MKL1888:Frankl
[505] Frankl, Ludwig August, Ritter von, Dichter, geb. 3. Febr. 1810 zu Chrast in Böhmen aus einer israelitischen Familie, besuchte das Piaristengymnasium der Prager Neustadt und das Piaristenkollegium zu Leitomischl und studierte seit 1828 in Wien Medizin, seit dem Tod seines Vaters vielfach mit Not kämpfend. Durch sein „Habsburglied“ (Wien 1832), eine Reihe historischer Balladen, führte er sich in die Kreise der Wiener Schriftsteller ein; die „Episch-lyrischen Dichtungen“ (das. 1834), „Sagen aus dem Morgenland“ (Leipz. 1834) und das romantische Epos „Christoforo Colombo“ (Stuttg. 1836), worin sich sein Talent vielleicht am glänzendsten ausspricht, folgten nach. Nach der Rückkehr von einer Reise durch Italien, wo er zu Padua 1837 promovierte, begann er seine medizinische Praxis, vertauschte diese aber schon 1838 mit der Stelle eines Sekretärs der Wiener Israelitengemeinde und lebte fortan, außer seinem Amt, nur der schönen Litteratur. Er übernahm 1841 die Redaktion des „Österreichischen Morgenblattes“, gab eine neue Sammlung „Dichtungen“ (Leipz. 1840) und das biblisch-romantische Gedicht „Rachel“ (1842; 7. Aufl., Wien 1880) heraus und begründete die Wochenschrift „Sonntagsblätter“, die viel zur Entwickelung des geistigen Lebens in Österreich beitrug, aber 1848 unterdrückt wurde. Sein Gedicht „Die Universität“, beim Beginn der Märzbewegung von 1848 entstanden, erregte als erste zensurfreie Publikation ein beispielloses Aufsehen: sie wurde in mehr als 1 Mill. Exemplaren verbreitet und nachher von 19 Komponisten in Musik gesetzt. Im J. 1856 reiste F. nach Jerusalem; 1873 erfolgte seine Ernennung zum k. k. Schulrat und seine Erwählung zum Präses der israelitischen Kultusgemeinde. Bei Gelegenheit der Enthüllung des von ihm angeregten Schillerdenkmals in Wien (10. Nov. 1876) wurde F. mit dem Prädikat von Hochwart (in Rücksicht auf das von ihm ins Leben gerufene Kinderblindeninstitut auf der Hohen Warte bei Wien) in den österreichischen Ritterstand erhoben; 1880 erteilte ihm die Stadt Wien das Ehrenbürgerrecht. Seine spätern Werke sind das Heldenlied „Don Juan d’Austria“ (Leipz. 1846; 3. Aufl., Prag 1884); „Ein Magyarenkönig“ (Leipz. 1850; 3. Aufl., Wien 1880); die Dichtung „Der Primator“ (Prag 1861; 5. Aufl., Leipz. 1880), eine Schilderung von Judenverfolgungen; das „Helden- und Liederbuch“ (Prag 1861, 2. Aufl. 1863); die „Ahnenbilder“ (Leipz. 1864); „Libanon, ein poetisches Familienbuch“ (3. Aufl., Wien 1867); „Tragische Könige. Epische Gesänge“ (das. 1876, 2. Aufl. 1880) und „Lyrische Gedichte“ (5. Aufl., das. 1880). Gegenüber den meisten vormärzlichen Dichtern Deutsch-Österreichs zeichnet sich F. durch einen gewissen Reichtum der Phantasie, durch ein Streben nach geschmackvoller Darstellung und künstlerischem Gleichmaß aus. Gleichwohl fehlen seinen Dichtungen der subjektive Gehalt und der Reiz der selbstgeprägten ureignen Form; sie sind wesentlich eklektischen Charakters. Von sonstigen Publikationen sind zu nennen: „Gusle“, eine Übersetzung serbischer Nationallieder (Wien 1852); einige satirische Gedichte, in denen er den medizinischen Charlatanismus geißelt: „Hippokrates und die moderne Medizin“ (5. Aufl., das. 1860), „Die Charlatane“ (3. Aufl., das. 1862) und „Hippokrates und die Cholera“ (3. Aufl., das. 1864) sowie „Nach 500 Jahren, Satire zur Säkularfeier der Wiener Universität“ (Leipz. 1865); ferner die Prosaschriften: „Zur Geschichte der Juden in Wien“ (Wien 1853), „Zu Lenaus Biographie“ (das. 1854, 2. Aufl. 1885); die Reiseberichte: „Nach Jerusalem“ (Leipz. 1858, 2 Bde.) und „Aus Ägypten“ (Wien 1860); endlich aus jüngster Zeit: „Zur Biographie F. Raimunds“ (das. 1882); „Zur Biographie Fr. Hebbels“ (das. 1883); „Zur Biographie Franz Grillparzers“ (2. Aufl., das. 1885) und „Andreas Hofer im Lied“ (Innsbr. 1884). Seine „Gesammelten poetischen Werke“ (mit Ausnahme der Satiren) erschienen in 3 Bänden (Wien 1880).