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MKL1888:Festungsrayon

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Festungsrayon“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Festungsrayon“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 6 (1887), Seite 193194
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Festungsrayon. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 193–194. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Festungsrayon (Version vom 17.10.2022)

[193] Festungsrayon, die bis zu gewissen Grenzen reichende nächste Umgebung permanenter Befestigungen, innerhalb deren die Benutzung des Grundeigentums gesetzlichen Beschränkungen unterliegt. Diese finden darin ihre Begründung, daß die bestmögliche Schußwirkung der Feuerwaffen des Verteidigers durch Terrainbedeckungen nicht beeinträchtigt und der Belagerer in seinen Angriffsunternehmungen durch diese nicht begünstigt werden darf. Für das Deutsche Reich sind diese Beschränkungen durch das „Rayongesetz“ (Gesetz, betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen) vom 21. Dez. 1871[WS 1] normiert und zur Feststellung derselben drei Rayons bestimmt. Der erste reicht von den ausspringenden Winkeln des gedeckten Wegs bis auf 600 m, der zweite 375 m und der dritte noch 1275 m weiter hinaus, so daß der F. eine Gesamtbreite von 2250 m hat. Detachierte Forts haben keinen zweiten Rayon, bei ihnen unterliegt das Terrain von der Grenze des ersten Rayons auf 1650 m weiter den Beschränkungen des dritten Rayons. Im gesamten F. dürfen Sand- und Lehmgruben, Kalk- und Steinbrüche, Dämme, Gräben, Ent- und Bewässerungsanlagen, Chausseen, Wege, Eisenbahnen, Baumschulen, Waldungen, Kirch- und Glockentürme nicht ohne Genehmigung der Kommandantur angelegt werden. Im zweiten F. sind Massivkonstruktionen von Mauerwerk mehr als 30 cm über und in Gewölbebauten in der Erde unzulässig, Häuser und Kellereien dürfen in Holz- oder leicht zerstörbarer Eisenkonstruktion mit [194] Fachwerksausmauerung 13 m hoch erbaut, Beerdigungsplätze angelegt werden, Grabhügel und Denkmäler aber nur 50 cm Höhe erhalten; massive Dampfschornsteine bis 20 m Höhe sind erlaubt. Im ersten Rayon ist dasselbe unzulässig, wie im zweiten; Gebäude dürfen nur aus Holz oder leicht zerstörbarer Eisenkonstruktion, ohne Keller bis 7 m hoch, mit Holz-, Pappen-, Zink- oder Schieferdach erbaut werden. Hölzerne Windmühlen, mindestens 300 m vor der Festung, Beerdigungsplätze sind wie im zweiten F. gestattet, lebendige Hecken unzulässig. Alle dauernden und vorübergehenden Veränderungen der Erdoberfläche oder vorhandener Anlagen bedürfen der vorherigen Genehmigung oder doch der Anzeige an die Kommandantur. Gesuche mit zwei Exemplaren der Bauzeichnungen sind an die Ortspolizeibehörde zu richten. Gegen die Entscheidung der Kommandantur ist binnen vier Wochen Rekurs zulässig, Entscheidung erfolgt endgültig durch die Reichs-Rayonkommission, eine durch den Kaiser zu berufende ständige Militärkommission, in der alle Staaten, in deren Gebieten Festungen liegen, vertreten sind. Dieselbe hat auch über alle größern Anlagen, wie die von Eisenbahnen, Chausseen, Deichen etc., deren Projekte von einer gemachten Kommission aus Mitgliedern aller beteiligten Verwaltungsbehörden zu beraten sind, sowie über die Bebauungspläne im dritten F. Entscheidung zu treffen. Die Kommandanturen, deren Organe die Fortifikationsbehörden sind, sowie Ortspolizeibehörden sind behufs Kontrolle befugt, Zutritt zu allen Privatgrundstücken im F. zu verlangen.

Für die Beschränkungen in der Benutzung des Grundeigentums wird bei Neuanlage von Festungen oder Erweiterung bestehender Befestigungen nach Maßgabe der Verminderung des Benutzungswertes Entschädigung in Form von Renten auf die Zeit von 37 Jahren gewährt, wenn die Wertverminderung ein Drittel des bisherigen Wertes nicht erreicht, darüber hinaus nach Wahl des Besitzers in Rente oder Kapital. Festungsrayonsteine müssen ohne Entschädigung geduldet werden. Bei der Armierung einer Festung findet die kommissarische Abschätzung der zu beseitigenden baulichen Anlagen, Pflanzungen etc. und daraufhin die Entschädigungsermittelung nach Aufhebung des Armierungszustandes statt; das Reich verzinst die zu gewährende Entschädigung von der Zeit der Zerstörung oder Entziehung der Benutzung ab mit jährlich 5 Proz.

Anmerkungen (Wikisource)