MKL1888:Helvétius

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Helvétius“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Helvétius“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 8 (1887), Seite 372
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Helvétius. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 372. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Helv%C3%A9tius (Version vom 10.01.2023)

[372] Helvétius (spr. elwēßĭüs), Claude Adrien, franz. Philosoph aus der Schule der Encyklopädisten, geb. 1715 zu Paris, war für das Finanzfach bestimmt und erhielt 1738 die einträgliche Stelle eines Generalpachters, die er jedoch bald wieder aufgab, um sich im Umgang mit den ersten Männern seiner Zeit, mit d’Alembert, Diderot, Holbach, zurückgezogen den Wissenschaften zu widmen. Durch Lockes „Versuch über den menschlichen Verstand“ wurde er zu philosophischen Studien veranlaßt. Im J. 1764 unternahm H. eine Reise nach England und Deutschland und fand besonders am Hofe Friedrichs II. eine ehrenvolle Aufnahme. Nach seiner Zurückkunft lebte er zu Paris, wo er 26. Dez. 1771 starb. Sein durch Locke angeregtes Hauptwerk: „De l’esprit“ (Par. 1758, neue Ausg. 1843; deutsch von Gottsched, Leipz. 1759), ward als staats- und religionsgefährlich auf Befehl des Parlaments 1759 verbrannt; ein zweites: „De l’homme, de ses facultés intellectuelles et de son education“ (Lond. 1772, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Bresl. 1774), erschien erst nach seinem Tod. Eine vollständige Ausgabe seiner „Œuvres“ erschien Paris 1796, 14 Bde., und das. 1818, 3 Bde. H. ist entschiedener Sensualist und Materialist. Alle Vorstellungen führt er zurück auf den Eindruck äußerer Gegenstände auf unsre Sinne; alle Thätigkeit entspringt aus der angebornen Selbstliebe, dem Streben nach sinnlicher Lust und dem Abscheu vor sinnlicher Unlust. Der Nutzen bestimmt den Wert der Handlungen; da aber Nutzen und Schade relative Begriffe sind, so gibt es keine unbedingt guten oder schlechten Handlungen. Trotz dieser weltmännischen Ansichten, von denen eine geistreiche Frau sagte, er habe darin „das Geheimnis aller Welt“ ausgeplaudert, war H. persönlich ein zartfühlender, liebenswürdiger und wohlthätiger Mann. Seine schöne und geistreiche Gattin, ein Fräulein de Ligneville, geb. 1719, zog sich nach dem Tod ihres Mannes nach Auteuil zurück, wo ihr Haus der Mittelpunkt eines Kreises von Gelehrten und Künstlern wurde. Sie starb 12. Aug. 1800. Vgl. Barni, Les moralistes français (Par. 1873); Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (das. 1875).