MKL1888:Ferienkolonien

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ferienkolonien“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 145
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Ferienkolonien. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 145. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ferienkolonien (Version vom 29.06.2021)

[145] Ferienkolonien, wohlthätige Veranstaltungen, um schwächlichen Schulkindern bedürftiger Eltern, besonders aus größern Städten, während der schulfreien Sommerwochen einen zuträglichen Landaufenthalt zu gewähren. Die erste Anregung dazu gab der Züricher Pfarrer Bion, der 1876 eine Anzahl ärmerer Stadtkinder mit dem besten Erfolg bei seiner frühern Gemeinde in einem Appenzeller Waldthal unterbrachte. In Deutschland folgte bald eine Reihe ähnlicher Versuche in Basel, Frankfurt, Berlin, Leipzig, Breslau etc., und in wenigen Jahren hat sich die vom christlich-humanen wie vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus gleich empfehlenswerte Einrichtung der F. fast über die ganze gebildete Welt verbreitet. Im Mai 1880 regte der preußische Minister Falk alle ihm unterstellten Schulbehörden zur Förderung der Sache an, und im November 1881 trat unter seinem Vorsitz ein deutscher Verein für F. in Berlin zusammen. Heute wird kaum eine größere Stadt in Deutschland sein, die nicht eine Anzahl dessen bedürftiger Kinder ausschickte. Mit erheblich größern Mitteln und in erheblich weiterm Umfang geschieht dies in England und Nordamerika (New York 10,000 Kinder jährlich), wogegen dort aber auch der Gesichtspunkt der Einfachheit oft aus den Augen gesetzt wird, den man mit Recht bei uns betont. Die deutschen F. gehen wohl alle aus freier Vereinsthätigkeit hervor, die aber auf freiwillige Mitthätigkeit der Lehrer und Lehrerinnen angewiesen ist. Sie nehmen die Anmeldungen entgegen und bringen die, welche dazu geeignet erscheinen, an den hierfür bestellten Ausschuß. Dieser besorgt mit ärztlichem Beirat die endgültige Auswahl und überwacht und vervollständigt die nötige Ausrüstung der Kleinen. Dann ziehen diese in Rotten von 12–20 unter je einem Lehrer oder einer Lehrerin in ihr Sommerquartier, das kein Badeort sein und womöglich nicht mehrere Rotten aufnehmen soll. Die Lebensweise sei gesund ohne Verweichlichung, die Ernährung gut, reichlich, aber ohne Verwöhnung. Die heimkehrenden Kinder werden wiederum ärztlich untersucht, gewogen etc., wobei sich meist sehr günstige Ergebnisse zeigen. Für eigentlich kranke oder nach einer bestimmten Richtung hin kränkliche Kinder sind in ähnlicher Weise neuerdings an Badeorten, an der See etc. Kinderheilstätten (s. d.) errichtet worden.