MKL1888:Flugsand
[401] Flugsand, feine, etwas abgerundete Quarzkörner, welche nur einige Prozente andrer Mineraltrümmer (Feldspat, Glimmer, Kalk, Magnet- oder Titaneisenstein, auch Hornblende, Augit, Hypersthen, Basalt, Kohlenpartikelchen) beigemengt enthalten. Der F. bildet ausgedehnte Ablagerungen in allen Weltteilen, in Europa besonders in der Norddeutschen Ebene, in den dänisch-deutschen Inselebenen, in den ungarisch-österreichischen Donauebenen, den französischen Landes, den nordwestlichen Ebenen Rußlands und in eigentümlicher Bildung an den Küsten von Holland, Belgien, Norddeutschland, Dänemark, Rußland und an der französischen Westküste, wo er die Seestranddünen bildet. Seine chemische Zusammensetzung ist für den Pflanzenbau höchst ungünstig, er enthält bis 99,26 Proz. Kieselsäure und von den wichtigsten Pflanzennahrungsmitteln, wie Kali, Phosphorsäure, Kalk und Magnesia, oft nur Spuren. Dabei ist der aus dem Meer kommende Strandsand in der Regel entschieden weniger unfruchtbar als derjenige des Binnenlandes, und der ärmste F. ist der nordische, welcher durch völligen Kalkmangel alle Pflanzen ausschließt, die irgend nennenswerte Ansprüche an Kalk und Magnesia machen. Der fruchtbarste F. Europas ist der Banater Wüstensand. Charakteristisch für den F. ist seine Beweglichkeit in trocknem Zustand, durch welche er vom Wind zu Schollen und Dünen (s. d.) zusammengetrieben wird, welche im Binnenland und an der See oft eine bedeutende Höhe erreichen. Die kleinern Sandkörner folgen am leichtesten dem Wind, und daher enthalten die ausgewehten Kehlen gröbern Sand, oft selbst nur großstückige Beimischungen des Flugsandes, so daß sie durch physikalische Verhältnisse noch unfruchtbarer werden als der ursprüngliche Boden. Diese Kehlen setzen der Beweglichkeit des Flugsandes ein Ziel, und er wird um so früher zur Selbstberuhigung gelangen, je weniger tief das Sandlager ist. In Norddeutschland liegt der F. meist auf andern Sandschichten, welche durch eine daumendicke, zuweilen mehr als fußstarke Schicht von Eisensandstein (Ort, Ur, Ortstein, Knick, Eisen, Limonit) gedeckt werden. Diese Masse findet sich besonders unter Heideboden, enthält im Durchschnitt 1,37 Proz. [402] Eisenoxyd und bildet ein entschiedenes Hindernis für die Holzzucht, namentlich für die tief wurzelnde Kiefer, wenn sie nicht durch Grundwasser weich erhalten wird. Die größte Schwierigkeit, welche der F. der Kultur entgegensetzt, besteht in seiner Beweglichkeit, gegen welche die Armut an Pflanzennahrungsstoffen weit zurücktritt; jede Flugsandkultur muß also in erster Linie um die Verhinderung der Auswehung und dann um die Besserung der Bodensubstanz sich bemühen. Dies kann nur durch Pflanzenwuchs erreicht werden; derselbe muß aber zunächst durch besondere Vorkehrungen vor der Auswehung geschützt werden, bis er so weit sich entwickelt hat, um diese Funktion selbst zu übernehmen. Solche Kulturbestrebungen werden von der Natur unterstützt, die, freilich in sehr langer Zeit, auch ohne weiteres Zuthun die Flugsandstrecke mit Vegetation überzieht, falls sie nicht gestört wird. Alle Störungen durchaus fern zu halten, ist die höchste Aufgabe bei der Flugsandkultur, welche daher eines weit reichenden Schutzes bedarf. Größere Flugsandkulturen des Binnenlandes datieren erst aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts (Seeland), und frühzeitig begann man mit der Anwendung stehender Zäune (Koupierzäune, Deckzäune) von 1–1,25 m Höhe, welche der Hauptwindrichtung entgegengestellt wurden und das Terrain auf verhältnismäßig weite Strecken schützen sollten. Daß sie dies nicht vermögen, hat die Erfahrung vielfach gelehrt. Billiger und wirksamer ist liegende Bodenbedeckung mit Kieferngesträuch oder besser mit Hackreisig aus 20–30 cm langen Kiefernaststücken. Auch Wacholder, Heidestroh, Besenpfriemen, Seetang, Seegras sind mehrfach benutzt worden; doch sind alle diese Mittel, wenn auch wirksam, so doch viel zu teuer, und man beschränkt sich deshalb jetzt am Seestrand, wo es sich wesentlich um die Bildung von Schutzdünen handelt, meist auf die Pflanzung von Sandgräsern und im Binnenland auf die Deckung mit Moos-, Heide- oder Grasplaggen. Von den Sandgräsern ist Arundo arenaria und nächst diesem Elymus arenarius am besten im stande, den zugetriebenen F. aufzufangen und zu durchwachsen; sie werden netzförmig angepflanzt und für den Stranddünenbau und die Kultur der innern Stranddüne benutzt (vgl. Dünen). Das endliche Ziel der Flugsandkultur ist in den meisten Fällen Bewaldung, da der Boden zunächst für den Ackerbau zu arm ist. In Norddeutschland wird fast überall die Kiefer angepflanzt, im Banat mit großem Vorteil auch die kanadische Pappel und die Akazie (Robinie). Die Kultur des binnenländischen Flugsandes unterscheidet sich vom Stranddünenbau stets dadurch sehr wesentlich, daß sie einen Ertrag zu erzielen sucht, während jener nur auf den Schutz des Hinterlandes bedacht ist und auf Ertrag von vornherein verzichtet. Vgl. Burkhard, Säen und Pflanzen nach forstlicher Praxis (5. Aufl., Hannov. 1880); Pfeil, Die Forstwirtschaft nach rein praktischer Ansicht (6. Aufl. von Preßler, Leipz. 1870); Kerner, Aufforstung des Flugsandes im ungarischen Tiefland (in der „Österreichischen Monatsschrift für Forstwesen“ 1865); Wessely, Der europäische F. und seine Kultur (Wien 1873).