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MKL1888:Glaßbrenner

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Glaßbrenner“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Glaßbrenner“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 7 (1887), Seite 408
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Glaßbrenner. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 408. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gla%C3%9Fbrenner (Version vom 28.12.2022)

[408] Glaßbrenner, Adolf, humoristischer und satirischer Schriftsteller, geb. 27. März 1810 zu Berlin, widmete sich dem Kaufmannsstand, beschäftigte sich aber daneben mit litterarischen Arbeiten, die bald ihren Weg in Berliner Journale fanden. Schon 1831 redigierte er eine Zeitschrift: „Don Quijote“, die sehr geschätzt war, aber wegen ihres Freimuts bereits 1833 unterdrückt wurde. Nun veröffentlichte G. unter dem Namen Adolf Brennglas eine Reihe kleiner Schriften unter dem Titel: „Berlin wie es ist und – trinkt“ (Berl. u. Leipz. 1832–50, 30 Hefte; teilweise vielfach aufgelegt), die mit meisterhafter Beobachtungsgabe treue Bilder aus dem Berliner Alltagsleben in typisch-festen Gestalten vorführten und in der Form des Scherzes viele Gedanken laut werden ließen, welche damals im Ernst auszusprechen die Zensur nicht gestattet haben würde. Die Heftchen fanden in ganz Deutschland die günstigste Aufnahme und wurden in fast jeder größern Stadt nachgeahmt. Ähnliche Arbeiten Glaßbrenners sind: „Leben und Treiben der feinen Welt“ (Leipz. 1834) und „Berliner Volksleben“ (das. 1848–51, 3 Bde.). Das Resultat eines siebenmonatlichen Aufenthalts in Wien (1835) waren die anonymen „Bilder und Träume aus Wien“ (Leipz. 1836, 2 Bde.), welche vom Bundestag verboten wurden. Im J. 1840 verheiratete sich G. mit der Schauspielerin Adele Peroni, welcher er 1841 nach Neustrelitz folgte. Hier schrieb er seine „Verbotenen Lieder“ (Zürich 1843), deren 2. Auflage als „Lieder eines norddeutschen Poeten“, die 3., sehr vermehrte Auflage aber als „Gedichte von Adolf G.“ (Berl. 1851, 5. Aufl. 1870) erschien, und das komische Epos „Neuer Reineke Fuchs“ (Leipz. 1846, 4. Aufl. 1870), ein Gedicht voll der schonungslosesten Satire. Außerdem lieferte er in dieser Zeit verschiedene novellistische Arbeiten. Im J. 1848 stand G. als Führer an der Spitze der demokratischen Partei in Mecklenburg-Strelitz, hielt sich jedoch von allen kommunistischen und anarchischen Bestrebungen fern. Gleichwohl 1850 dort ausgewiesen, lebte er mit seiner Gattin erst in Hamburg und kehrte 1858 nach Berlin zurück, wo er die Redaktion der „Berliner Montagszeitung“ führte und 25. Sept. 1876 starb. Von Glaßbrenners spätern Schriften sind noch zu erwähnen: der „Komische Volkskalender“ (1845–67, 23 Jahrg.); die „Xenien der Gegenwart“ (mit D. Sanders, Hamb. 1850); die politisch-aristophanische Posse „Kaspar der Mensch“ (das. 1850); die „Komische Tausendundeine Nacht“ (das. 1852); das komische Epos „Die verkehrte Welt“ (Berl. 1857, 6. Aufl. 1874) u. a. In den spätern Jahren verfaßte er auch Jugendschriften, unter denen „Lachende Kinder“, „Sprechende Tiere“, „Insel Marzipan“ besonders freundlich aufgenommen wurden und sehr viele Auflagen erlebten. Eine seltene Fülle, Schärfe und Schlagfertigkeit des in G. verkörperten Berliner Volkswitzes bei höchst gewandter Darstellung machten G. zu einem der beliebtesten Schriftsteller, wenn schon viele seiner Schriften weniger ästhetischen als politischen Wert haben. Als Dichter im engern Sinn zeigt er sich am reinsten in „Kaspar der Mensch“ und im „Neuen Reineke Fuchs“, welch letzteres wohl sein bleibendstes Werk sein dürfte. Seine Erfolge als „Vater des Berliner Witzes“ haben unzählige Nachahmer geweckt und an der spätern Entstehung der Berliner Lokalposse (deren „höhern Blödsinn“ aber G. verachtete) einen wesentlichen Anteil. Vgl. Schmidt-Cabanis, Adolf G. (Berl. 1881).