MKL1888:Holzstoff

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Holzstoff“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 686687
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Holzstoff. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 686–687. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Holzstoff (Version vom 09.05.2021)

[686] Holzstoff, Fasermasse, welche in großer Menge in der Papierfabrikation als Ersatz der Hadernfasern sowie zur Anfertigung von Papiermaché, künstlichem Holz (s. Plastische Massen), neuerdings auch in der Chirurgie Verwendung findet und auf mechanischem oder chemischem Weg aus verschiedenen Hölzern, namentlich aus der Fichte, Tanne und Espe, gewonnen wird. Im erstern Fall wird das mit Sägen in Klötze zerschnittene und durch Ausbohren von Ästen und Knorren befreite Holz auf groben Sandsteinen zu Fasern zerschliffen, weshalb dieser H. den Namen Holzschliff führt. Im Wesen besteht ein solcher Schleifapparat aus einem auf einer horizontalen oder vertikalen Welle befestigten Schleifstein von 1300–1400 mm Durchmesser und 400–450 mm Breite, der sich mit 120–150 Umdrehungen in der Minute dreht, und gegen dessen Umfläche Holzstücke mit den Fasern quer gegen die Bewegungsrichtung angedrückt werden. Die am häufigsten vorgekommene Anordnung mit vertikalem Stein auf horizontaler Achse ist eine Erfindung von Keller in Mitweida, die, von Völter in Heidenheim ausgeführt, gewöhnlich mit dem Namen Völter-System belegt wird. Eine von den zahlreichen Ausführungen dieses Systems zeigt Fig. 1. Der zur Vermeidung des Verschmierens in dem Wassertrog B umlaufende Schleifstein A ist von einem starken Bogenstück c d umgeben, das zur Aufnahme der Holzstücke fünf viereckige, radial gestellte Zellen a besitzt, in denen ein Kolben mit einer Zahnstange m das Holz gegen den Stein preßt. Zu dem Zweck greifen in die Zahnstangen m m1 Triebräder o [687] ein, welche durch Kettenräder n vermittelst der um n und m1 laufenden Kette k von dem Gewicht g aus umgedreht werden, indem die Triebräder o durch lösbare Kuppelung an h mit den Rädern n in und außer Eingriff gebracht werden. Die abgeschliffene Fasermasse wird durch Spritzrohre von dem Stein abgespült und durch den Kanal O zu dem Sortierapparat geleitet, um hier eine Abscheidung nach der Feinheit der Fasern zu erfahren. Als Sortierapparat dienen 3–4 Cylindersiebe von zunehmender Feinheit, denen der in vielem Wasser schwimmende Holzschliff von außen zugeführt wird, so daß der feinere

Fig. 1.
Völters Schleifapparat.

Stoff in das Innere und aus diesem heraus gegen das nächstfolgende strömt etc.; der grobe, vor dem ersten Sieb liegen bleibende Schliff gelangt dann auf den Raffineur oder Verfeinerer, der aus einem Mahlgang von zwei Steinen besteht, zwischen denen derselbe verfeinert wird, um dann nochmals den Sieben zuzugehen. Mit einem solchen Schleifapparat größerer Art kann man in 24 Stunden etwa 800 kg Holzschliff erzeugen, der, in drei Sorten sortiert, entweder gleich verbraucht, oder für den Versand durch eine Art Papiermaschine entwässert wird. Zur Gewinnung von H. auf chemischem Weg werden dünne (1,5–2 mm dicke), quer gegen den Stamm geschnittene Holzscheiben mit Natronlaugen von 10–12° B. bei hoher, 6–14 Atmosphären betragender Spannung in Kesseln vermittelst Dampf oder selten auf freiem Feuer 5–6 Stunden gekocht. Hierdurch lösen sich alle die Holzzelle umgebenden harzigen etc. Teile (die inkrustierende Materie), so daß aus dem Prozeß reine Cellulose hervorgeht, weshalb die auf chemischem Weg bereitete Holzmasse auch speziell den Namen Holzcellulose führt. Als Beispiel einer solchen Kochanlage mag die nebengezeichnete Fig. 2 eines sehr bewährten Systems dienen. Ein aus starkem Eisenblech konstruierter Doppelkessel H von etwa 1,3 m Durchmesser ist in der Weise stehend eingemauert, daß die in dem Feuerraum F sich entwickelnde Flamme um die Schutzmauer a in den Raum c zwischen Kessel H und Mauer M gelangt und durch schraubenförmig verlaufende Zungen gezwungen wird, den ganzen Kessel spiralförmig zu umziehen. Der cylindrische, etwa 4 m lange Kesselteil wird oben durch den Kegelstutzen o mit abnehmbarem Dom zum Einbringen der Holzscheiben, unten durch den Kegelstutzen mit Ansatz C zum Entleeren und Rohr r zum Ablassen der Lauge abgeschlossen. Der kleine, horizontale Kessel e, welcher durch die mit Hähnen versehenen Röhren o und n mit dem Hauptkessel in Verbindung steht, dient als Laugebehälter, aus dem die Lauge nach Bedürfnis in den Kochkessel fließen kann.

Fig. 2.
Kochapparat.

Gegenwärtig werden die Cellulosekocher auch fast ausschließlich mit Dampf und nicht mit freiem Feuer geheizt, wo dann die Kochung bei einem Druck von 12–14 Atmosphären in 5–6 Stunden beendet ist. Statt der Natronlauge wird in neuester Zeit zum Zersetzen der Inkrustationen vielfach eine Lösung von schwefligsaurem Kalk oder schwefligsaurer Magnesia (Calcium- oder Magnesiumsulfit) in schwefliger Säure verwendet u. dadurch der sogen. Sulfitstoff gewonnen, der in seiner Güte zwischen dem Holzschliff u. der Cellulose steht. Die Kochung muß dabei in Kesseln stattfinden, die mit Blei gefüttert sind. Nach dem Kochen drückt man die im Kocher befindliche Lauge durch den gespannten Dampf aus dem Holz heraus (in Fig. 2 nach Öffnen des Hahns r), fängt dann das gekochte, durch C aus dem Kocher genommene Material in Wagen auf, zerreibt es auf Mahlgängen oder in Holländern und sortiert, trocknet und verpackt dasselbe wie Holzschliff.