MKL1888:Interpellation
[1001] Interpellation (lat.), Unterbrechung; dann Einrede, Einspruch, Mahnung des Gläubigers an den Schuldner (s. Verzug); im parlamentarischen Leben die formelle Anfrage, welche an die Staatsregierung um Auskunftserteilung oder um Rechenschaft über eine bestimmte Angelegenheit seitens der Volksvertretung gerichtet wird. Manche Verfassungsurkunden (z. B. die preußische, Art. 81) räumen den Kammern ausdrücklich das Recht ein, die Regierung zu interpellieren. In diesem Fall besteht für die Regierung die Verpflichtung zur Beantwortung, sei es, daß dieselbe materiell auf die Sache eingeht, sei es, daß sie ablehnend ausfällt. Aber auch da, wo die Verfassung das Interpellationsrecht des Landtags nicht ausdrücklich anerkennt, wird dasselbe in der parlamentarischen Praxis geübt, so namentlich auch im deutschen Reichstag. Nach der Geschäftsordnung desselben (§ 32 ff.) müssen Interpellationen an den Bundesrat mindestens von 30 Mitgliedern unterzeichnet sein und dem Präsidenten übergeben werden, welcher sie dem Reichskanzler abschriftlich mitteilt und diesen in der nächsten Sitzung zur Erklärung darüber auffordert, ob und wann er die I. beantworten werde. Im Bejahungsfall wird dann der Interpellant an dem bestimmten Tag zur Ausführung der I. zugelassen. Eine Diskussion darf sich an die Beantwortung oder Ablehnung der I. anschließen, wenn von mindestens 50 Mitgliedern darauf angetragen wird. Abgesehen von der förmlichen I., ist es auch einzelnen Abgeordneten unbenommen, Anfragen über diesen oder jenen Gegenstand an die Vertreter der Regierung zu richten, wie dies namentlich bei der Etatsberatung vielfach geschieht. Eine Verpflichtung zur Beantwortung solcher Fragen besteht allerdings nicht.