MKL1888:Forstverwaltung
[450] Forstverwaltung. Die Verwaltungsaufgabe des Staats hinsichtlich der Waldungen erstreckt sich sachlich auf die Gebiete des Rechts, der Bildung und der Wirtschaft, in betreff des Waldbesitzstandes auf Staats-, Körperschafts- und Privatwaldungen. Soweit diese Verwaltungsthätigkeit den Forstbehörden des Staats übertragen ist, bildet sie den Geschäftskreis der F. Bei der Rechtsverwaltung ist dies nur ausnahmsweise der Fall, indem mitunter den verwaltenden Forstbeamten Funktionen der Staatsanwaltschaft übertragen sind, während früher die Rechtsprechung in Forststrafsachen zum Teil den Forstbehörden oblag. Die Verwaltung des forstlichen Bildungswesens erstreckt sich auf Unterricht und Wissenschaft, einschließlich der Pflege des forstlichen Vereinswesens, des forstlichen Versuchswesens und der forstlichen Statistik. Sie ist bald der F., bald der Unterrichtsverwaltung unterstellt. Den Hauptgegenstand der forstlichen Verwaltungsthätigkeit des Staats bildet das forstwirtschaftliche Gebiet. Sie umfaßt die Forstpolizei zur Abwendung der dem Walde drohenden Gefahren, z. B. bei den Schutzwaldungen (s. d.), die Wirtschaftspflege zur Beseitigung der Hindernisse der Waldwirtschaft und zur Unterstützung und Förderung derselben (Befreiung von Waldservituten, Bildung von Waldgenossenschaften, Unterstützung der Waldkultur), endlich die Einwirkung auf den Wirtschaftsbetrieb durch Leitung oder Beaufsichtigung desselben. Forstpolizei und Forstwirtschaftspflege sind teils den Forstbehörden, teils den Behörden der innern Verwaltung übertragen. Dasselbe gilt hinsichtlich der staatlichen Wirtschaftsleitung und Aufsicht bei Körperschaftswaldungen (Waldungen der Gemeinden, öffentlichen Anstalten, Stiftungen) und Privatwaldungen (Einzelprivatwaldungen, Genossenschaftswaldungen), während die Bewirtschaftung der Staatswaldungen überall den Staatsforstbehörden obliegt.
Die Organe der F. gliedern sich nach der Verschiedenheit der forstamtlichen Verrichtungen. Dieselben lassen sich in vier Gruppen sondern, nämlich in die schützende, die verwaltende, die kontrollierende und die dirigierende Funktion. Erstere hat [451] die Aufgabe, die Substanz der Waldungen gegen Beschädigungen und Verringerungen zu schützen, die polizeiliche Ordnung in den Forsten aufrecht zu erhalten und gegen Zuwiderhandlungen aller Art einzuschreiten. Die mit dieser Funktion betrauten Beamten heißen Waldschützen, Waldaufseher, Forstschützen, Forstaufseher, Forstwärter etc. Sie bedürfen einer praktisch-technischen Vorbildung nur dann, wenn sie, wie dies in den meisten deutschen Staaten der Fall ist, zugleich Betriebsaufsichtsbeamte, d. h. mit der Aufsicht aber die Arbeiten bei den Hauungen, Kulturen, Holztransport, Waldwegebau etc. betraut, sind, in welchem Fall sie gewöhnlich die Amtsbenennung Förster oder Unterförster erhalten. Die verwaltenden oder betriebsführenden Organe der Forstverwaltungen sind in genau abgegrenzten Bezirken (Oberförstereien, Revieren) mit der Führung der Wirtschaft nach Maßgabe der von der nächsthöhern Instanz zu genehmigenden Jahreswirtschaftspläne (Hauungsplan, Kultur- oder Forstverbesserungsplan, Wegebauplan etc.), mit dem Verkauf der Waldprodukte, der Anweisung zur Vereinnahmung und Verausgabung des Geldes sowie mit der Verrechnung der Materialerträge und der Betriebsausgaben betraut, kontrollieren die Beamten des Forstschutzes und erteilen ihnen alle dienstlichen Befehle. Sie führen den Amtstitel Oberförster, Revierförster, Forstverwalter. Zwei bestimmt abgrenzbare Systeme lassen sich innerhalb dieses Kreises forstbeamtlicher Thätigkeit unterscheiden: das System der selbständigen, mit der Betriebsführung, Verwertung, Buchführung und Rechnungslegung in größern Revieren betrauten Revierverwalter (Oberförstersystem), welches in Preußen, Bayern, Baden, Hessen und andern Staaten besteht, und das System der hauptsächlich mit dem Wirtschaftsvollzug in kleinen Revieren betrauten Verwalter, denen nur ein Teil der Produktenverwertung und Buchführung zufällt, während die Verwertung des Hauptprodukts (Holz) und die Buchführung und Rechnungslegung Sache einer höhern Instanz, des Wirtschaftsforstmeisters oder Forstamtes, sind (Revierförstersystem oder Forstmeistersystem). Das Oberförstersystem bedarf praktisch-technisch gebildeter Forstschutzbeamten, das Revierförstersystem nicht. Letzteres ist in Deutschland zur Zeit noch in Württemberg (modifiziertes Revierförstersystem mit erweiterter Kompetenz der Revierförster), Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Sachsen-Altenburg, beiden Schwarzburg, beiden Reuß eingeführt. Die höhern Instanzen der F. haben im allgemeinen die Aufgabe, den örtlichen Betrieb zu kontrollieren und innerhalb der generellen Grundlinien, welche durch die Forsteinrichtungswerke gegeben sind, zu leiten, den Vollzug der Instruktionen und reglementären Bestimmungen zu überwachen, die rechnungsmäßige Darstellung der Betriebsergebnisse einer vorläufigen Revision zu unterwerfen (die definitive Rechnungsrevision erfolgt durch besondere Staatsrechnungshöfe), die Personalverhältnisse zu regeln, die Interessen des Staats als Waldbesitzers in allen Rechtsfragen wahrzunehmen, die Forsteinrichtungswerke herzustellen und zu erhalten, die Material- und Geldetats aufzustellen und ihre Erfüllung zu überwachen. Alle diese einzelnen Thätigkeiten fallen in kleinern Staaten der Zentralforstbehörde des Landes zu; in größern Staaten bestehen Mittel- (Provinzial- od. Bezirks-) Behörden, Forstdirektionen (in Preußen die Bezirksregierungen, Abteilungen für direkte Steuern, Domänen und Forsten; in Bayern die Bezirksregierungen, Abteilungen für Forsten; in Elsaß-Lothringen die Forstabteilungen der Bezirksregierungen), für die Kontrolle und Wirtschaftsleitung, die Personalsachen der untern Beamtengrade, die Vorrevision der Rechnungen etc., während die generelle Betriebsleitung, die Revision der Forsteinrichtungswerke, die Feststellung der Etats, die Personalangelegenheiten der höhern Beamten u. a. den Zentralforstbehörden obliegen. Zwischen diesen Forstdirektionsbehörden und den Revierverwaltungen stehen in manchen Staaten noch inspizierende Stellen (Forstämter, Forstinspektionen, in Sachsen Oberforstmeistereien oder Forstbezirke), deren Chefs Forstmeister (in Sachsen Oberforstmeister), Forstinspektoren, in einigen Staaten mit dem Revierförstersystem auch Oberförster heißen. Die Verbindung der Forstdirektionsbehörden mit den allgemeinen Regiminalbehörden (Provinzial- oder Bezirksregierungen) ist in neuerer Zeit von manchen Seiten für unzutreffend erklärt worden, weil der Geschäftsgang erschwert und verlangsamt werde. Bei neuern Organisationen (z. B. bei der F. in Elsaß-Lothringen) hat man daher rein technische, in neuerer Zeit wieder beseitigte Direktionsbehörden eingerichtet (drei Forstdirektionen zu Straßburg, Metz, Kolmar). Anderseits kommt in Betracht, daß die Verbindung der F. mit den Regiminalbehörden die staatliche Einwirkung auf die F. der Gemeinden und Privaten erleichtert. Die Organisation der Forstdirektionsbehörden ist meist eine kollegialische (in Frankreich büreaukratisch, die Conservateurs des forêts). Der Chef derselben heißt Oberforstmeister oder Forstdirektor, auch Oberforstrat (in Bayern), die Mitglieder (Räte) Forsträte, Forstmeister. Als Zentralforstbehörden sind entweder unter dem Finanzminister stehende Generaldirektionen (in Frankreich etc.) oder Ministerialabteilungen (in Preußen, Bayern, Hessen) im Finanz- oder Ackerbauministerium (wie in Preußen und Österreich) eingerichtet. In den mittlern und kleinern Staaten sind die Forstdirektionsbehörden Zentralbehörden (Domänendirektion in Baden, Forstdirektion in Württemberg, Forstkollegium in Mecklenburg-Schwerin, herzogliche Kammer, Direktion der Forsten, in Braunschweig etc.). Die Direktoren der Zentralforstbehörden heißen Oberlandforstmeister (Österreich, Preußen, Sachsen), Ministerialräte (Bayern), Forstdirektoren (bis 1866 in Hannover), die Mitglieder Landforstmeister (Preußen), Oberforsträte (Österreich, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Mecklenburg etc.) oder Forsträte (Baden). Nicht selten sind die Vorsitzenden der Zentralforststellen kameralistisch oder juristisch gebildete Beamte, nicht Forsttechniker.
Die Frage, welchem Ministerium die Staatsforstverwaltung zu unterstellen sei, ist in neuester Zeit vielfach erörtert worden. Gegen das Finanzministerium als Forstzentralstelle sprechen gewichtige Bedenken. Jeder Finanzminister wird in Zeiten der Geldnot in seinem eignen Ressort zuerst alle Hilfsmittel zu erschließen suchen und in dem bedeutenden Kapitalstock, welcher durch die haubaren Holzbestände in den Forsten gebildet wird, eine stets bereite Sparkasse finden, in welche er ohne großes Aufsehen hineingreifen kann, um die Staatskassen vorübergehend zu füllen. Auch werden, wenn der Finanzminister erster Chef der Staatsforstverwaltung ist, die finanziellen Gesichtspunkte immer in erster Linie Berücksichtigung finden, während die Rücksicht auf die Landeskultur im ganzen weit weniger zur Geltung kommen wird. Man hat deshalb vorgeschlagen, das Forstwesen dem mit der Landeskulturpflege betrauten Ministerium für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten (Ackerbauministerium) [452] zu unterstellen, und in Preußen, Österreich und Frankreich diese Organisation durchgeführt. Von manchen Seiten ist auch empfohlen worden, die F. des Staats, welche ein Zweig der Staatsvermögensverwaltung ist, von den politischen Ministerien ganz loszulösen und unter eine immediate Generaldirektion zu stellen, deren Chef im Rang der Minister steht, ohne zum Ministerrat zu gehören oder irgend eine politische Stellung einzunehmen. Ganz von den untern Stellen der technischen Betriebsverwaltung getrennt ist schon heute meist die Forstkassenverwaltung. Dieselbe wird von Rentmeistern, Rendanten, Kassenführern etc. geführt, welche nach den Etats oder auf spezielle Anweisung der Revierverwalter, der Inspektionsbeamten oder Direktionsbehörden zahlen oder vereinnahmen. Auch die Forstgerichtsbarkeit wird heute, wie schon erwähnt, fast in allen Staaten von den ordentlichen Gerichten, nicht mehr, wie dies früher vielfach der Fall war, von den Forstämtern, besonders Forstrüge- oder Forstbußgerichten, welche früher von Forstbeamten allein oder von ihnen und rechtsverständigen Beisitzern zusammen gehalten wurden, geübt. Die Forstbeamten haben bei dem forstgerichtlichen Verfahren keine andre Funktion mehr als die der Sachverständigen und Zeugen sowie mitunter der Staatsanwaltschaft.
Mit der Staatsforstverwaltung ist in manchen Staaten und Landesteilen (Frankreich, Rheinbayern, Württemberg [fakultativ], Baden, Großherzogtum Hessen, preußische Provinz Hessen-Nassau, Teile von Hannover etc.) die Verwaltung der Körperschaftswaldungen organisch in der Art verbunden, daß dieselben von Staatsforstbeamten verwaltet werden (Beförsterungssystem). In andern Staaten bestellen die Körperschaften sich eigne Forstverwalter, welche jedoch in Bezug auf die Bewirtschaftung der ihnen anvertrauten Waldungen unter der Leitung und Kontrolle der Staatsregierung, bez. der inspizierenden und obern Staatsforstbeamten stehen (System der staatlichen Betriebsaufsicht in den preußischen Ostprovinzen, der preußischen Rheinprovinz, Westfalen, Württemberg, Bayern mit Ausnahme der Pfalz und von Unterfranken-Aschaffenburg). In noch andern Fällen (Sachsen, Anhalt etc.) besteht eine Einwirkung der Staatsorgane auf die Gemeindewaldwirtschaft nur insoweit, als dieselben überhaupt befugt sind, den Gemeindehaushalt und die Erhaltung des Gemeindevermögens zu überwachen (System der staatlichen Vermögensaufsicht). Auch mit der staatlichen Oberaufsicht über die Privatwaldungen, soweit eine solche gesetzlich begründet ist, sind die Staatsforstbeamten der fiskalischen Verwaltung vielfach betraut (Bayern, Baden, Hessen, Frankreich). Die Übertragung dieser polizeilichen Funktion, welche lediglich aus der Staatshoheit entspringt, an Beamte der fiskalischen Vermögensverwaltung ist in neuester Zeit mehrfach getadelt worden. Die (staatsrechtliche) Befugnis, die Privatforstwirtschaft zu überwachen, ist deshalb mitunter besondern Organen übertragen, die mit der auf wesentlich privatrechtlichen Grundlagen beruhenden Staatsvermögensverwaltung nichts gemein haben. Solche Organe, welche den Vollzug des Forstgesetzes (Forstpolizeigesetzes) zu überwachen haben, sind in neuester Zeit in Österreich mit der Amtsbenennung Landesforstinspektoren angestellt worden. Vgl. Albert, Lehrbuch der F. (Münch. 1883); Schwappach, Handbuch der Forstverwaltungskunde (Berl. 1884).