MKL1888:Feldeisenbahnen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Feldeisenbahnen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 109111
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Feldeisenbahnen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 109–111. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Feldeisenbahnen (Version vom 11.09.2022)

[109] Feldeisenbahnen (transportable Eisenbahnen, fliegende Bahnen), Eisenbahngeleise mit Fahrpark von geringen Abmessungen und derartiger Konstruktion, daß ein Verlegen der Bahn ohne Benutzung eines Unterbaues leicht ausführbar ist. Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, das Geleise an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zwecken entsprechend den zeitweilig zu bewältigenden Transportarbeiten zu verwerten und so die für die Rentabilität der Anlagen notwendigen Jahresleistungen zu erzielen. Vorwiegend bedarf die Landwirtschaft derartiger F., da hier die Arbeiten oft an verschiedenen Stellen auszuführen sind, wie z. B. die Abfuhr der Rüben oder andrer Ernteprodukte vom Felde, der Transport des Düngers, Erdbewegungen, Mergelungen etc. Die Spurweite der F. beträgt gewöhnlich 0,4 oder 0,5 m, das Gewicht der einzelnen, durch Querverbindungen zu leiterartigen Jochen zusammengesetzten Teile in der ursprünglichen (Decauvilleschen) Anordnung bei 5 m Länge derselben etwa 45 kg, so daß ein Arbeiter im stande [110] ist, ein solches Joch zu verlegen. Die Verbindung der aneinander stoßenden Joche erfolgt durch Laschen, welche an einem der beiden Stoßenden angenietet sind und ein Hineinstecken des entsprechenden Endes des anschließenden Joches gestatten. Auch die Kurven, Weichen, Drehscheiben, Wegübergänge etc. sind

Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 1 und 2. Plattformwagen mit Körben.

leicht transportabel und können an beliebiger Stelle in dem Geleise eingeschaltet werden. Vier Arbeiter sind im stande, einen Schienenstrang von 240 m Länge in der Zeit von einer Stunde aufzuheben und auf 30 m Entfernung wieder betriebsfähig zu legen. Charakteristisch für diese F. ist überdies, daß die zu transportierende Last in einzelnen Partien von 300 bis höchstens 400 kg Gewicht in je einem Fahrzeug untergebracht wird. Dies gestattet die Anwendung sehr schwacher Schienen, welche auch bei mangelhaftem Auflager auf dem Boden nicht durchbiegen können, da eine Überlastung nicht eintritt. Bleiben

Fig. 3. Fig. 4.
Fig. 3 und 4. Kippwagen.

die Stränge dauernd auf derselben Strecke liegen, so sorgt man vorteilhaft für eine Unterbettung mittels Schwellen, für welche in den Traversen der Schienenjoche die Löcher angebracht sind. Bei den Wagen sind entweder, wie bei den Landfuhrwerken, die Achsen im Gestell befestigt, und die Räder drehen sich lose um die Schenkel der Achsen, oder die Fahrzeuge sind nach Art der gewöhnlichen Eisenbahnfahrzeuge konstruiert, also mit Achsbüchsen und Rädern, welch letztere mit den Achsen rotieren. Erstere Methode, für geringe Lasten geeignet, gestattet das Befahren sehr scharfer Kurven, da hierbei jedes Rad die dem zurückgelegten Weg entsprechende Geschwindigkeit annimmt; ein Nachteil dieser Anordnung ist jedoch, daß die Räder im Lauf der Zeit schlotterig werden, so daß ein Ausbüchsen der Naben, bez. eine Erneuerung notwendig wird. Für stärkere Belastungen findet aus diesem Grund stets das freilich kostspieligere System mit Achsbüchsen Verwendung. Vorwiegend kommen für den Transport landwirtschaftlicher Produkte Plattformwagen mit aufgesetzten, leicht abnehmbaren Körben (Fig. 1 u. 2) oder Kippwagen (Fig. 3 u. 4) in Anwendung. Die Tragkörbe empfehlen sich namentlich für den Rübentransport; sie werden mit zwei entsprechend langen Handgriffen versehen, so daß sie an der Aufladestelle gefüllt und von zwei Arbeitern auf die Plattform des Wagens gesetzt werden können. Ein derartiger, aus flachem Eisen (Bandeisen) gebildeter Korb faßt 120–150 kg Rüben. Mittels dieser Gattung von Wagen können von vier Arbeitern und einem von einem Jungen geführten Pferd in zehn Stunden mindestens 40,000 kg Rüben von einem 300 m langen Feld weggeschafft werden. Die Kippwagen können in der Regel nach beiden Seiten entleert werden.

Die bisher mit den transportabeln Eisenbahnen im Landwirtschaftsbetrieb erzielten Resultate können als äußerst günstige bezeichnet werden; namentlich haben dieselben bei der Abfuhr der Rüben, dieser so schwierigen u. kostspieligen Transportarbeit, derartige Erfolge geliefert, daß die allgemeine Einführung der F. in Rübenwirtschaften nur eine Frage der Zeit ist.

Seitdem der Wert der Decauvilleschen Bahnen allgemein anerkannt worden ist, beschäftigt sich eine größere Anzahl von Konstrukteuren mit der Ausführung [111] und Verbesserung dieser Bahnen: in Deutschland z. B. Gebr. Kappe in Alfeld, Orenstein u. Koppel, P. Dietrich, Fr. Hofmann in Berlin, Spalding in Jahnkow (Pommern), welch letzterer mit gutem Erfolg kürzere Joche, als dies sonst üblich war, einführte; in Österreich Bernuth u. Sasse in Wien, Martinka in Prag. Alle genannten Verfertiger haben mehr oder weniger erhebliche Verbesserungen an dem ursprünglich Decauvilleschen System angebracht, das Prinzip desselben ist jedoch bislang ausnahmslos beibehalten worden. Über F. für Kriegszwecke s. Militäreisenbahnwesen.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 315316
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[315] Feldeisenbahnen. Die Verwendung der transportabeln Bahnen nach dem System von Decauville hat in neuerer Zeit außerordentlich zugenommen, und dieselben sind auch erheblich verbessert worden. Man paßte die Bahnen den verschiedenen Transportaufgaben möglichst vollkommen an, sowohl durch zweckmäßige Anordnung der Geleise als auch der Fahrzeuge. Bei einer Bahn für landwirtschaftliche Zwecke, z. B. zum Abbringen der Früchte vom Feld, zum Transportieren des Düngers auf die Ackerflächen, sind naturgemäß die Anforderungen andre als bei Waldbahnen, bei Bahnen für militärische Zwecke, für Moorkulturen, wo vielfach die Besandung der Moorflächen mit Hilfe des Bahntransports erfolgt. Diesen mannigfachen Zwecken entsprechend, sind die F., namentlich durch deutsche Fabrikanten, vervollkommt worden, freilich immer mit Beibehaltung des Decauvilleschen Prinzips.

Zunächst hat man erkannt, daß ein dauernd an der nämlichen Stelle verbleibendes Geleise nach andern Bedingungen angeordnet sein muß als ein leicht verlegbares (fliegendes) Geleise, welches mittels einer Weiche von dem erstern abzweigt und nach Maßgabe des Fortschreitens der Arbeiten weiter verlegt wird. Für dieses ist leichte Transportabilität und eine gute Anschmiegbarkeit an den Boden wesentliche Bedingung, da die Herstellung eines Planums wie überhaupt die Vorbereitung der Bodenoberfläche zur Aufnahme des Geleises und ein Unterstopfen bei hohler Auflage in der Regel unthunlich erscheint. Das Stammgeleise kann dagegen zumeist solider gelegt werden, wobei auch geringe Erdbewegungen nicht ausgeschlossen sind. Da ein Lösen der Jochverbindung nur nach Beendigung der gesamten Arbeit stattfindet, so können für diese Laschenverschraubungen wie bei den Bahnen des öffentlichen Verkehrs in Verwendung gebracht werden. Während Decauville für leicht verlegbare Geleise eine Spurweite von 0,4 m in Anwendung brachte, hat die Erfahrung allgemein zu gunsten einer Spur von 0,6 m entschieden, und bereits ist mehrfach angeregt worden, diese als Normalspur der F. zu erklären. Es würde dies den Vorteil gewähren, daß man das rollende Material je nach Bedarf von verschiedenen Besitzern von F. entleihen, daß man dasselbe nach dem Gebrauch leichter veräußern könnte, und daß die Fabrikanten besser im stande wären, die Bahnen mit den Fahrzeugen im Vorrat zu bauen. Eine geringere Spurweite als 0,6 m ist aus dem Grund nicht zweckmäßig, weil bei einer solchen die Kippwagen beim Entleeren leicht vollständig umkippen. Die Schienen der F. werden in neuerer Zeit fast allgemein aus Bessemerstahl gefertigt; als zweckmäßigstes Profil hat sich das bei den Bahnen des öffentlichen Verkehrs allgemein angewendete Vignolesprofil bewährt. Für stärkere Belastungen, z. B. für den Erdtransport mit Fahrzeugen von 0,5 cbm Fassungsraum, hat sich ein Schienenprofil von 65 mm Höhe, 27 mm Kopfbreite, 6 mm Steg- und 50 mm Fußbreite als zweckmäßig erwiesen. Das Gewicht dieser Schiene beträgt 6,8–7 kg pro laufendes Meter. Die Länge der Schienenjoche war anfänglich stets 5 m, eine Abmessung, welche sich für Stammgeleise als zweckmäßig bewährt hat. Je geringer bei diesen die Anzahl der Schienenstöße und je solider die Verlaschung gewählt wird, desto geeigneter ist die Bahn in Hinsicht auf möglichst geringe Widerstände. Bei den leicht verlegbaren Geleisen dagegen, welche oft auf unsicherer Unterlage schnell gelegt werden müssen, ist vor allem eine thunlichste Anschmiegung an das Terrain und bequeme, leichte Handhabung erforderlich. Die deutschen Fabrikanten (Dolberg, Orenstein u. Koppel, der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation) benutzen deshalb für die leicht verlegbaren Geleise kurze Schienenjoche von 2 m, zuweilen auch von 1,5 m Länge, welche sich ähnlich wie eine Kette den Unebenheiten des Bodens anschmiegen, und die Erfahrung hat bestätigt, daß hiermit ein wesentlicher Fortschritt in der Ausbildung derselben angebahnt wurde.

Die Weichen werden in der verschiedensten Art angeordnet; neu hinzugekommen ist die sogen. Kletterweiche, welche, beiderseits mit sich abflachenden Zungen versehen, über das Stammgeleise, von welchem ein fliegendes Geleise abzweigen soll, in einer Kurve gelegt wird, so daß der Anschluß sowohl an dem Hauptgeleise als auch an dem abzweigenden Geleise erzielt wird. Diese Gattung von Weichen ist namentlich von Wert, wenn von einem fertig liegenden Geleise die Wagen zeitweilig in ein öfters zu verlegendes Geleise übergeführt werden sollen. Zu berücksichtigen ist, daß die Kletterweichen in der Regel den Hauptstrang versperren; nur in der Anordnung von Dolberg ist durch ein bewegliches Herzstück und bewegliche Zungen die Einrichtung getroffen, daß das Hauptgeleise frei bleibt.

In Hinsicht auf die Fahrzeuge herrscht eine sehr große Mannigfaltigkeit; für den Transport von Rüben, Kartoffeln sowie von Erde werden jedoch allgemein Muldenkippwagen verwendet. Die Räder werden vielfach derartig auf der Achse aufgezogen, daß eins derselben fest, das andre lose sitzt, während die Achse in Achslagern drehbar ist. In dieser Anordnung wird ein glattes Durchlaufen selbst sehr starker Krümmungen ermöglicht. Während man früher bei den F. wie bei den Normalbahnen nur einflantschige Räder verwendete, werden derzeit zumeist, auch bei den forstlichen Bahnen, doppelflantschige Räder bevorzugt. Die Anordnung muß aber stets derartig getroffen sein, daß nur die Innenflantschen an dem Schienenkopf reiben, während die Außenflantschen lediglich die Aufgabe haben, Spurenerweiterungen und Entgleisungen zu verhindern. In diesem Fall wird durch zweiflantschige Räder keine erheblich größere Reibung als durch einflantschige verursacht. Selbstverständlich bedingen die erstern die ausschließliche Verwendung von Schleppweichen, da Zungenweichen nur für Fahrzeuge mit einflantschigen Rädern passierbar sind.

Als zuverlässige Leistung der F. beim Transport [316] von Erde, also z. B. bei der Herstellung von Moordämmen, kann angenommen werden, daß zwei neben dem Geleise gehende Pferde auf horizontaler Strecke 8–9 Wagen mit je 0,5 cbm Erde ohne übermäßige Anstrengung ziehen. Da das Gewicht eines solchen mit starkem Haufen beladenen Wagens einschließlich dessen Eigengewichts 1125 kg beträgt, so fördern zwei Pferde in jedem Zug bei horizontaler Bahn rund 10,000 kg. Die Zahl der für eine bestimmte Transportarbeit in Verwendung zu bringenden Züge, bez. Wagen richtet sich im wesentlichen nach der Transportweite und der zum Laden erforderlichen Zeit. Ist der Weg, welchen der Zug zurückzulegen hat, so lang, daß der zweite Zug eher beladen und zur Abfahrt bereit ist, bevor der erste wieder an der Beladestelle anlangt, so würden die Arbeiter hier unthätig warten müssen. In diesem Fall muß ein dritter und selbst ein vierter Zug in Verwendung gebracht werden. Bei drei in Betrieb befindlichen Zügen wird in der Mitte der Strecke eine vollständige Ausweichung angelegt, so daß sich zwei Züge, ein beladener und ein leerer, begegnen können, während der dritte Zug beladen wird. Ein Hindernis für die Verbreitung der F. ist der immer noch hohe Preis derselben, wenigstens bei der so notwendigen kräftigen Ausführung, welche allein eine geringe Abnutzung und möglichst lange Dauer gewährleistet. In runder Summe kann angenommen werden, daß der gesamte Apparat für eine Transportweite von 400 m mit zwei Zügen à 9 bis 10 Wagen und allem Zubehör 5000 Mk., für eine Transportweite von 1200 m mit 3 Zügen à 9–10 Wagen 8500 Mk. kostet.