MKL1888:Hand muß Hand wahren
[114] Hand muß Hand wahren, deutsches Rechtssprichwort, welches folgendes besagen will. Nach römischem Recht kann der Eigentümer einer Sache dieselbe, wenn sie aus seinem Besitz gekommen, überall und von jedem Besitzer klagend fordern („Ubi rem meam invenio, ibi vindico“). Der Sachsenspiegel schließt jedoch die Klage gegen den dritten Besitzer einer beweglichen Sache dann aus, wenn diese Sache mit dem Willen des Eigentümers aus dessen Besitz gekommen war, also namentlich dann, wenn der Eigentümer seine Sache leihweise jemand übergeben hatte und der Empfänger die betreffende Mobilie nun unbefugterweise an einen Dritten veräußerte. In solchem Fall kann der Eigentümer sich nicht an den Dritten, sondern nur an denjenigen halten, welchem er die Sache übergeben hat. Es gilt hierfür auch das mit dem obigen gleichbedeutende Sprichwort: „Wo man seinen Glauben gelassen hat, muß man ihn wieder suchen“. Dieser Grundsatz, welcher aber auf gestohlene oder verlorne Sachen keine Anwendung findet, ist in verschiedene Partikularrechte übergegangen, so namentlich in das preußische Landrecht und in das österreichische Zivilgesetzbuch, welche die Vindikation gegen den gutgläubigen Besitzer auch dann ausschließen, wenn dieser die Sache auf offenem Markt, in einem offenen Ladengeschäft, von Leuten, welche zum Verkauf solcher Sachen berechtigt oder überhaupt unverdächtig sind, oder in einer öffentlichen Versteigerung erworben hat. Auch nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 306) entsteht bei der Veräußerung und Übergabe beweglicher Sachen im Handelsbetrieb eines Kaufmanns für den redlichen Erwerber Eigentum, auch wenn der Veräußerer nicht Eigentümer war; doch sind auch hier gestohlene und verlorne Sachen ausgenommen.