauer innerer Makel, auf den Hinterflügeln orangegelb mit schwarzbrauner Randbinde, fliegt im Juni, Juli, sitzt oft in Häusern verborgen, legt ihre Eier an Sauerampfer, Salat, Aurikeln, Veilchen, Levkojen, Kohl. Die oberseits graubraune, unterseits hellere, mit hellern und dunklern Linien gezeichnete Raupe richtet besonders in Gemüsegärten und an Aurikeln Schaden an und verpuppt sich im Mai in einem zerbrechlichen Kokon in der Erde. Die Kohleule (Herzwurm, Mamestra brassicae L.), 40 mm breit, mit dunkelbraunen, gelb und schwarz gescheckten Vorderflügeln und weißlichem Nierenfleck auf denselben, gelblich [908] graubraunen Hinterflügeln mit hellem Wisch vor dem Innenwinkel, starkem, doppeltem Kamm auf dem Mittelrücken und krallenartigem Dorn am Ende der Vorderschienen, findet sich im Mai und dann Ende Juli und August und legt ihre Eier an Kohlarten, Salat, Küchengewächse; die Raupe ist grün oder braungrün mit dunklerm Rückenstreif, verwüstet im September und Oktober die Kohlköpfe, frißt sich bis ins Herz derselben ein und geht auch Georginen an. Die Puppe der zweiten Generation überwintert in der Erde. Die Queckeneule (Hadena basilinea Wiener Verz., s. Tafel „Schmetterlinge II“), 40 mm breit, auf den Vorderflügeln rostbraun, mit großem Ring- und Nierenfleck und einem aus der Mitte der Flügelwurzel entspringenden schwarzen Strahl sowie glänzend gelbbraunen, saumwärts und auf den Rippen dunklern Hinterflügeln, am Vorder- und Hinterrand des Mittelrückens mit zwei geteilten Schöpfen, legt Ende Mai und Juni ihre Eier an Gräser und wird bisweilen dem Roggen und Weizen verderblich, indem sich die jungen Raupen in die noch weichen Körner einfressen und die erwachsenen, überwinternden noch in der Scheune die Körner zerstören. Die Raupe ist graubraun, wenig glänzend, auf dem Rücken weiß gezeichnet, mit rotbraunem Nackenschild und roter Afterklappe, und verpuppt sich im Mai. Die Graseule (Charaeas graminis L.), 32 mm breit, mit olivengrünlichen, sehr veränderlich gezeichneten Vorder- und gelblichgrauen, nach der Wurzel hin hellern Hinterflügeln, legt im Juli, August ihre Eier an den Grund der Grasstengel oder Blätter. Die glänzend graubraune Raupe verwüstet die Wiesen besonders in Nordamerika und Skandinavien, aber auch in Norddeutschland, überwintert, setzt im Frühjahr ihr Zerstörungswerk fort und verpuppt sich im Juni flach unter der Erde. Die Raupe der Leucania ertranea Ochsenh. (amerikanischer Heerwurm) verheert in Nordamerika Wiesen und wandert, wenn diese kahl gefressen, in dicht gedrängten Scharen, oft in drei Schichten übereinander, auch auf Roggen-, Mais- und Sorghumfelder. Die Eule setzt ihre Eier im Juni und Juli an Grashalme, und man brennt deshalb im Spätherbst die trocknen Grasstoppeln ab, um die überwinternden Eier zu zerstören. Die Kieferneule (Forleule, Trachea piniperda Esp., s. Tafel „Schmetterlinge II“), 37 mm breit, mit porphyrrotem Kopf, Thorax und Vorderflügeln, sehr bunt und veränderlich, zuweilen blässer bis grünlichgrau, mit weißlichen Makeln, am Hinterrand gelblich, mit dunkelbraunem Hinterleib und Hinterflügeln, fliegt vom März bis Mai und legt ihre Eier an Kiefernadeln. Die schlanke, grüne, weiß und orange gestreifte Raupe findet sich im Juni und Juli in Kieferbeständen, greift den Maitrieb an, bohrt sich auch tief in denselben hinein, spinnt in der Jugend mehrere Nadeln zusammen und frißt die Nadeln von der Spitze bis zur Scheide oder diese auch mit. Sie verpuppt sich im Juli unter Moos, Streu oder in der Erde ohne Gespinst. Die Puppe überwintert. Die Kieferneule hat wiederholt bedeutende Verheerungen angerichtet.

3. Gruppe: Spannerartige E. (Noctuae geometriformes), Falter mit breiten, großen Flügeln, Raupen mit verkümmerten vordern Bauchfüßen. Die Feldulmeneule (Cosmia diffinis Ochsenh., s. Tafel „Schmetterlinge II“), 25 mm breit, mit zwei großen, weißen Flecken am gelbgrauen Vorderrand, welche in zwei Querlinien auslaufen, von denen die hintere stark gebrochen ist. Die gelbgrüne, weiß liniierte Raupe, mit schwarzbraunem Kopf und braunem Nackenschild, lebt auf Rüstern. Die Ypsiloneule (Gamma, Pistolenvogel, Plusia gamma L.), 42 mm breit, mit graubraunen, dunkel marmorierten, metallisch schimmernden Vorderflügeln, auf denen ein silber- oder messingfarbenes γ oder y, hellbraunen, an der Saumhälfte bindenartig dunklern Hinterflügeln, auf dem Thorax mit zierlichem Schopf und auf dem Hinterleib mit aufgerichteten, dunklern Haarbüscheln, findet sich in Europa, Asien bis Japan, in Nordafrika, Grönland, Nordamerika, fliegt zu jeder Tageszeit vom Frühling bis Herbst und legt ihre Eier an alle krautigen Pflanzen (nicht an Gräser). Die grüne, weiß und gelb gestreifte, schwach borstenhaarige Raupe frißt auch am Tag, richtet bisweilen an Flachs, Hanf, Raps, Kohl, Erbsen und Zuckerrüben Schaden an und überwintert und verpuppt sich in einem losen, wolligen Gespinst an irgend einer Pflanze. Bisweilen überwintert auch der Schmetterling, und im Jahr scheinen drei Generationen vorzukommen. Über die Gattung Catocala Ochsenh. s. Ordensband. Als Gegenmittel bei Verwüstungen durch Eulenraupen bleibt nichts übrig als Beachtung der Lebensweise der Tiere, Absuchen besonders mit der Laterne und Benutzung des Umstandes, daß sich manche gern herabfallen lassen, sobald sie gestört werden. Schlupfwespen stellen den meisten stark nach; auch werden sie von Vögeln und Insektenlarven angegriffen. Vgl. Guenée, Species général des lépidoptères, Bd. 5–7 (Par. 1852).