MKL1888:Fingersatz

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fingersatz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 272
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Fingersatz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 272. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fingersatz (Version vom 30.06.2021)

[272] Fingersatz (Applikatur, franz. Doigter, engl. Fingering), die kunstgerechte Anwendung oder Ansetzung der Finger bei allen Instrumenten, auf denen die verschiedenen Töne durch Griffe hervorgebracht werden. Am einfachsten ist der F. bei den Blechblasinstrumenten, welche so wenig Claves (Pistons, Cylinder etc.) haben, daß die Finger einer Hand zu deren Behandlung ausreichen, ohne daß sie ihren Platz zu verlassen brauchen. Schwieriger ist der F. der Holzblasinstrumente, bei denen die Zahl der Tonlöcher und Klappen die der Finger beider Hände übersteigt, so daß demselben Finger verschiedene Funktionen zufallen und unter Umständen dieselben Klappen durch verschiedene Finger regiert werden müssen. Am kompliziertesten ist aber der F. bei den Klavierinstrumenten (Klavier, Orgel, Harmonium etc.); hier hat er eine förmliche Geschichte und eine umfangreiche Litteratur, ja eigentlich ist jede Pianoforteschule zur Hälfte eine Schule des Fingersatzes. Das ältere Spiel (vor Bach) schloß den Daumen und kleinen Finger fast gänzlich aus; die folgende Periode, bis in die ersten Dezennien dieses Jahrhunderts reichend, beschränkte die beiden kurzen Finger für gewöhnlich auf die Untertasten; die jüngste Phase (Liszt-Tausig-Bülow) ignoriert die Unebenheiten der Klaviatur (Ober- und Untertasten) ganz und hebt alle Beschränkungen des Gebrauchs der kurzen Finger auf. Doch sind solche freie Anschauungen nur für den Virtuosen fruchtbar; der minder entwickelte Spieler wird eine Erleichterung darin finden, die Obertasten zu respektieren und den Gebrauch des Daumens und kleinen Fingers für dieselben wenigstens im Tonleiterspiel zu vermeiden. Die Bezeichnung des Fingersatzes ist in England eine andre als in den übrigen Ländern, da die Engländer den Zeigefinger als ersten ansehen und den Daumen durch ein + markieren, ganz entsprechend der alten deutschen Bezeichnung, wie sie sich in Amerbachs „Orgel- oder Instrument-Tabulatur“ (1571) findet, nur daß hier der Daumen durch eine Null (0) bezeichnet ist. Vgl. Köhler, Der Klavierfingersatz (Leipz. 1862); Klauwell, Der F. des Klavierspiels (das. 1885).