MKL1888:Fahrende Leute
[1019] Fahrende Leute, im Mittelalter die einzeln oder in Banden umherwandernden Gaukler, Taschenspieler, Erzähler, Sänger, Spielleute, Mimen und andre Lustigmacher, welche, zum Teil hervorgegangen aus den römischen Gauklern, Fechtern und Mimen, sich durch einheimische Elemente ähnlicher Art rekrutierten und allmählich die in der alten germanischen Welt vorhanden gewesenen Volkssänger und Harfenspieler, welche stets eine höhere und achtbarere Stellung eingenommen hatten, aufsogen. Ganz besonders übten die fahrenden Leute Instrumentalmusik mit Harfen, Fiedeln und allerlei Blasinstrumenten und führten Puppenspiele auf. Nach den Kreuzzügen erhielten sie großen Zulauf aus fahrenden Priestern, Nonnen, Beghinen, fahrenden Schülern, wie sich ihnen auch Zigeuner, Söldner und Landsknechte anschlossen. Obgleich als Verbreiter von Dichtungen, Sagen, Neuigkeiten, Schauspielen überall beliebt, war doch der größte Teil der fahrenden Leute tief verachtet. Gesetz und Kirche stießen sie aus, sie waren rechtlos, und die kirchlichen Sakramente blieben ihnen vorenthalten. Gleich den Knechten, durften sie nicht die Tracht des freien Mannes anlegen. Die Folge war, daß die Fahrenden unter sich eigentümliche, zum Teil ergötzliche Formen und Vereinbarungen einführten, und so entstanden das „Königtum der fahrenden Leute im Elsaß“, das „Pfeifferrecht zu Rappoltstein“ etc. Im 14. und 15. Jahrh. waren sie etwas günstiger gestellt, seit der Reformation aber beschränkten polizeiliche Maßregeln ihre Ungebundenheit und Zahl. Während des Dreißigjährigen Kriegs und später erhielten sie dann neuen Zuwachs durch Alchimisten, Geisterbeschwörer, Schatzgräber, Bärenführer und Komödianten, die namentlich aus Italien zuströmten. Ein Nachklang existiert noch heute in den Orgeldrehern und den herumziehenden Kunstreitern, Seiltänzern und Schauspielergesellschaften.