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MKL1888:Forster

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Forster“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 441442
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Forster. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 441–442. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Forster (Version vom 11.04.2021)

[441] Forster, 1) Johann Reinhold, deutscher Reisender und Naturforscher, geb. 22. Okt. 1729 zu Dirschau in Westpreußen, studierte 1748–51 zu Halle Theologie, daneben alte und neue Sprachen und wurde 1753 Prediger zu Nassenhuben bei Danzig. Hier verwandte er seine Mußestunden auf das Studium der Mathematik, Philosophie und der Natur- und Völkerkunde und bereiste im März 1765 im Auftrag der Kaiserin Katharina II. die Kolonien des Gouvernements Saratow. 1766 begab er sich mit guten Empfehlungen nach England, bekleidete hier zwei Jahre lang die Stelle eines Professors der Naturgeschichte zu Warrington in Lancashire und lebte sodann als Privatmann daselbst, bis er 1772 den Antrag erhielt, Cook auf seiner zweiten Entdeckungsreise als Naturforscher zu begleiten. Diese Reise ward von seinem Sohn Georg, nach den Tagebüchern des Vaters, ausführlich beschrieben, da sich letzterer verpflichtet hatte, nichts von dem offiziellen Bericht Gesondertes darüber drucken zu lassen; doch gab F. nachher reiche Notizen über Gegenstände der physikalischen Erdbeschreibung und Naturgeschichte, die er auf dieser Reise gesammelt hatte, unter dem Titel: „Observations made during a voyage round the world“ (Lond. 1778; deutsch von seinem Sohn, Berl. 1779–80, 2 Bde.; 2. Aufl. 1783, 3 Bde.) heraus. Die juristische Doktorwürde, welche ihm die Universität Oxford 1775 erteilte, war die einzige Belohnung, die er nach seiner Rückkehr erhielt, weil die englische Regierung den von seinem Sohn bearbeiteten Reisebericht als eine Umgehung jener Verpflichtung betrachtete, auch Bemerkungen darin fand, die ihr nicht angenehm waren. Schuldenhalber verhaftet, ward F. durch König Friedrich II. von Preußen ausgelöst und erhielt von demselben eine Anstellung als Professor der Naturgeschichte in Halle (1780), wo er 9. Dez. 1798 starb. F. sprach und verstand 17 Sprachen, darunter Koptisch und Samaritanisch; auch besaß er eine ungemeine Kenntnis der Litteratur in allen Fächern und zählt zu den ersten Forschern seiner Zeit in Botanik und Zoologie. Er schrieb außer dem Genannten unter anderm: „Introduction into mineralogy“ (Lond. 1768); „Flora Americae septentrionalis“ (das. 1771); „Liber singularis de bysso antiquorum“ (das. 1776); „Zoologiae rarioris specilegium“ (Halle 1781, 2. Aufl. 1795); „Geschichte der Entdeckungen und Schiffahrten im Norden“ (Frankf. a. O. 1784); mit seinem Sohn: „Descriptio characterum et generum plantarum, quas in itinere ad insulas maris australis 1772–75 coll.“ (Lond. 1776; deutsch von Kerner, Götting. 1776) und mit demselben und Sprengel: „Beiträge zur Völker- und Länderkunde“ (Leipz. 1781–83, 3 Bde.). Auch gab er ein „Magazin neuer Reisebeschreibungen“ (Leipz. 1790–98, 10 Bde.) heraus.

2) Johann Georg Adam, Reisender und Reiseschriftsteller, ältester Sohn des vorigen, geb. 26. Nov. 1754 zu Nassenhuben bei Danzig, folgte als elfjähriger Knabe seinem Vater nach Saratow, setzte dann in Petersburg seine Studien fort und begleitete hierauf jenen nach England. Erst 17 Jahre alt, durfte er seinen Vater als Botaniker 1772 auf der zweiten Reise Cooks begleiten. Zurückgekehrt, lebte er eine Zeitlang in Paris und Holland und erhielt hierauf in Kassel einen Lehrstuhl der Naturgeschichte an der dortigen Ritterakademie, den er sechs Jahre lang einnahm, bis er 1784 einem Ruf als Lehrer der Naturgeschichte nach Wilna folgte, worauf er sich mit Therese Heyne, der Tochter des Göttinger Professors Heyne, vermählte. Das Leben aber und die Gesellschaft in Wilna behagten ihm in keiner Weise, auch blieben die ihm gemachten glänzenden Versprechungen unerfüllt, weshalb er 1788 einen Ruf als Bibliothekar des Kurfürsten von Mainz annahm. Die Zwitterstellung Forsters als protestantisch und humanistisch Gesinnten in einem geistlichen Staat und gegenüber dem Mainzer Hofleben konnte ihn in einem gewissen kosmopolitischen Republikanismus nur bestärken. Derselbe führte ihn 1792 zum Anschluß an die Mainzer Klubbisten. 1793 nach Paris gesandt, um die Vereinigung des linken Rheinufers mit Frankreich zu erwirken, sah sich F. nach der im Sommer 1793 erfolgten Eroberung von Mainz durch die deutschen Heere heimatlos, während ihm zugleich der Anblick der Pariser Zustände seine republikanischen Ideale zerstörte. Entschlossen, nach Indien zu gehen, begann er mit Eifer das Studium der morgenländischen Sprachen, starb aber schon 11. Jan. 1794 in Paris. F. gehört zu den klassischen Schriftstellern Deutschlands; als sein Hauptwerk sind seine „Ansichten vom Niederrhein etc.“ (Berl. 1791–94, 3 Bde.; neu hrsg. von Buchner, Leipz. 1868) zu bezeichnen, in denen sich sein musterhafter Stil, seine geist- und gemütvolle Auffassung von Kunst, Litteratur, Politik und Leben am prägnantesten darlegen. Auch seine „Beschreibung einer Reise um die Welt in den Jahren 1772–75“ (nach dem Tagebuch seines Vaters bearbeitet, Berl. 1784, 3 Bde.) und seine „Kleinen Schriften, ein Beitrag zur Länder- und Völkerkunde, Naturgeschichte und Philosophie des Lebens“ (das. 1789–97, 6 Bde.) bekunden überall den scharfen Beobachter [442] von Natur- und Völkerleben. Peschel nennt F. den ersten Schriftsteller, der Sinn und Gefühl für landschaftliche Schönheiten erweckt hat, wie er auch überaus anregend auf Alex. v. Humboldt wirkte. F. verpflanzte zuerst die „Sakuntala“ des Kalidasa (nach der englischen Übersetzung von Jones) auf deutschen Boden und lieferte auch zahlreiche andre Übersetzungen. Seine Gattin Therese, welche sich später mit Forsters Freund Huber verheiratete (s. Huber 4), gab seinen „Briefwechsel, nebst Nachrichten von seinem Leben“ (Leipz. 1829, 2 Bde.) heraus; sein „Briefwechsel mit S. Th. Sömmerring“ ward später von Hettner (Braunschw. 1877) veröffentlicht. Seine „Sämtlichen Schriften“ mit einer Charakteristik Forsters von Gervinus erschienen in 9 Bänden (Leipz. 1843). „Lichtstrahlen aus Forsters Briefen“ brachte Elisa Maier (Leipz. 1856). Forsters Leben behandelten H. König in dem Roman „Die Klubbisten in Mainz“ (Leipz. 1847, 3 Bde.) und in „Forsters Leben in Haus und Welt“ (2. Aufl., Braunschw. 1858), dann Moleschott in „Georg F.“ (neue Ausg., Halle 1874) und K. Klein in „Georg F. in Mainz“ (Gotha 1863).

3) François, franz. Kupferstecher, geb. 22. Aug. 1790 zu Locle im schweizer. Kanton Neuenburg, kam 1805 nach Paris, wo er bei P. G. Langlois und auf der Schule der schönen Künste sich bildete. Er besuchte 1818 Italien. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich gewann er rasch einen berühmten Namen. Er starb 25. Juni 1872 in Paris. F. war ein sehr gewissenhafter Stecher; er wußte den Charakter des Originals mit Kraft zu erfassen und alle Teile der menschlichen Figur anatomisch richtig zu geben; nur strebte er zu häufig nach Glanz des Stiches und blieb in den Fleischpartien bisweilen hart. Seine bedeutendsten Stiche sind: la Vierge au bas-relief, nach Lionardo da Vinci (1835); la Vierge de la maison d’Orléans, nach Raffael (1838); die Jünger in Emmaus, nach P. Veronese (1812); heil. Cäcilie, nach P. Delaroche (1840); die drei Grazien, nach Raffael (1841); Urania, nach Raffael (1839); Aurora und Kephalos (1821), Äneas der Dido seine Schicksale erzählend (1828), beide nach Guérin; Tizians Geliebte, nach Tizian; Raffaels Selbstbildnis (1836); Dürers Selbstbildnis (1823); Ludwig I. von Bayern, nach Stieler; Alex. v. Humboldt, nach Steuben; Königin Viktoria von England, nach Winterhalter.

4) John, engl. Historiker und Biograph, geb. 1812 zu Newcastle am Tyne, war dem Beruf nach Rechtsanwalt, widmete sich aber hauptsächlich der Litteratur. Seit 1855 in der Verwaltung des Irrenwesens angestellt, erst als Schriftführer, dann als Rat (commissioner), starb er 1. Febr. 1876 in London. Für die Geschichte der englischen Staatsumwälzung sind von maßgebendem Wert seine Schriften: „Statesmen of the commonwealth of England“ (1831–34, 7 Bde.); „The arrest of the five members by Charles the first“ und „The debates on the grand remonstrance“ (1860); „Sir John Eliot“ (eine Biographie, 1864, 2. Aufl. 1871). Vielfach war er an Zeitschriften thätig; nach Dickens’ Abgang leitete er ein Jahr lang die damals jugendlichen „Daily News“. Das Wochenblatt „Examiner“ bewahrte während der 18 Jahre seiner Mitarbeit und während 10 Jahren seiner Leitung den früher erworbenen Glanz, von dem es seither bis zur „provisorischen Suspension“ herabgestiegen. In enger Freundschaftsverbindung mit Landor und Dickens, schrieb er deren Biographien: „W. S. Landor“ (1868, 2 Bde.; neue Ausg. 1879); „Life of Charles Dickens“ (1871–74, 3 Bde.; deutsch von Althaus, Berl. 1872–75), welch letzteres Werk durch die Hinterbliebenen von Dickens vervollständigt wurde. Noch sind zu erwähnen: „Life of Oliver Goldsmith“ (1848, 6. Aufl. 1877) und „Biographical and historical essays“ (1859). Sein „Life of Jonathan Swift“ (1875, Bd. 1) blieb unvollendet.

5) William Edward, engl. Staatsmann, geb. 11. Juli 1818 zu Bradpole, ward Garnfabrikant in Bradford, 1861 dort in das Unterhaus gewählt, wo er sich den Liberalen anschloß, 1865 in Russells Kabinett Unterstaatssekretär für die Kolonien (bis 1866) und 1868 Vizepräsident des Erziehungskomitees, brachte 1870 die neue Erziehungsbill sowie 1871 die Ballotbill mit großem Geschick durch das Parlament, war dann bei der Reorganisation und Hebung des Schulwesens in England mit großem Erfolg thätig, trat aber im Februar 1874 mit Gladstone von seinem Amt zurück. Im April 1880 wurde er in Gladstones zweitem Ministerium Mitglied des Kabinetts und Obersekretär für Irland und sicherte in dieser Eigenschaft in der Session von 1880 die Annahme der viel angefeindeten irischen Landbill im Unterhaus. Als nach der Ablehnung derselben durch das Oberhaus die Agitationen der irischen Landliga immer gefährlicher wurden, drang er auf Zwangsmaßregeln, vermochte aber erst Anfang 1881 von seinen radikalen Kollegen die Zustimmung zu der irischen Zwangsbill zu erlangen, die er dann in unerhört heftigen Debatten zu verteidigen hatte. Auch die Vertretung der im Sommer 1881 wieder eingebrachten Landbill fiel ihm zu. Er zog sich hierdurch den bittersten Haß der Iren zu und entging nur wie durch ein Wunder ihren Mordanschlägen. Als aber Gladstone 1882 die Entlassung der verhafteten Führer der Landliga beschloß, um die Iren zu versöhnen, nahm F. seine Entlassung und bekämpfte auch im Parlament die irische Politik seiner Parteigenossen, weswegen er bei der letzten Kabinettsbildung Gladstones 1886 übergangen wurde. F. starb 5. April 1886.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 329
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[329] Forster, William Edward, engl. Staatsmann. Seine Biographie schrieb Wemyß Reid (4. Aufl., Lond. 1888, 2 Bde.).