MKL1888:Herbst

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Herbst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 410411
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Herbst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 410–411. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Herbst (Version vom 11.04.2021)

[410] Herbst (althochd. Herpist, angelsächs. Hearfest, s. v. w. Ernte, Erntezeit; lat. Auctumnus, franz. Automne, engl. Harvest und Autumn), die Jahreszeit zwischen Sommer und Winter. Astronomisch fängt der H. auf der nördlichen Halbkugel der Erde mit dem Augenblick an, in welchem der Mittelpunkt der Sonne beim jährlichen Absteigen von N. nach S. in den Äquator tritt, und endigt, wenn die Sonne ihre größte südliche Abweichung vom Äquator erreicht hat, dauert also für uns vom 22. oder 23. Sept. (Herbstanfang, H.-Tag- und Nachtgleiche) bis zum 21. oder 22. Dez. (kürzester Tag, Winter-Sonnenwende, Solstitium brumale). Für die südliche Halbkugel beginnt der H. mit dem Augenblick, wo der Mittelpunkt der Sonne bei ihrem jährlichen Aufsteigen von S. nach N. den Äquator passiert, und endigt, wenn die Sonne die größte nördliche Abweichung erlangt hat; er dauert also dort vom 20. oder 21. März (Frühlings-Tag- und Nachtgleiche) bis zum 21. Juni (Sommer-Sonnenwende, Solstitium aestivum). Infolgedessen ist der H. auf der nördlichen Halbkugel um einige Tage kürzer als auf der südlichen, ein Unterschied, der von der verschiedenen Geschwindigkeit der Erde in ihrer jährlichen Bahn um die Sonne herrührt. In meteorologischer Hinsicht pflegen in der Regel die Monate September, Oktober, November als Herbstmonate bezeichnet zu werden. Der Charakter der Herbstwitterung ist anfangs beständig und klar, zum Schluß veränderlich und meist feucht, auch wird die Luft kälter, so daß sich häufig Frost und Schnee einstellen, von welchen letzterer aber selten lange liegen bleibt. Vgl. Jahreszeiten.

Herbst, 1) Johann Friedrich Wilhelm, Zoolog, geb. 1743 zu Petershagen bei Minden, starb 1807 als Archidiakonus in Berlin und schrieb: „Anleitung zur Kenntnis der Insekten“ (Berl. 1784–86, 3 Bde.); „Naturgeschichte der Krabben und Krebse“ (das. 1782–1804, 3 Bde.); „Einleitung zur Kenntnis der Würmer“ (das. 1787–88, 2 Bde.); „Natursystem der ungeflügelten Insekten“ (das. 1797–1800, 4 Hefte); „Naturgeschichte der in- und ausländischen Insekten“ (mit Jablonsky, das. 1782–1806, 21 Bde.).

2) Eduard, österreich. Jurist und Staatsmann, geb. 9. Dez. 1820 zu Wien, studierte daselbst, trat sodann in den Staatsdienst und arbeitete in der Finanzprokuratur, ward aber 1847 Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Hochschule in Lemberg. 1859 folgte er einem Ruf an die Prager Universität. Er veröffentlichte ein „Handbuch des allgemeinen österreichischen Strafrechts“ (Wien 1855, 2 Bde.; 7. Aufl. 1882–84), eine Sammlung von strafrechtlichen Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofs (das. 1853, 3. Aufl. 1858; Nachträge 1860), eine „Einleitung in das österreichische Strafprozeßrecht“ (das. 1860) und viele Abhandlungen in österreichischen juristischen Zeitschriften. Im politischen Leben spielte H. seit 1861 eine hervorragende Rolle. In den böhmischen Landtag gewählt, war er neben Brinz und Hasner der angesehenste Führer der deutschen Partei. Als Mitglied des Reichsrats gelang es ihm namentlich, im Gebiet der Finanzverwaltung so weit heimisch zu werden, um die Maßregeln der Regierung in diesen Dingen einer schneidigen Kritik zu unterwerfen. Im Ministerium des Fürsten Carlos Auersperg erhielt er 30. Dez. 1867 das Portefeuille der Justiz und legte zunächst dem Abgeordnetenhaus eine neue Zivilprozeßordnung vor. Als nach dem Abgang Auerspergs unter dem Präsidium des Grafen Taaffe sich das Ministerium in zwei Parteien spaltete, wovon die eine, die Minorität, der Entwickelung der Länderautonomie das Wort redete, gehörte H. der Majorität an, welche sich für strengere Zentralisation der cisleithanischen Provinzen aussprach. Beide Parteien aber mußten 12. April 1870 dem Ministerium Potocki weichen. Doch behauptete H. durch seinen Scharfsinn, seine unermüdliche Arbeitskraft und seine bedeutende Beredsamkeit als Führer der verfassungstreuen Linken einen hervorragenden Einfluß auf das Abgeordnetenhaus, der indes der von ihm vertretenen Sache nicht immer zum Nutzen gereichte, denn H. ließ sich oft von seiner Neigung zur Opposition und scharfen Kritik fortreißen. So trug er besonders durch seine leidenschaftlichen Angriffe auf das verfassungstreue Ministerium Auersperg wegen der Orientpolitik 1878–79 zum Sturz desselben bei, infolge dessen die Deutschliberalen die Majorität im Reichsrat verloren und unter dem Schutz des Ministeriums Taaffe die Slawen und Ultramontanen die Deutsch-Österreicher bedrückten. H. verlor daher an Einfluß und wurde 1885 sogar [411] von seinem alten Wahlbezirk Schluckenau nicht wiedergewählt, sondern in Reichenberg.

3) Wilhelm, Schulmann und Schriftsteller, geb. 8. Nov. 1825 zu Wetzlar, studierte 1844–47 in Bonn und Berlin Philologie und Geschichte, wurde 1850 Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Köln und 1851 am Blochmannschen Institut in Dresden. 1854–58 war er Oberlehrer am Gymnasium zu Elberfeld und benutzte während dieser Zeit ein Urlaubsjahr zu theologischen Studien in Berlin. 1858 an das Gymnasium zu Kleve versetzt, wurde er 1859 Direktor desselben, folgte 1860 einem Ruf nach Köln als Direktor des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums daselbst, mit welchem unter seiner Leitung eine Realschule verbunden wurde. 1865 ward er Direktor des Gymnasiums zu Bielefeld, 1867 Propst und Direktor des Pädagogiums zum Kloster Unsrer Lieben Frauen in Magdeburg, 1873 Rektor in Schulpforta, trat aber 1876 aus Gesundheitsrücksichten zurück und lebte bis zu seinem Tod (20. Dez. 1882) als Professor der Pädagogik in Halle. Von seinen Werken sind zu erwähnen: „Das klassische Altertum in der Gegenwart“ (Leipz. 1852); „Zur Geschichte der auswärtigen Politik Spartas“ (das. 1853); „Friedrichs d. Gr. Antimachiavell“ (Duisb. 1864); „Historisches Hilfsbuch“ (3 Tle., in zahlreichen Auflagen, Mainz); „Historisches Quellenbuch zur alten Geschichte“ (mit Baumeister und Weidner, Leipz. 1868–75, 5 Hefte); „Zur Frage über den Geschichtsunterricht auf höhern Schulen“ (Mainz 1869); „Thukydides auf der Schule“ (Programm, 1869); die Biographien: „Matthias Claudius“ (Gotha 1857, 4. Aufl. 1878), „K. G. Heiland“ (Halle 1869) und „Joh. Heinrich Voß“ (Leipz. 1872–76, 2 Bde.); „Goethe in Wetzlar“ (Gotha 1881) und „Aus Schule und Haus, populäre Aufsätze“ (das. 1882). 1878 begründete er das „Deutsche Litteraturblatt“, seit 1880 gab er die „Encyklopädie der neuern Geschichte“ (Gotha) heraus.