MKL1888:Gesetzvorschlag
[234] Gesetzvorschlag, der formulierte Entwurf eines zu erlassenden Gesetzes, welcher von einem Organ der Gesetzgebung ausgeht. Die Befugnis und die Pflicht, Gesetzvorschläge zu machen, kommt zunächst der Staatsregierung zu, welche dieselben der Volksvertretung vorlegt, um mit der letztern das Gesetz zu vereinbaren und zu stande zu bringen. Es hat aber regelmäßig auch die Volksvertretung das Recht der gesetzgeberischen Initiative, d. h. sie kann ebenfalls Gesetzvorschläge machen und ihre Beratung und Annahme im Schoß der betreffenden parlamentarischen Körperschaft herbeiführen. Soll ein solcher G. Gesetzeskraft erlangen, so ist dazu freilich nicht bloß die Zustimmung der Volksvertretung und zwar beider Kammern, wofern das Zweikammersystem besteht, erforderlich, sondern ebenso die Zustimmung der Staatsregierung. Nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstags bedürfen Anträge von Abgeordneten, welche Gesetzvorschläge enthalten, gleich den Regierungsvorlagen, einer dreimaligen Lesung (Beratung). Ein solcher G. muß von mindestens 15 Mitgliedern unterstützt und unterzeichnet sein. Von den Gesetzvorschlägen der Volksvertretung sind die von derselben ausgehenden Resolutionen zu unterscheiden, deren Zweck es vielfach ist, die Regierung zur Vorlegung eines Gesetzentwurfs aufzufordern. Die Gesetzentwürfe der Regierung sind regelmäßig mit einer schriftlichen Begründung (Motive) versehen, während bei den Gesetzvorschlägen der Abgeordneten zumeist nur eine mündliche Begründung üblich ist.