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MKL1888:Gewehrfabriken

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Gewehrfabriken“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Gewehrfabriken“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 7 (1887), Seite 283284
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Gewehrfabriken. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 283–284. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gewehrfabriken (Version vom 26.10.2024)

[283] Gewehrfabriken, Privat- oder Staatsanstalten zur Anfertigung von Feuergewehren, im weitesten, wenig üblichen Begriff auch Fabriken für blanke Waffen. Eine blühende Privatindustrie (wie in England und Belgien) gibt die beste Garantie für schnelle und gute Beschaffung der Waffen, doch bieten Staatsfabriken insbesondere Vorteile für die sichere Herstellung gleicher Modelle. In der folgenden Übersicht aller bedeutenden G. sind die Staatsetablissements mit * bezeichnet. Rußland: Tula*, Ischew*, Sestrorjätzk*; England: Birmingham, Sheffield, London, Enfield*, Woolwich*; Frankreich: St.-Etienne*, Paris, Vincennes*, Lille, Maubeuge; Spanien: Madrid*, Oviedo*, Barcelona, Cordova; Belgien: Lüttich (Staats- und Privatindustrie); Preußen: Suhl (mit den gothaischen Orten Zella, Mehlis etc.), Spandau*, [284] Sömmerda, Erfurt*, Danzig*, Schmalkalden, Herzberg am Harz; Bayern: Amberg*; Württemberg: Oberndorf (Mauser); Österreich: Wien*, Märzsteig, Gradeck, Prag, die größte, welche zur Zeit in Europa besteht, zu Steier a. d. Enns, von Werndl, dem Konstrukteur des österreichischen Ordonnanzgewehrs, mit Filiale in Ofen-Pest, u. a.; Schweiz: Thun, Basel etc.; Nordamerika: Springfield* in Massachusetts und Harpers Ferry in Virginia. Die Anfertigung der Feuerwaffen hat in Deutschland schon im 15. und noch mehr im 16. Jahrh. eine hohe Stufe erreicht, z. B. in Nürnberg und Augsburg. Die Suhler Fabrik gehört zu den ältesten in Europa neben der Lütticher, von welcher dieser Industriezweig nach Frankreich übergeführt wurde. Die Rohre wurden früher aus Platten von Schmiedeeisen über einen Rolldorn geschmiedet und zusammengeschweißt, jetzt aber hat man (vorzugsweise in England) das Walzen eiserner Rohre eingeführt, um von der Handarbeit minder abhängig zu sein. Der neueste, von Deutschland ausgehende Fortschritt ist die Verwendung des Gußstahls, der in kurze massive Cylinder gegossen, dann in kalibermäßige Stangen ausgewalzt und in Stücken von entsprechender Länge abgehauen wird. Die Rohre werden hiernach aus massiven Stahlcylindern durch Ausbohren auf Bohrbänken erzeugt. Auf das Ausbohren folgt das Abdrehen, Verschrauben, Polieren, Verhaften, Garnieren, Ziehen und Schmirgeln; das Abdrehen geschieht auf Drehbänken, das Ziehen auf Zugbänken, wobei die hölzerne oder metallene Zugstange mit der fortschreitenden Bewegung eine drehende verbindet und je zwei oder drei Züge zugleich mit feilenartigen Einsätzen in die Seelenwand einschneidet. Die einzelnen Teile des Schlosses und der Garnitur werden teils aus Eisen, teils aus Stahl mit Hilfe von vertieften Formen (Gesenken) und Modellen (Dorn für die Ringe etc.) geschmiedet oder geprägt und sodann entweder durch Handarbeit oder durch die Anwendung verschiedener Maschinen (zum Fräsen, Bohren, Schleifen etc.) vollends hergestellt. Die Klingen der Dillenbajonette von dreieckigem Querschnitt werden vermittelst Maschinen aus Stahl geschmiedet, an den Hohlkehlen ausgeschliffen. Bei den neuern Gewehren sind statt dieser nur zum Stich geeigneten Bajonette die Haubajonette allgemein eingeführt, die gewöhnlich als Seitengewehr getragen werden (s. Säbel). Auch die Ladestöcke und Entladestöcke der Hinterladungsgewehre werden aus Stahl geschmiedet. In neuerer Zeit sind auch zur Herstellung der Metallteile die plastischen Kopiermaschinen in ausgedehntester Weise angewendet worden. Besondere Sorgfalt erfordert die Herstellung gut gearbeiteter Schäfte (meist aus Walnußholz), das genaue Einlassen (Versenken, Einpassen) des Schlosses und andrer Eisenteile; aber auch die teure und schwierige Handarbeit der Schäfter ersetzt die moderne Mechanik. Die dazu dienenden Maschinen (amerikanischen Ursprungs) sind nach dem Prinzip der plastischen Kopiermaschinen konstruiert, so daß sie den roh zugeschnittenen Schaft in allen Teilen mit höchster Genauigkeit nach einem der Maschine untergelegten fertigen Muster bearbeiten; rotierende Bohrer, Schneiden und Stifte folgen in exakter Bewegung allen Umrissen und Vertiefungen des Modells. – Die Klingen der blanken Waffen werden aus mehrfach gegärbtem Rohstahl oder aus Federzeug (Verbindung von Stahl und Eisen), neuerdings fast ausschließlich aus Gußstahl gefertigt. Berühmt sind die spanischen Klingenfabriken von Toledo und San Ildefonso; die großartigsten Anstalten dieser Art besitzt Preußen in Solingen. Österreichische Fabriken für blanke Waffen bestehen in Pottenstein, St. Ägid, Prag, Karlsbad etc. Eines alten Rufs erfreuen sich auf diesem Gebiet die Fabrikate des Orients, besonders die Klingen von Damaskus und die Erzeugnisse der ostindischen Waffenschmiede.