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MKL1888:Historische Litteratur

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Historische Litteratur“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 413419
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Historische Litteratur. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 413–419. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Historische_Litteratur (Version vom 27.05.2024)

[413] Historische Litteratur. Die h. L. ist in den Jahren 1888–90, welche wir hier ins Auge fassen wollen, durch eine große Anzahl von Werken darstellenden Charakters bereichert worden. Es sind teils Fortsetzungen schon früher begonnener Werke, teils Monographien, welche einzelne Perioden behandeln oder Lebensbilder von bedeutenden Persönlichkeiten geben wollen. Wir heben hier nur die wichtigern, auch für die Laienwelt interessanten Arbeiten hervor, konnten es aber nicht unterlassen, besonders in der neuern Geschichte auf eine Reihe von Werken hinzuweisen, die neue, bisher unbekannte Akten aus den Archiven an die Öffentlichkeit bringen und deren Verarbeitung dem künftigen Geschichtschreiber überlassen.

Altertum.

Von G. Busolt, „Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chaironeia“, ist ein zweiter Teil (Gotha 1888) erschienen, welcher die Perserkriege und das Zeitalter des Perikles bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges schildert. Wie schon im ersten, 1885 erschienenen Teile hat der Verfasser die Quellen mit großem Scharfsinn untersucht und zur Ergänzung der nach dem Abbrechen des Herodoteischen Werkes recht lückenhaften Überlieferung Staatsverträge, Münzen und etwa bei den Dichtern vorkommende Hinweise auf historische Vorgänge herangezogen. Gleichfalls dem 5. Jahrh. ist der zweite Band von A. Holm, „Griechische Geschichte“ (Berl. 1889), gewidmet. Auch er versteht den Stoff übersichtlich zu gruppieren und, was besonders für den Laien wesentlich ist, Hypothesen und mangelhaft beglaubigte Nachrichten als solche kenntlich zu machen. Abweichend von frühern Darstellungen, sieht er in Aristides wie Themistokles Anhänger der demokratischen Partei und nur persönliche Gegner. H. Delbrück sucht in einer Schrift, „Die Strategie des Perikles, erläutert durch die Strategie Friedrichs d. Gr.“ (Berl. 1890), die zuerst in den „Preußischen Jahrbüchern“ erschien, der bisher stets mißachteten militärischen Thätigkeit des Perikles Anerkennung zu verschaffen. Wertvoll für den Schluß des 5. Jahrh. ist L. Whibleys preisgekrönte Abhandlung: „Political parties in Athens during the Peloponnesian war“ (Cambridge 1889), worin neben den von jeher in Athen bestehenden beiden Parteien die Existenz einer Mittelpartei, der Nikias angehörte, angenommen wird. Aus dem Nachlaß von Adolf Schmidt hat F. Rühl ein „Handbuch der griechischen Chronologie“ (Jena 1888) herausgegeben, das sich jedoch nur mit dem attischen Kalender beschäftigt. Eine vortreffliche Darstellung der Erziehung der jungen Athener bis zum 20. Lebensjahr enthält P. Girards „L’éducation athénienne au V. et au IV. siècle avant J.-Chr.“ (Par. 1889). Hinter den erwähnten Büchern über die Geschichte Griechenlands steht wegen Mangels an Kritik erheblich zurück H. Welzhofers „Geschichte des griechischen Volkes bis zur Zeit Solons“ (Gotha 1889).

Eine völlige Umwälzung in den hergebrachten Auffassungen der ältern römischen Geschichte bringt J. G. Cuno zuwege, dessen 2. Band der Vorgeschichte Roms über „Die Etrusker und ihre Spuren im Volke und im Staate der Römer“ (Graudenz 1888) handelt, nachdem er vor einem Jahrzehnt im ersten Teile sich mit den Kelten beschäftigt hatte. Wenn auch des Verfassers Resultate trotz seiner bestechenden Deduktion auf recht unsichern Füßen ruhen, erwähnen wir sie: Etrusker und Latiner sind nahe verwandt, als Roms Mutterstadt ist Cäre anzusehen, und im römischen Staate bildeten ursprünglich die Etrusker die herrschende Bevölkerung, während die Plebs sich aus Latinern zusammensetzte. Danach wäre die Vertreibung der Tarquinier gleichbedeutend mit der Abschüttelung der etruskischen Herrschaft gewesen. Die „Römische Geschichte“ von W. Ihne liegt mit dem 8. Band, der 1890 erschienen ist, abgeschlossen vor. Sie endet mit dem Sturz der Republik durch Augustus und hat in ihren beiden letzten Bänden den inzwischen verstorbenen Professor Zumpt zum Verfasser. Der große Umfang des Werkes erklärt sich durch die Aufnahme des ganzen wissenschaftlichen Apparats. Mit dem so oft behandelten Schauplatz der Varusschlacht beschäftigen sich Schierenberg (Frankf. a. M. 1888), E. Dünzelmann (Gotha 1889) und in einem Nachtrag [414] zu seiner Abhandlung „Die Kriegszüge des Germanicus“ (Berl. 1889) F. Knoke. Der erstgenannte verwirft Mommsens Annahme von Osnabrück als Schlachtort und entscheidet sich für Horn in Lippe, der zweite für Lemförde (im Norden des Teutoburger Waldes), der dritte für Iburg. Eine Geschichte des Reiches der Seleukiden und dann der Parther findet sich in A. v. Gutschmids „Geschichte Irans und seiner Nachbarländer von Alexander d. Gr. bis zum Untergang der Arsakiden“ (Tübing. 1888), einem auf tiefer Gelehrsamkeit beruhenden Werke (selbst Berichte chinesischer Annalen werden verwertet), das nach des Verfassers Tode Th. Nöldeke herausgegeben hat. Einen viel tiefern Standpunkt nimmt G. Rawlinson, „History of Phoenicia“ (Lond. 1890), ein, das, obgleich auf einen weitern Leserkreis berechnet (es ist illustriert), an kritischer Gründlichkeit zu viel zu wünschen übrigläßt.

Mittelalter.

Den Übergang zum Mittelalter bildet M. J. Bury, „History of the later Roman empire“ (Lond. 1890), der in knappen Umrissen die Ereignisse von 395 bis Justinian und dann ausführlicher bis 800 mit besonderer Berücksichtigung der innern Zustände des byzantinischen Reiches schildert. Im wesentlichen in dieselbe Zeit, wenn auch in andre Gegenden, führt uns L. Lindenschmits „Handbuch der deutschen Altertumskunde“, dessen erster Band (Braunschw. 1889) die Altertümer der merowingischen Zeit behandelt. Abweichend von Arbois de Jubainville, der auch in der 2. Aufl. seiner „Premiers habitants de l’Europe“ (Bd. 1, Par. 1889) auf Grund der alten Schriftsteller die absonderlichsten Ansichten über die älteste Bevölkerung Europas aufstellt, stützt sich Lindenschmit lediglich auf die Altertümer und Gräberfunde, von denen er selbst eine wertvolle Sammlung im römisch-germanischen Zentralmuseum zu Mainz in mustergültiger Anordnung zusammengestellt hat. Ihm gilt als allein berechtigtes Prinzip für die Einteilung der Altertümer die Zeitfolge der Formen, nicht mehr wie bei seinen Vorgängern die Zeitfolge der Stoffe. Die Geschichte des fränkischen Reiches unter Merowingern und Karolingern stellt F. Dahn in der 1888 erschienenen zweiten Hälfte des ersten Bandes seiner „Geschichte der deutschen Urzeit“ dar, sich vielfach anlehnend an seine Behandlung desselben Gegenstandes in Band 3 seiner „Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker“. Über die sogen. Konstantinische Schenkung haben Brunner und Zeumer (Berl. 1888), W. Martens (Münch. 1889) und J. Friedrich (Nördling. 1889) geschrieben. Die genannten Gelehrten nehmen sämtlich die päpstliche Kanzlei in Rom als Entstehungsort der Fälschung an; weniger stimmen sie in betreff der Zeit überein. Die erstgenannten plaidieren für 813–816, Martens nicht recht überzeugend für die Zeit Hadrians I. (772–795), Friedrich endlich unterscheidet in der Urkunde einen ältern Teil, dessen Abfassung er vor 653, und einen jüngern, den er vor 754 ansetzt. Lamprecht, „Die römische Frage von König Pippin bis auf Ludwig d. Fr.“ (Leipz. 1889), tritt in betreff des ersten Teils der Urkunde Friedrichs Ansicht bei, die Abfassung des zweiten Teils verlegt er in die Jahre 813–816. Scheffer-Boichorst („Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung“, Bd. 10 u. 11) versetzt die Entstehung der ganzen Fälschung in die Zeit Pauls I. (757–767), Löning endlich in Sybels „Historischer Zeitschrift“, Bd. 65, in die erste Zeit Hadrians I. (772–781). Eine zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage von S. Abel, „Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter Karl d. Gr.“ (Bd. 1, Leipz. 1888) hat der Verfasser des 2. Bandes dieses Werkes, B. Simson, erscheinen lassen. H. Prutz, der früher in „Geheimlehre und Geheimstatuten des Tempelherrenordens“ (1879) diesem ketzerische Ansichten zuschrieb, welche seine Auflösung als berechtigt erscheinen ließen, mildert in seinem neuen Werke: „Entwickelung und Untergang des Tempelherrenordens“ (Berl. 1888) ihre Schuld erheblich, da er annimmt, daß der Orden nur bei der Aufnahme neuer Mitglieder irreligiöse, symbolische Gebräuche hatte. Eine vortreffliche, auf den gründlichsten Studien in französischen und italienischen Archiven beruhende Geschichte der Inquisition bietet H. Ch. Lea, „A history of the inquisition of the middle ages“ (New York 1888, 3 Bde.), ein Buch, das mehr Glauben beanspruchen darf als die frühern ultramontanen Darstellungen dieses Gegenstandes. Band 1 handelt von dem Ursprung der Inquisition in den Zeiten Gregors IX. und Innocenz’ IV., Band 2 von ihrer Wirksamkeit in Frankreich, Italien, Böhmen etc., Band 3 enthält einzelne Abhandlungen, z. B. über den Prozeß gegen die Templer, die Jungfrau von Orléans etc.

Deutschland.

A. Haucks „Kirchengeschichte Deutschlands“ (Bd. 1, Leipz. 1888) gibt eine auf besonnener Kritik beruhende und trotz des verwickelten Stoffes übersichtliche Darstellung der ältesten Zeit bis auf Bonifaz. Eine populäre „Deutsche Geschichte“, welche die Ergebnisse der neuern Forschung berücksichtigt, hat O. Kämmel (Dresd. 1889) geschrieben. Von G. Richters „Zeittafeln der deutschen Geschichte im Mittelalter“ ist die dritte Abteilung im Erscheinen begriffen; ein erster Band (Halle 1890) behandelt die Zeit der sächsischen und der ersten salischen Kaiser (bis 1056), letztere aus der Feder von H. Kohl. Noch weiter, bis zum Ausgang des salischen Geschlechts, reicht M. Manitius’ „Deutsche Geschichte unter den sächsischen und salischen Kaisern“ (Stuttg. 1889); der Verfasser zeigt große Vertrautheit mit dem Stoffe, berücksichtigt aber die innern Verhältnisse nicht ausreichend. Eine umfangreiche Biographie des Bischofs Otto I. von Bamberg, des Apostels der Pommern, hat G. Juritsch (Gotha 1889) geliefert. Noch vor seinem Tode war es W. v. Giesebrecht vergönnt, die lange erwartete zweite Abteilung von Band 5 seiner „Geschichte der deutschen Kaiserzeit“ zu veröffentlichen. Das Buch ist dem wichtigsten Lebensabschnitt Friedrich Barbarossas, der Zeit seiner Kämpfe mit Alexander III. und Heinrich dem Löwen, gewidmet. Der Verfasser verlegt die vielbesprochene Zusammenkunft des letztern mit dem Kaiser nach Chiavenna, ist aber auch nicht im stande, den Zeitpunkt genau festzustellen. Die „Jahrbücher der deutschen Geschichte“ haben durch E. Winkelmann, „Kaiser Friedrich II.“, wovon Bd. 1 (Leipz. 1889) bis 1228 reicht, eine wesentliche Bereicherung erfahren. Der Verfasser hat hier den von ihm schon in einer Monographie behandelten Stoff nochmals mit Benutzung neuen Urkundenmaterials bearbeitet und sich durch die annalistische Anlage jener Sammlung in seiner Darstellung nicht beengen lassen; seine meist günstige Auffassung von Friedrichs Wirksamkeit erscheint wohlbegründet. Th. Lindner behandelt im ersten Bande der „Deutschen Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern“ (Stuttg. 1890) den Zeitraum von Rudolf von Habsburg bis zu Ludwig dem Bayern mit gewohnter Gründlichkeit. Aus Rankes Nachlaß haben A. Dove und G. Winter einen 9. Teil der „Weltgeschichte“ [415] herausgegeben. Darin findet sich zunächst unter dem Titel: „Zeiten des Übergangs zur modernen Welt (14.–15. Jahrhundert)“ eine leider nicht auf der Höhe der heutigen Wissenschaft stehende Fortsetzung des Hauptwerkes, ferner eine Sammlung von historischen Vorträgen, die Ranke 1854 dem König Maximilian von Bayern in Berchtesgaden gehalten hat, und die zu den schönsten Leistungen des genialen Mannes gehören.

Von den im Auftrag der Historischen Kommission in München herausgegebenen Hanserezessen sind folgende Fortsetzungen erschienen: von der ersten Abteilung Band 6 (Herausgeber K. Koppmann) über die Jahre 1411–18, von der zweiten Abteilung Band 5 (Herausgeber v. d. Ropp) über die Jahre 1460–66, von der dritten Abteilung Band 3 und 4 (Herausgeber D. Schäfer) über die Jahre 1491 bis 1504. Zahlreich sind die Werke, die sich mit dem 16. Jahrh. beschäftigen. Populäre, aber auf sorgfältigen Forschungen beruhende Darstellungen enthalten Egelhaaf, „Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert bis zum Augsburger Religionsfrieden“, wovon Bd. 1 die Jahre 1517–26 umfaßt, und M. Ritter, „Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Kriegs“, deren erster Band den Zeitraum von 1555 bis 1586 behandelt. Beide Werke gehören wie die schon erwähnten von Manitius und Lindner und die noch zu erwähnenden Bücher von R. Koser und H. v. Zwiedineck-Südenhorst der von letzterm herausgegebenen „Bibliothek deutscher Geschichte“ an, die auf 24 Bände berechnet ist. Sie bilden einen wohlthuenden Gegensatz zu J. Janssens „Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters“, wovon Bd. 6: „Kunst und Volkslitteratur bis zum Beginn des Dreißigjährigen Kriegs“ (Freiburg 1888), eine weitere Probe von des Verfassers Geschick, die Überlieferung für seine ultramontanen Tendenzen zu verwerten, bietet. Wie zu erwarten, macht er die Reformation für den angeblichen Verfall der Litteratur und Kunst im 16. Jahrh. verantwortlich, übersieht aber, daß damals schon ein merklicher Aufschwung im gesamten Geistesleben gegenüber dem 15. Jahrh. eingetreten ist. Von H. Baumgartens „Geschichte Karls V.“ ist der Schluß des zweiten Bandes (Stuttg. 1888) erschienen, der die Ereignisse vom Bauernkrieg bis zu Karls Krönung in Bologna mit Benutzung von neuem Material aus dem Wiener Archiv behandelt. Unter den kleinern Werken über jene Zeit erwähnen wir: L. Keller, „Joh. v. Staupitz und die Anfänge der Reformation“ (Leipz. 1888), wonach Luthers bekannter Gönner als Vorkämpfer des evangelischen Glaubens gelten darf, obwohl er sich zum Austritt aus der katholischen Kirche nicht entschließen konnte. Ferner St. Stoy, „Erste Bündnisbestrebungen evangelischer Stände“ (Jena 1888), in dessen letzten Abschnitten über die Bemühungen Philipps von Hessen zu gunsten eines allgemeinen evangelischen Bündnisses (1526) mehr Licht verbreitet wird. Endlich G. Wolf, „Zur Geschichte der deutschen Protestanten“, 1555–59 (Berl. 1888), schildert die an den Augsburger Frieden sich schließenden Verhandlungen unter den Reichsständen nach neuem, in den Archiven Mitteldeutschlands gewonnenem Material. Der Anregung des Vereins für Reformationsgeschichte verdanken wir die Schrift von H. Ziegler: „Die Gegenreformation in Schlesien“ (Halle 1888), worin die gegen die schlesischen Protestanten verhängten Gewaltmaßregeln und ihre auch nach dem Westfälischen Frieden fortdauernde Unterdrückung geschildert werden. Zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs liefern wertvolle Aufschlüsse die Bände 35 und 39 der Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven: „Verhandlungen Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser, 1631–34“ (Teil 1 und 2, Leipz. 1888–89). Der Herausgeber G. Irmer, der in seiner Veröffentlichung bis zum Oktober 1633 gelangt, schöpft vornehmlich aus dem Nachlaß des schwedischen Residenten am Hofe zu Dresden, Nicolai. Danach schlug Wallenstein, der nicht zum zweitenmal die leitende Stellung im kaiserlichen Heere aufgeben wollte, 1633 den Schweden und Sachsen einen gemeinsamen Angriff auf des Kaisers Erblande und die ins Reich einrückenden Spanier vor, konnte aber das Vertrauen der Schweden nicht gewinnen, und deren Bedenken erwiesen sich als berechtigt, da der Herzog im Herbst 1633 seine Vorschläge zurückzog. In der oben erwähnten „Bibliothek deutscher Geschichte“ bearbeitet v. Zwiedineck-Südenhorst den Zeitraum der Gründung des preußischen Königtums und hat davon Bd. 1 (Stuttg. 1890) veröffentlicht, der vom Westfälischen Frieden bis zum Tode des Großen Kurfürsten reicht. Der Verfasser betont nicht allein des Kurfürsten Bedeutung für Preußen, sondern für das Deutsche Reich und das europäische Staatensystem.

Schon im ersten Supplementband (Bd. 17, S. 305) ist auf den ersten Band der Memoiren des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha, „Aus meinem Leben und aus meiner Zeit“, hingewiesen; inzwischen sind zwei weitere Bände (Gotha 1888) gefolgt, von denen der erstere die Zeit von den Dresdener Konferenzen (1850) bis zur Gründung des Nationalvereins (1859), der letzte die Thätigkeit des Vereins, die schleswig-holsteinische Verwickelung, die Ereignisse von 1866 und die Gründung des Deutschen Reiches behandelt. Diese Enthüllungen, gegen deren Glaubwürdigkeit ein Zweifel nicht möglich ist, gewähren interessante Aufklärungen über die preußische Politik vor dem Krimkrieg, über des Herzogs intimes Verhältnis zu Napoleon III., mit dem er durch Vermittelung des belgischen Prinzen Chimay eine geheime Korrespondenz unterhielt, über den Anteil des Herzogs an dem Schicksal des Augustenburgers u. a. Besonders wertvoll sind die Mitteilungen über den Anteil des Herzogs an den Langensalzaer Verhandlungen, welche die bis zuletzt von hannöverscher Seite erhobenen Vorwürfe widerlegen, und über seinen Aufenthalt im Hauptquartier in Böhmen und Mähren. Zum Schlusse werfen wir einen Blick auf die beiden epochemachenden Werke, welche sich die Darstellung der neuesten Geschichte Deutschlands zur Aufgabe gemacht haben. Von H. v. Treitschkes „Deutscher Geschichte im 19. Jahrhundert“ ist Bd. 4 (Leipz. 1889) erschienen. Er behandelt das auf die Julirevolution folgende Jahrzehnt und weist unter anderm nach, daß Friedrich Wilhelm III. sich den Einwirkungen Rußlands und Österreichs gegenüber selbständiger gehalten hat, als man bisher annahm; doch erspart er ihm nicht den Vorwurf, daß er nicht schon beizeiten die Provinzialstände zu einen beratenden Reichstag erweiterte. H. v. Sybels „Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.“ (Bd. 1–5, Münch. 1889–90) beruht auf den in den preußischen Archiven aufgehäuften Akten, ministeriellen Erlassen und Gesandtschaftsberichten, die durch die Depeschen fremder Mächte, Protokolle der Kammerverhandlungen, Zeitungsberichte und mündliche Mitteilungen ergänzt werden. Daß der Verfasser die deutsche Geschichte vom preußischen [416] Standpunkt aus ansieht, ist bei der Art seiner Quellen nicht verwunderlich. Nach einem Überblick über die deutsche Geschichte seit 1815 behandelt er vom 2. Bande an die Regierung Wilhelms I. ausführlicher und spricht z. B. über die Konfliktsjahre mit anerkennenswerter Unbefangenheit. Bd. 3 enthält eine vortreffliche Geschichte der schleswig-holsteinischen Verwickelung bis zum Wiener Frieden 1864, Bd. 4 erzählt die Zuspitzung des Konflikts zwischen Preußen und Österreich und Bd. 5 den Krieg von 1866; besonders interessant sind die Mitteilungen über die politischen Schachzüge zwischen Bismarck und Napoleon III. und über die Beratungen im preußischen Kronrat.

Deutsche Einzelstaaten.

Bevor wir uns zu den Darstellungen über einzelne Perioden der preußischen Geschichte wenden, erwähnen wir eine populäre (reichlich mit Abbildungen ausgestattete) Darstellung der „Geschichte des preußischen Staates“ von E. Berner, welche im Erscheinen begriffen ist. Trotz der Kürze der Darstellung merkt man überall die gründliche Sachkenntnis des Verfassers. Von dem vortrefflichen Werke des amerikanischen Gelehrten H. Tuttle, „History of Prussia“, sind 3 Bände (Bost. 1885–88) erschienen, welche bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges reichen und eine bei einem Ausländer doppelt anerkennenswerte Bekanntschaft mit der einschlägigen Litteratur offenbaren. L. Schmids „Die älteste Geschichte des erlauchten Gesamthauses Hohenzollern“ liegt mit dem 3. Bande (Tübing. 1888) abgeschlossen vor; darin wird der Nachweis geliefert, daß die fränkische und die schwäbische Linie der Hohenzollern von Friedrich III., Grafen von Zollern und Burggrafen von Nürnberg, abstammen. Trotzdem wird für die gegnerische Ansicht, daß nämlich Burggraf Friedrich von Nürnberg dem Geschlecht der Abensberger angehört und nach Vermählung mit der Erbin des erloschenen Geschlechts der schwäbischen Zollern letztern Titel angenommen habe, von Chr. Meyer („Die Herkunft der Burggrafen von Nürnberg, der Ahnherren des deutschen Kaiserhauses“, Ansbach 1889) eine Lanze gebrochen. Die 350jährige Gedenkfeier der Einführung der Reformation in Brandenburg hat J. Heidemann veranlaßt, eine auf gründlichen Studien beruhende Darstellung der „Reformation in der Mark Brandenburg“ (Berl. 1889) zu veröffentlichen; nur hätte der Verfasser vielleicht genauer auf die Streitfrage, ob der Übertritt des Kurfürsten in Berlin oder Spandau erfolgt sei (er erklärt sich mit Recht für letztern Ort), eingehen können. Die „Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten“ erhalten eine unschätzbare Ergänzung durch die von O. Meinardus herausgegebenen „Protokolle und Relationen des brandenburgischen Geheimen Rats aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm“. Der 1. Band (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven, Bd. 41, Leipz. 1889) reicht nur bis in den April 1643; er wirft auch auf die Gestalt des vielgeschmähten Grafen Schwarzenberg ein neues Licht, und das Urteil über diesen wird sich bald günstiger gestalten. R. Schück, „Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern“ (Leipz. 1882, 2 Bde.), behandelt die Versuche des Kurfürsten, Kolonien zu begründen, die Entstehung seiner Kriegsmarine, endlich den Untergang der Afrikanischen Kompanie nach archivalischem Material. A. Waddingtons „L’acquisition de la couronne royale de Prusse par les Hohenzollern“ (Par. 1888) bildet eine Ergänzung zu Pribrams Darstellung der mit Österreich gepflogenen Verhandlungen über die Annahme des preußischen Königstitels. Breysigs „Der Prozeß gegen Eberhard Danckelmann“ (Leipz. 1889) enthält eine vollständige Rechtfertigung des unglücklichen Staatsmanns. Von der „Politischen Korrespondenz Friedrichs d. Gr.“ hat A. Naudé Band 16 und 17 (Berl. 1888–89) herausgegeben, welche die Zeit vom 1. Nov. 1757 bis zum Schlusse des Jahres 1758 umfassen. R. Koser hat auf seine vortreffliche Darstellung von Friedrichs Schicksalen als Kronprinz eine Schilderung seiner Thätigkeit als Herrscher folgen lassen; er kommt im ersten Halbband seines an neuen Resultaten reichen und trotz aller Begeisterung für den König unparteiisch gehaltenen Werkes (Stuttg. 1890) bis zum Frieden von Dresden. Gleichzeitig hat auch die kriegsgeschichtliche Abteilung des Großen Generalstabes mit der Veröffentlichung eines Werkes über „Die Kriege Friedrichs d. Gr.“ begonnen, wovon Teil 1 den ersten Schlesischen Krieg behandeln soll; der (Berl. 1890) erschienene Band 1 endet mit der Schlacht bei Mollwitz. J. R. Danielson, „Die Nordische Frage in den Jahren 1746–1751“ (Helsingfors 1888), bringt Enthüllungen über die vergeblichen Bemühungen Rußlands, 1748 ein Bündnis mit Österreich, England und Dänemark gegen Preußen und Schweden herbeizuführen. Zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges sind mehrere Schriften erschienen: H. Granier, „Die Schlacht bei Lobositz“ (Bresl. 1890), enthält eine sehr anschauliche Schilderung jener folgenschweren Schlacht; von dem Werke des russischen Obersten Masslowski: „Die russische Armee im Siebenjährigen Kriege“, liegen zwei Abschnitte in deutscher Bearbeitung vor, nämlich „Der Feldzug Apraxins in Ostpreußen, 1756 bis 1757“, übersetzt von A. v. Drygalski (Berl. 1888) und Thilo v. Trotha, „Zur Geschichte der russisch-österreichischen Kooperation am Feldzug von 1759“ (Hannov. 1888); wie dort die Grundlosigkeit des auf Apraxin ruhenden Verdachts des Verrats erwiesen wird, so werden hier manche gegen Soltikow erhobenen Vorwürfe entkräftet. Als ein interessanter Beitrag zur Kenntnis jenes Krieges, besonders des Jahres 1760, muß auch Fr. v. d. Wengen, „Karl Graf zu Wied, königlich preußischer Generalleutnant“ (Gotha 1890) bezeichnet werden. Friedrichs letzte Lebensjahre (1775–86) behandelt nach den neuern amtlichen Publikationen Band 2 von E. Reimann, „Neuere Geschichte des preußischen Staates“ (Heeren-Ukertsche Sammlung, Gotha 1888). Über die Ursachen der Niederlagen von 1806 verbreitet neues Licht die von Keim herausgegebene Schrift des Generals v. Clausewitz, „Nachrichten über Preußen in seiner großen Katastrophe“ (Berl. 1888), aus den Jahren 1823–24. Ein anziehendes Buch, das unter andern die Schlachten von Ligny und Waterloo aus eigner Anschauung schildert, heißt „Kriegerleben des Joh. v. Borck, weiland königlich preußischer Oberstleutnant (1806–15)“, bearbeitet von Leszczynski (Berl. 1888). Ch. Auriols „Défense de Dantzig en 1813“ (Par. 1888) enthält das Tagebuch des französischen Ingenieurgenerals v. Campredon, das während der Belagerung abgefaßt ist, und bietet wesentliche Berichtigungen zu Thiers. Großes Aufsehen haben die „Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls H. v. Boyen“ erregt, die F. Nippold in 3 Bänden (Leipz. 1889–90) herausgegeben hat; sie reichen bis zur Schlacht bei Leipzig und sind wegen der liberalen Anschauungen des Autors und seines freimütigen, wenn auch zuweilen einseitigen [417] Urteils über die damals maßgebenden Persönlichkeiten interessant. Manches Neue enthalten die Denkschriften des Freiherrn v. Canitz und Dallwitz (Berl. 1888, 2 Bde.), der vor der Märzrevolution Minister des Auswärtigen in Berlin war, doch lassen sie sich an Bedeutung nicht vergleichen mit den Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generals Oldwig v. Natzmer, die unter dem Titel „Unter den Hohenzollern“ in 4 Bänden (Gotha 1887–88) erschienen sind. Sie umfassen den großen Zeitraum 1820–61 und sind besonders wertvoll durch den Briefwechsel des Prinzen, spätern Kaisers Wilhelm I., mit Natzmer, der ihm seit 1814 persönlich nahestand.

Für die Geschichte der einzelnen preußischen Landesteile kommen in Betracht: O. Schwebel, „Geschichte der Stadt Berlin“ (Berl. 1888, 2 Bde.), die von der großen Belesenheit des Verfassers zeugt, aber in der Benutzung der Quellen Kritik manchmal noch vermissen läßt. Band 1 reicht bis 1640, Band 2 bis zur Gegenwart; interessant ist die Erklärung der Namen Berlin als „Tummelplatz des Federviehes“ und Kölln als „Dorf auf Pfählen“, beide aus dem Wendischen. Eine vortreffliche Geschichte von „Potsdam und Sanssouci“ hat der durch seine gründlichen Forschungen in der märkischen Geschichte bekannte G. Sello (Bresl. 1888) verfaßt; er greift auf die alte Erklärung des Namens Potsdam „unter den Eichen“ zurück. Ein Seitenstück zu seinen vielgelesenen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ liefert Th. Fontane in „Fünf Schlösser. Altes und Neues aus der Mark Brandenburg“ (Berl. 1889); unter andern werden hier die Schicksale der Quitzowschen Burgen Quitzöwel und Plaue behandelt. H. Pröhle, „Die Lehninische Weissagung“ (Berl. 1888), schreibt die Autorschaft der bekannten Fälschung wieder dem Abt Nikolaus v. Zitzewitz zu. Der als Kenner der schlesischen Geschichte bekannte Geheime Archivrat K. Grünhagen hat ein Werk über „Schlesien unter Friedrich d. Gr.“ begonnen, wovon Band 1 bis 1745 reicht und besonders in den Abschnitten, welche von der Umgestaltung Schlesiens in eine preußische Provinz handeln, interessant ist. Eine Fülle bisher unbekannten urkundlichen Materials hat J. Hansen im 1. Band seines Buches „Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert“ (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven, Bd. 34) über die Soester Fehde veröffentlicht. Demselben Gelehrten verdankt man auch die Herausgabe von Band 2 der Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte („Chroniken der deutschen Städte“, Bd. 21, Leipz. 1889), der meist Quellen zur Geschichte der Soester Fehde enthält. K. Menzel hat seine „Geschichte von Nassau“, die Fortsetzung des vielbändigen Werkes von Schliephake, im 3. Bande (1889), dem 7. des Gesamtwerks, bis zum Regierungsantritt des Herzogs Wilhelm (1816) geführt und damit beendigt. Obwohl mehr in das Gebiet der Kunstgeschichte gehörig, verdient doch auch hier erwähnt zu werden das mit vortrefflichen Abbildungen und Tafeln ausgestattete Werk von Steinbrecht, „Preußen zur Zeit der Landmeister; Beiträge zur Baukunst des Deutschen Ritterordens 1230–1309“ (Berl. 1888), worin die jenem Zeitraum angehörenden Ordensburgen und Kirchen in Preußen besprochen und an künstlerischem Werte über die Bauten der folgenden Zeit gestellt werden.

Aus der historischen Litteratur über die kleinern Staaten Deutschlands erwähnen wir: B. Erdmannsdörffer, „Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden“, deren 1. Band (Heidelb. 1888) die Jahre 1783–92 umfaßt; darin sind wichtige Aktenstücke über die Entstehung des Fürstenbundes und Badens Stellung zu Frankreich und andern Mächten mitgeteilt. S. Riezler hat von seiner „Geschichte Bayerns“ den 3. Band (Gotha 1889) veröffentlicht, der den Zeitraum 1347–1508 behandelt. Eher ein psychologisches als historisches Interesse erregen die „Briefe der Kurfürstin Sophie von Hannover an die Raugräfinnen und Raugrafen zu Pfalz“, die E. Bodemann (Leipz. 1888) in Band 27 der „Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven“ herausgegeben hat. Ungleich wertvoller für die Geschichte und besonders geeignet, das Urteil über König Friedrich von Württemberg, der 1808 nur um der Selbsterhaltung willen auf Frankreichs Seite trat, günstiger zu gestalten, ist dessen „Politische und militärische Korrespondenz mit Napoleon I. 1805–13“ (Stuttg. 1889), deren Herausgabe wir A. v. Schloßberger verdanken. Zum Schlusse machen wir noch auf zwei Schriften zur Geschichte der Hansestädte aufmerksam: M. Hoffmann, „Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck“, deren erste Hälfte (Lübeck 1889) mit Sachkenntnis deren Geschichte bis zum Schlusse des Mittelalters behandelt; R. Ehrenberg hat der Eintritt Hamburgs in den Zollverein Anlaß zu der Schrift „Wie wurde Hamburg groß? I. Die Anfänge des Hamburger Freihafens“ (Hamb. 1888) gegeben; danach hat man schon 1692 daran gedacht, den Transitzoll dort aufzuheben, doch ist er nur allmählich verringert und erst 1874 ganz aufgehoben worden.

Ausland.

Österreich. Die in der Heeren-Ukertschen Sammlung seit 1884 erscheinende „Geschichte Österreichs“ von A. Huber ist um einen dritten Band (Gotha 1888) vermehrt worden. Derselbe schildert die Entstehung der modernen Großmacht Österreich, die nach einer Periode tiefsten Verfalls durch die Vereinigung mit Ungarn und Böhmen (1527) im wesentlichen den heutigen Umfang erreichte. Der Herzog von Broglie, der aus frühern Schriften als erbitterter Feind Friedrichs d. Gr. von Preußen bekannt ist, hat wieder einige seiner in der „Revue des Deux Mondes“ veröffentlichten Aufsätze zu einem Buche: „Marie Thérèse impératrice“ (Par. 1888, 2 Bde.), vereinigt, worin mit gleicher Parteilichkeit ein Zeitraum des österreichischen Erbfolgekriegs (1744–46) geschildert wird; es handelt sich hier vornehmlich um die Stellung Frankreichs zu Kaiser Karl VII. und Friedrich II. von Preußen. E. Wertheimer hat dem schon 1884 erschienenen ersten Bande seiner „Geschichte Österreichs und Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts“ 1890 einen zweiten folgen lassen, welcher sowohl über die Schlacht bei Aspern als über die innern Verhältnisse des Kaiserstaats manche neuen Aufschlüsse gibt. Trotz mancher Mängel der Darstellung ist die Biographie des Fürsten Ludwig Starhemberg, ehemaligen Gesandten in London, die sein Enkel Graf Thürheim (Graz 1889) verfaßt hat, für die Kenntnis des Napoleonischen Zeitalters von Bedeutung, besonders wegen der darin enthaltenen Briefe von Gentz, Stadion u. a. Die zahlreichen Veröffentlichungen aus Metternichs Nachlaß benutzt de Mazade, „Un chancelier d’ancien régime“ (Par. 1889), zu einer recht lesbaren Charakteristik des österreichischen Staatsmannes.

Päpste. Der Abbé O. Delarc liefert in dem Werke „Saint Grégoire VII et la réforme de l’Église au XI. siècle“, wovon Band 1 und 2 (Par. 1889) nur Gregors Leben bis zu seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl behandeln, eine recht breit angelegte Darstellung über jene welthistorische Persönlichkeit [418] vom ultramontanen Standpunkt aus. Unparteiisch, aber etwas oberflächlich ist das Buch von Ugo Balzani, „The popes and the Hohenstaufen“ (Lond. 1889). Die Vorgänge bei der bekanntlich bald beanstandeten Wahl des Papstes Urban VI. hat der Abbé L. Gayet in „Le grand schisma d’occident“ (St.-Etienne 1889, Band 1) einer eingehenden Untersuchung unterworfen und veröffentlicht darüber die im Vatikan gefundenen Akten (in Übersetzung); auch er hält die Wahl für unrechtmäßig, vermag uns aber nicht zu überzeugen, da er es unterlassen hat, die von ihm abgedruckten Quellen auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu prüfen. Dagegen bietet Pasolini, „I tiranni di Romagna e i papi nel medio evo“ (Imola 1888), eine geschickte Zusammenstellung der Kämpfe, welche den Päpsten am Schlusse des Mittelalters den Besitz der Romagna eintrugen.

Italien. Für einen weitern Leserkreis ist bestimmt des Grafen A. F. v. Schack „Geschichte der Normannen in Sizilien“ (Stuttg. 1889, 2 Bde.), eine recht brauchbare populäre Darstellung aus der Feder des bekannten Dichters, der mit dem Schauplatz der Begebenheiten und der arabischen Litteratur wohl vertraut ist. Weniger wegen seiner Darstellung, die nicht frei von Voreingenommenheit gegen Frankreich ist, als wegen des darin veröffentlichten ungedruckten Materials verdient E. Parri, „Vittorio Amedeo II. ed Eugenio di Savoia nelle guerre della successione spagnuola“ (Mail. 1888) erwähnt zu werden; der Verfasser schildert übrigens die Ereignisse bis zum Tode des Prinzen Eugen (1736). Mit der Jugend des Prinzen Karl Albert von Savoyen-Carignan, des spätern Königs, beschäftigen sich zwei Schriften: Costa de Beauregard, „Prologue d’un règne. La jeunesse du roi Charles-Albert“ (Par. 1889), und D. Perrero, „Gli ultimi Reali di Savoia del ramo primogenito ed il principe Carlo Alberto di Carignano“ (Turin 1889). Der erstere benutzt die Aufzeichnungen des Chevalier Sylvano Costa und legt mehr Wert auf eine pikante Darstellung (sie ist aus Zeitungsaufsätzen entstanden) als auf historische Gründlichkeit; Perrero, der mit Glück gegen ihn polemisiert, widerlegt die von ihm vorgetragene Behauptung, daß die Königin Maria Theresia, Viktor Emanuels I. Gemahlin, gegen des Prinzen Nachfolge in Piemont gewirkt habe.

Frankreich. Nach dem Vorbild der deutschen Quellenkunde von Dahlmann-Waitz hat G. Monod in der „Bibliographie de l’histoire de France“ (1888) eine solche für Frankreich bis zum Beginn der französischen Revolution entworfen. Aus dem Mittelalter erwähnen wir hier nur die Schrift von R. Davidsohn, „Philipp II. August und Ingeborg“ (Stuttg. 1888), worin nachgewiesen wird, daß der König zur Verstoßung und Wiederannahme seiner Gattin nur durch politische Rücksichten bestimmt wurde; ferner das auf gründlichen Studien beruhende und glänzend illustrierte Buch von H. F. Delaborde, „L’expédition de Charles VIII en Italie“ (1888). A. de Ruble, „Le traité de Cateau-Cambresis“ (1889), behandelt den Frieden von 1559 und seine Durchführung in den beteiligten Staaten. E. Marcks, „Die Zusammenkunft von Bayonne“ (Straßb. 1889), widerlegt die Annahme, daß damals schon (Juni 1565) zwischen Katharina von Medici, Alba etc. Verabredungen über das Blutbad der Bartholomäusnacht getroffen wurden. Der Graf von Gontaut-Biron hat die Korrespondenz seines Vorfahren Jean de Gontaut-Biron, Baron de Salignac, herausgegeben, der 1605–10 Gesandter Frankreichs bei der Pforte war. H. Chotard, „Louis XIV, Louvois, Vauban et les fortifications du nord de la France“ (1890), schildert die Entstehung der Festungen im Nordosten Frankreichs nach Briefen von Louvois an den Ingenieur de Chazerat. Eine Darstellung der französischen Politik im Zeitalter Ludwigs XIV. hat A. Legrelle begonnen, dessen Werk „La diplomatie française et la succession d’Espagne“ im ersten Bande: „Le premier traité de partage“ (1888) die Zeit von 1668, dem Teilungsvertrag zwischen Ludwig und dem Kaiser, bis zum Frieden zu Ryswyk behandelt. Obwohl der Verfasser den umfangreichen Stoff völlig beherrscht und recht gewandt schreibt, so beeinträchtigt er doch die Glaubwürdigkeit seiner Ergebnisse durch Mangel an Unparteilichkeit. Um so anerkennenswerter ist die Unbefangenheit, mit der M. de Vogué, „Villars d’après sa correspondance et des documents inédits“ (Bd. 1 u. 2, 1888), seinen Helden beurteilt; mit Recht nimmt er ihn gegen die Angriffe von Saint-Simon in Schutz und weist auf Villars’ große militärische Tüchtigkeit hin, während er ihm als Diplomaten nur geringe Befähigung zuerkennen kann. Neues Material zur Kenntnis der französischen Revolution bringt der 3. Band der „Papiers de Barthélemy, ambassadeur de France en Suisse 1793–94“ (hrsg. v. J. Kaulek, 1888) vom republikanischen und die „Mémoires et souvenirs du Baron Hyde de Neuville“ (1888–90, 2 Bde.) vom royalistischen Standpunkt aus. Die Gründe für das Mißglücken der Landung der Franzosen in Irland erörtert G. Escande, „Hoche en Irlande“ (1888). H. Welschinger, „Le duc d’Enghien“ (1888), weist nach, daß Napoleon allein die Schuld an der Erschießung des Herzogs trifft. Eine durch ihre Objektivität ausgezeichnete Biographie Mirabeaus hat Alfred Stern geliefert (Berl. 1889, 2 Bde.), der auf die sittlichen Schwächen des genialen Mannes hinweist. Neues Material zur Beurteilung Talleyrands liefern zwei Publikationen: „La mission de Talleyrand à Londres en 1792“ (1889), seinen Briefwechsel mit dem auswärtigen Ministerium, dem General Biron u. a. enthaltend, hat E. Pallain zum Herausgeber, die „Lettres inédites de Talleyrand à Napoléon 1800–1809“ (1889) sind von P. Bertrand veröffentlicht. H. Welschinger, „Le divorce de Napoléon“ (1889), weist die Unrechtmäßigkeit der Scheidung von Josephine nach. Die Memoiren des Grafen von Rochechouart, welche sein Sohn unter dem Titel: „Souvenirs de la Révolution, l’Empire et la Restauration“ (1889) veröffentlicht hat, enthalten manche interessante Einzelheiten über den russischen Krieg und den Feldzug von 1813, zumal über die Anschauungen Bernadottes, den der Graf im Auftrag des russischen Kaisers aufsuchte; sie enden 1834 und sind meist zwischen 1840 u. 1850 verfaßt. Eine wertvolle Ergänzung zu dem Werke der Lady Blennerhassett nach der politischen Seite hin bildet die Biographie der Madame de Staël von A. Sorel (1890). Seit 1885 läßt P. Thureau-Dangin eine „Histoire de la monarchie du Juillet“ erscheinen, die in Band 5 (1889) bis zum Jahre 1845 gediehen ist; trotz der etwas parteiischen Haltung des Verfassers ist das Werk besonders für die Kenntnis der innern Geschichte Frankreichs von großem Werte. Den Briefwechsel des 1842 verstorbenen Herzogs von Orléans und das Tagebuch über seine Feldzüge in Algerien haben seine Söhne, der Graf von Paris und der Herzog von Chartres, 1889–90 veröffentlicht. Marschall Randon, den man sonst für den Verfall des französischen Heeres unter Napoleon III. verantwortlich [419] macht, findet eine übertrieben günstige Beurteilung in einer von A. Rastoul (1890) veröffentlichten Biographie. Zum Schlusse erwähnen wir noch eine von E. de Menorval begonnene Geschichte der Stadt Paris, deren 1. Band (1890) bis 1380 reicht und eine ganz brauchbare Zusammenstellung gibt.

England. Die populäre Sammlung „Twelve English statesmen“ beginnt mit „William the conqueror“ von der Hand Freemans (1888), der darin einen Auszug aus seiner Geschichte der normännischen Eroberung liefert. Gleichfalls populär, aber wertvoll wegen der Benutzung der in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten Archivalien ist J. Gairdners „Henry VII.“ (1889). Mandell Creighton verdanken wir eine Biographie des Kardinals Wolsey (1888), die im Einklang mit andern neuern Werken über die Zeit Heinrichs VIII. den einflußreichen Staatsmann ziemlich günstig beurteilt. Die Litteratur über die berüchtigten Kassettenbriefe ist durch Henderson, „The casket letters and Mary queen of Scotts“ (1889), vermehrt worden; der Verfasser sucht die Echtheit aller Kassettenbriefe, sogar die des von Breßlau angezweifelten zweiten Glasgower Briefs zu erweisen und druckt im Anhang diese Briefe vollständig ab. Von Cromwells Biographie aus der Feder von F. Hoenig sind Band 2 u. 3 (Berl. 1888 bis 1889) erschienen, worin der Verfasser die Thätigkeit des Lord-Protektors bis 1650, bez. bis zu seinem Tode schildert, aber das bekannte Quellenmaterial nur teilweise heranzieht und in der Wertschätzung seines Helden wohl etwas zu weit geht. Eine unparteiischere Beurteilung erfährt Cromwell in der oben erwähnten englischen Sammlung, für welche F. Harrison (1888) sein Leben bearbeitet hat, und in einem Buche von R. Palgrave (1890). Auch S. Gardiner, der beste Kenner der englischen Geschichte im 17. Jahrh., der soeben den 2. Band seiner „History of the great civil war“ (1890) veröffentlicht hat, hält sich von jeder Überschätzung Cromwells frei, ja er bemängelt sogar dessen militärische Leistungen. Eine wertvolle Zusammenstellung der wichtigsten Aktenstücke aus jener für Englands Verfassungsgeschichte bedeutsamen Zeit liefert derselbe Gelehrte in den „Constitutional documents of the Puritan revolution 1628–60“ (1890). Die „Correspondance between William Pitt and Charles duke of Rutland“ ist von dem Enkel des letztern (1890) herausgegeben worden.

Schweden. In der umfangreichen Sammlung „Rikskansleren Axel Oxenstierna’s skrifter och brefvexling“ hat Styffe von dessen historischen und politischen Schriften einen Band (aus der Zeit von 1605 bis 1652) herausgegeben, in einem zweiten veröffentlicht Per Sondén Briefe und Instruktionen von Gustav Adolf (Stockh. 1888). Die für die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges wertvolle Publikation schöpft aus dem ehemaligen Archiv Oxenstiernas in Tidö. Die innern Zustände Schwedens zu Anfang des 18. Jahrh. faßt G. E. Axelson (Wisby 1888) ins Auge und weist im einzelnen nach, wie unheilvoll Karls XII. Regierung für das Land gewesen ist. Die schon vor 20 Jahren veröffentlichten Memoiren der Königin Ulrike Luise, der Schwester Friedrichs d. Gr., hat F. Arnheim (Halle 1888) kritisch untersucht. Die von Rußland und Schweden vereinbarte bewaffnete Neutralität des Jahres 1800 behandelt H. Larsson (Lund 1888). – Bei Gelegenheit der Jubelfeier der Bauernemanzipation in Dänemark sind mehrere Schriften erschienen, unter denen wir die Darstellungen von E. Holm und J. Steenstrup (Kopenh. 1888) über die soziale Stellung der Bauern im vorigen Jahrhundert und die Kämpfe, welche zu ihrer Befreiung führten, hervorheben. Gleichzeitig hat Fridericia die darauf bezüglichen Aktenstücke von 1733 und 1788 veröffentlicht.

Andre Staaten. J. Caro hat den 5. Band seiner „Geschichte Polens“ (Gotha 1888) vollendet, der sich mit dem Zeitraum 1455–80 beschäftigt und in seiner ersten Hälfte den 13jährigen Krieg mit dem Ordensstaat mit gewohnter Unparteilichkeit schildert. Schybergson hat eine „Geschichte von Finnland“ (Helsingfors 1887–89, 2 Bde.) bis zur Gegenwart verfaßt. F. W. Schirrmacher hat die von ihm übernommene Fortsetzung der vor fast 60 Jahren von Lembke begonnenen „Geschichte von Spanien“ wieder um einen Band (Bd. 5, Gotha 1890) gefördert, worin das Jahrhundert von Peter III. bis zum Tode Peters IV. von Aragonien geschildert wird. Der spanische Staatsmann Canovas del Castillo veröffentlichte unter dem Titel: „Estudios del reinado de Felipe IV“ (Madr. 1888–89, Bd. 1 u. 2) eine Reihe von Aufsätzen, in denen er, wie z. B. im ersten, über die von Spanien gegenüber Portugal befolgte Politik, ins 16. Jahrh. zurückgreift; in spätern Aufsätzen schildert er die Kriege Spaniens gegen Frankreich bis zum Pyrenäischen Frieden.

Wir schließen diese Übersicht mit dem Hinweis auf zwei Schriften zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerika: J. Fiske, „The critical period of American history 1783–89“ (Lond. 1888), behandelt den Zeitraum nach dem Befreiungskrieg in populärer Form; da er nur bekannte Quellen verwertet, darf man von ihm neue Ergebnisse nicht erwarten; in seiner Beurteilung der leitenden Staatsmänner weicht er mehrfach von der bisher geltenden Auffassung ab. Eine Ehrenrettung des Staatssekretärs Randolph, den man des Verrats von Staatsgeheimnissen an den französischen Gesandten Fauchet beschuldigt hat, versucht mit Glück M. D. Conway, „Omitted chapters of history disclosed in the life and papers of E. Randolph, governor of Virginia“ (New York 1888). Weiteres s. im Bericht über die Nordamerikanische Litteratur.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe noch die Fortsetzung: Historische Litteratur 1890/91 (Band 19).