MKL1888:Hüttenrauch
[827] Hüttenrauch (Hüttennicht), aus Hüttenapparaten durch den Gebläsewind oder Luftzug herausgetriebene staubförmige Erz- u. Kohlenteilchen, Asche etc. oder in Gas- oder Dampfform entweichende Substanzen, welche nach der Verdichtung des Kondensierbaren ein gelbes, rötliches, seltener grünliches zartes Pulver (Flugstaub, Fluggestübbe) absetzen. Der H. kann zu beträchtlichen Metallverlusten führen und auf Menschen und Tiere sowie auf die benachbarte Vegetation sehr schädlich einwirken, so daß die Hüttenbesitzer oft beträchtliche Entschädigungen für die Verwüstung fremder Äcker zahlen müssen. Von den [828] Bestandteilen des Rauches kommen die pulverförmigen Substanzen wie jeder andre Staub, wenn sie aber wasserfreie schwefelsaure Salze enthalten, auch durch ätzende Wirkung in Betracht, indem diese Salze unter Einwirkung von Nebel und Tau konzentrierte Salzlösungen geben. Die Auffangung dieses eigentlichen Flugstaubes gelingt leicht in Flugstaubkammern, mit Scheidewänden versehenen und mit einem Schornstein verbundenen ummauerten, umfangreichen Räumen, in denen die Geschwindigkeit des den Flugstaub mit sich führenden Gasstroms verringert und ersterer namentlich durch die ein Hindernis abgebenden Scheidewände zum Absatz gebracht wird. Die in dem H. enthaltenen Metalldämpfe wirken besonders auf Menschen und Tiere schädlich ein und erfordern umfassende Kondensationsvorrichtungen. Man leitet sie meist durch sehr geräumige Kammern, besser durch lang gezogene, im Zickzack laufende und mit hohen Essen in Verbindung stehende Kanäle (Trockenkondensatoren) aus Mauerwerk, Bleiblech, verzinktem Eisenblech etc., bei welcher Gelegenheit sich auch der Flugstaub mit niederschlägt, dagegen die Gase meist unkondensiert entweichen. Man läßt auch von der Decke der Kammern Wasser tröpfeln (Regenkammern) oder füllt die Kanäle mit porösen und mit Wasser benetzten Stoffen (Koks, Bimsstein, Heide etc.) oder saugt den Rauch mittels Aspiratoren durch eine Wassersäule hindurch; man ist aber meist zu den einfachern trocknen Kammern oder Kanälen mit möglichst hohen Essen zurückgegangen, indem in den erstern Vorrichtungen der Zug leidet und meist durch kostspielige künstliche Mittel wieder herbeigeführt werden muß.
Die Gase im H. werden für die Vegetation besonders aus dem Grund schädlich, weil sie sich gar nicht oder nur unvollkommen kondensieren lassen und auf weite Strecken hin wirken. Am wichtigsten ist die schweflige Säure, welche verderblich für Pflanzen wird, wenn die Luft mehr als 0,004 Proz. enthält und gleichzeitig nebelig-feucht ist; bei heiterm oder bei Regenwetter mindert sich die Wirkung bedeutend. Nadelhölzer sind empfindlicher gegen die Säure als Laubhölzer. Neben schwefliger Säure kommt im H. auch Schwefelsäure vor, welche auf Pflanzen stark ätzend wirkt; auch treten Chlor, Chlorwasserstoff und Flußsäure nicht selten auf. Da schweflige Säure sich weder durch Abkühlung verdichten, noch durch Wasser leicht absorbieren läßt, so läßt man aus dem Rauch in Trockenkondensationskammern oder Kanälen zunächst Flugstaub und Metalldämpfe sich absetzen und leitet dann die an schwefliger Säure reichen Gase in Bleikammern von Schwefelsäurefabriken, welche in neuerer Zeit zu diesem Zweck sehr häufig mit Hüttenwerken verbunden worden sind, während man anderseits Röstöfen eingeführt hat, welche eine hinreichend konzentrierte, d. h. nicht zu stark mit Luft verdünnte, schweflige Säure liefern. Hat man es aber mit an schwefliger Säure ärmern Gasen zu thun, so benutzt man dieselben zum Auflösen von oxydischen Kupfererzen und Alaunerzen, zur Entphosphorung von Eisenerzen etc. Bietet sich hierzu keine Gelegenheit, so muß die schweflige Säure auf andre Weise kondensiert werden. Man baut Türme, in welchen die Gase aufsteigen, während Kalkmilch, zu Tropfen verteilt, wie ein Regen herabrieselt. Sehr vorteilhaft ist ein Koksturm, in welchen die Gase unten eintreten, während Schwefelsäure von 50° darin herabrinnt. Hier wird namentlich auch die der schwefligen Säure in der Regel beigemengte Schwefelsäure gut absorbiert und dadurch ein erheblicher Gewinn erzielt. Die säurearmen Gase kann man schließlich noch durch einen Kalkturm leiten. Ein andrer Absorptionsapparat ist mit feuchten Eisenabfällen gefüllt und liefert eine Eisenvitriollösung. Eine sehr vollständige Absorption erreicht man durch mehrere miteinander verbundene Kasten, in welchen Kalkmilch durch eine rotierende Flügelwelle staubartig verteilt wird. Ein angefeuchtetes Gemenge von Zinkoxyd und basisch schwefelsaurem Zinkoxyd absorbiert schweflige Säure sehr energisch und wird durch Glühen mit Kohle in Muffeln wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt, während schweflige Säure entweicht, die nun rein genug ist, um in Bleikammern geleitet werden zu können. In Affinierwerkstätten entweicht aus den Apparaten ein Gemenge von schwefliger Säure, Luft und nebelartig verteilter Schwefelsäure. Leitet man dies durch ein vielfach fein durchlöchertes Rohr in Wasser, welches Kupferpulver enthält, so erfolgt unter Bildung von Kupfervitriol eine sehr vollständige Absorption. Letztere hält unter der Einwirkung des Vitriols auch noch nach der Lösung des Kupfers an, indem es unter beständiger Reduktion durch die schweflige Säure und Oxydation durch die Luft den Sauerstoff auf die schweflige Säure überträgt.
Dem H. schließen sich die sauren, aus Chlorwasserstoff bestehenden Gase an, welche aus Sodafabriken entweichen. Der Chlorwasserstoff entsteht hier bei der Umwandlung des Kochsalzes in schwefelsaures Natron und wird selbst bei Anwendung der sinnreichsten Kondensationsvorrichtungen nicht vollständig verdichtet. Durch die Chlorkalkfabrikation wird die Umgebung der Sodafabriken mit Chlor verunreinigt, und so schließen sich noch manche andre Fabriken den Hüttenwerken an. Aber auch in großen, industriereichen Städten, hauptsächlich wo Steinkohle gebrannt wird, entweicht viel schweflige Säure in die Luft und oxydiert sich bald zu Schwefelsäure. 1 Mill. cbm Luft enthält in Manchester 2518 g Schwefelsäure, welche besonders verderblich wirkt, wenn sie, von Nebel und Tau aufgenommen, auf die Pflanzen gelangt. Enthält Regenwasser in 1 Mill. Teilen 10 Teile Säure, wie in Manchester, so hört die Vegetation überhaupt so gut wie ganz auf. Vgl. Kerl, Grundriß der allgemeinen Hüttenkunde (2. Aufl., Leipz. 1879); Brockmann, Metallurgische Krankheiten des Oberharzes (Osterode 1851); Tanquerel des Plantes, Die gesamten Bleikrankheiten (deutsch, Quedlinb. 1862); Freytags Gutachten über den Mansfelder (Eisl. 1870) und über den Freiberger H. (letzteres im Freiberger Jahrbuch 1873 und 1875); Hammerschmied, Die sanitären Verhältnisse und die Berufskrankheiten der Arbeiter bei den k. k. österreichischen Berg-, Hütten- und Salinenwerken (Wien 1873); Pappenheim, Handbuch der Sanitätspolizei (2. Aufl., Berl. 1868 bis 1870, 2 Bde.).