MKL1888:Gerichtsvollzieher

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Gerichtsvollzieher“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 172
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Gerichtsvollzieher. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 172. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gerichtsvollzieher (Version vom 28.04.2021)

[172] Gerichtsvollzieher (franz. Huissier), der mit der Ausführung von Ladungen, Zustellungen und gewissen Vollstreckungen bei den Gerichten betraute Beamte. Im Gegensatz zu den niedern Organen der Gerichte, den Gerichtsdienern, hat der G. eine selbständigere Stellung. Er handelt unter eigner amtlicher Verantwortlichkeit innerhalb des ihm überwiesenen Geschäftskreises. Die deutsche Zivilprozeßordnung hat nämlich nach dem Vorgang der französischen Gesetzgebung, welcher sich zuvor auch schon die bayrische angeschlossen hatte, die Zwangsvollstreckung (s. d.) in bewegliche körperliche Sachen wegen Geldforderungen, die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und andern begebbaren Papieren, die zwangsweise Inbesitznahme von beweglichen und unbeweglichen Sachen, die Vollziehung der Haft, der Arreste und der einstweiligen Verfügungen, soweit solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zulässig, dem G. übertragen. Außerdem hat der G. in Zivilprozeßsachen ebenso wie in Strafsachen die Zustellungen und Ladungen zu besorgen. Endlich fungiert der G. als Vollstreckungsorgan im Strafprozeß, insoweit es sich um die zwangsweise Beitreibung einer Vermögensstrafe oder einer Buße handelt. Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der G. sind in dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877 im einzelnen nicht geregelt. Es ist dies Sache der Landesjustizverwaltungen. Nur die Fälle bestimmt das Gerichtsverfassungsgesetz, in denen der G. von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen sein soll. Dies ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten dann der Fall, wenn er selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei ist oder zu einer solchen im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Schadenersatzpflichtigen steht; ferner, wenn seine Ehefrau Partei ist; endlich, wenn eine Person Partei ist, mit welcher er in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht. In Strafsachen ist ein G. dann unfähig, wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt, wenn er der Ehemann der Beschuldigten oder Verletzten ist oder gewesen ist, oder wenn er mit dem Beschuldigten oder Verletzten in dem oben bezeichneten Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis steht. Die Gebühren der G. sind durch Reichsgesetz vom 24. Juni 1878 normiert und durch ein Nachtragsgesetz vom 29. Juni 1881 etwas ermäßigt. Vgl. Gerichtsverfassungsgesetz, § 155 ff.; Deutsche Zivilprozeßordnung, § 674 ff.; Strafprozeßordnung, § 219, 426, 495; Gebührenordnung für die G. vom 24. Juni 1878 mit den Änderungen vom 29. Juni 1881 (Trier 1885); Preußische Geschäftsanweisung und Geschäftsordnung für G. vom 24. Juli 1879, bez. 23. Febr. 1885 (das. 1885); „Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung“ (Hanau 1881 ff.); „Handbuch für Gerichtsschreiber und G.“ (2. Aufl., Trier 1883); Walter, Der preußische G. (Berl. 1885); Derselbe, Formularbuch für preußische G. (das. 1886).