MKL1888:Fraktion
[480] Fraktion (lat., „Brechung, Bruch“), in Deutschland gebräuchliche Bezeichnung einer Vereinigung von Gesinnungsgenossen und politischen Freunden in einer Volksvertretung. Die einzelnen Fraktionen halten, unter einem Fraktionsvorstand konstituiert, regelmäßige und außerordentliche Sitzungen (Fraktionssitzungen) und Zusammenkünfte neben den parlamentarischen Sitzungen ab, in welchen Beschlüsse über die von der F. zu beobachtende Haltung und über die im Plenum vorzunehmenden Abstimmungen gefaßt werden, auch Vereinbarungen über die vorzuschickenden Redner, über etwa zu stellende Anträge oder Interpellationen u. dgl. stattfinden. Auch äußerlich pflegen die einzelnen Fraktionen ihre Zusammengehörigkeit und ihre politische Tendenz durch die Wahl der Plätze im Sitzungssaal, zur Rechten oder Linken vom Ministertisch, anzudeuten. Im deutschen Reichstag werden dermalen folgende Fraktionen unterschieden, deren Reihenfolge hier nach der Stärke der Anzahl ihrer Mitglieder bestimmt ist: das Zentrum, die Deutschkonservativen, die deutsch-freisinnige Partei, die Nationalliberalen, die deutsche Reichspartei oder die Freikonservativen, die Sozialdemokraten, die Polen und die Volkspartei. Eine Anzahl Mitglieder des Reichstags, darunter die Abgeordneten für Elsaß-Lothringen, gehören keiner F. an (sogen. Wilde), während andre Mitglieder als Hospitanten (d. h. außerordentliche Mitglieder) bestimmter Fraktionen bezeichnet werden. Wird in den Fraktionen auf die freie Entschließung der einzelnen Mitglieder ein besonderer Druck ausgeübt, so spricht man von Fraktionszwang. Wird in einer F. durch Mehrheitsbeschluß von dem Verhalten der Mitglieder in einer besonders wichtigen Sache deren ferneres Verbleiben in der F. abhängig gemacht, so spricht man von einer Fraktionsfrage. Ist die Fraktionsfrage gestellt, so müssen diejenigen Mitglieder, welche gegen das Gros der F. stimmen, aus der letztern ausscheiden.