MKL1888:Flöße

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Flöße“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 393
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Flöße. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 393. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fl%C3%B6%C3%9Fe (Version vom 12.02.2023)

[393] Flöße, eine Art platter Fahrzeuge, bestehend aus einer Anzahl nebeneinander liegender und durch Pflöcke, Weidenbänder, Quer- oder Bindehölzer verbundener Holzstämme, welche zugleich das thalwärts zu transportierende Frachtgut (Flößholz) bilden. Die F. sind auch die ältesten Wasserfahrzeuge und werden schon von den Alten häufig erwähnt. In mittlern und kleinern Flüssen sowie in eigens zum Flößen erbauten Gräben oder Kanälen (Flößgraben, Flößkanäle) wird Scheitholz meistens einzeln ins Wasser geworfen, während es in großen Flüssen und Strömen teils auf Langholzflößen, teils in Kähnen oder kleinen Booten an Ort und Stelle gebracht wird. Zur Schonung der Wehre sind Flößgassen (Flößstraßen) vorhanden, welche aus zwei Wänden von Balkenholz bestehen, die auf dem Wehr errichtet werden, und zwischen welchen der Boden des Wehrs mit Pfosten schräg ausgelegt wird, so daß auf dieser schiefen Fläche das Holz allmählich herabgleitet, oder man versieht die Wehre mit Floßdurchlässen, welche nur zum Passieren der F. geöffnet werden. Flößhäfen dienen zur sichern Bergung des Holzes bei Hochwasser und Eisgang, auch zum Umbau der F. und zur bequemen Landung. Die F. von Stammholz (Langholz-, Bau- und Zimmerflöße) bezwecken hauptsächlich den Transport von Bau- oder Zimmerholz, Dielen, Brettern, Latten etc. Die Balken werden der Länge nach nebeneinander gelegt und mittels zäher Ruten (Flößweiden) an einem Querbalken (Flößband) befestigt. Derartige F. haben Ruder, nicht selten sogar Steuerruder, Beihütten etc. und werden unter Oberaufsicht des Eigentümers (Flößherrn) von Flößern und Flößknechten geführt. Der Holztransport vermittelst der F. ist in Deutschland am stärksten auf dem Rhein, der Weser, der Elbe, Oder und Weichsel. Der Schwarzwald, Spessart, das Fichtelgebirge, der Hunsrücken etc. liefern hierzu das Holz, welches in kleinern Flößen auf der Murg, Enz, Kinzig, dem Main, Neckar, der Mosel etc. dem Rhein zugeführt wird. Hauptgegenstand der Rheinflöße ist das sogen. Holländer Holz, welches aus zum Schiffbau tauglichen Tannen- und Eichenstämmen besteht, in kleinen Flößen in den Rhein geht und in der Nähe von Mannheim, Kastel, Andernach, Koblenz zu großen (Holländer) Flößen zusammengefügt wird. Ein solches Floß war früher bis 280 m lang und enthielt 500,000 Kubikfuß; es hatte oft gegen 900 Ruderknechte und Arbeiter und betrug im Wert 5–700,000 Mk. Für die Weserflöße liefern Thüringen, der Sollinger Wald und der Harz das meiste Holz. Vom Harz kommt das Holz auf der Ocker und Aller in die Weser. Auch die Donau (bis Wien und Pest), der Pruth und Dnjepr haben starke Flößerei, doch zeigt sich fast überall eine starke Abnahme dieser Industrie.

Die Flößerei wurde in frühern Zeiten gewöhnlich als ein Vorrecht der Landesregierung angesehen (Flößregal) und daher von dieser nur gegen eine bestimmte Abgabe gestattet. Dies galt namentlich von dem Flößen mit verbundenen Balken (jus ratium), welches nur auf öffentlichen Flüssen ausgeübt wird. Das Flößen mit ungebundenen Hölzern (jus grutiae) kommt dagegen auch auf Gewässern vor, welche im Eigentum von Privatpersonen stehen; doch steht auch hier dem Staat vermöge des sogen. Wasserregals ein Oberaufsichtsrecht zu. Nach preußischem Recht kann der Staat den Eigentümer eines Privatflusses nötigen, das Holzflößen auf diesem zu gestatten, muß aber für vollständige Entschädigung des Eigentümers sorgen, wie denn überhaupt nach den meisten Expropriationsgesetzen der Staat befugt ist, ein nicht schiffbares Gewässer in ein solches umzuwandeln und also auch für die F. brauchbar zu machen, und zwar gegen volle Entschädigung der bisher Berechtigten. Nach der deutschen Reichsverfassung (Art. 4) gehört die Gesetzgebung über die Flößerei auf den mehreren Staaten gemeinschaftlichen Wasserstraßen in den Kompetenzkreis der Reichsgesetzgebung. Dazu kommen die wichtige Bestimmung (Art. 54), wonach auf schiffbaren Wasserstraßen von der Flößerei fernerhin nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, Abgaben erhoben werden dürfen, und die Bestimmungen des norddeutschen, jetzt deutschen Reichsgesetzes vom 1. Juni 1870 über die Abgaben von der Flößerei. Hiernach sollen auch auf den nicht schiffbaren, sondern nur flößbaren Strecken derjenigen natürlichen Wasserstraßen, welche mehreren Bundesstaaten gemeinschaftlich sind, von der Flößerei mit verbundenen Hölzern ebenfalls nur für die Benutzung besonderer zur Erleichterung des Verkehrs bestimmter Anstalten Abgaben erhoben werden. Daher wurde für die Flößerei auf der Saale und auf der Werra der 1. Juli 1870 und für die Flößerei auf dem Neckar der 1. März 1871 als Endtermin für die Erhebung jener nunmehr unzulässigen Abgaben festgesetzt.