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MKL1888:Juwelierkunst

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Juwelierkunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Juwelierkunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 342343
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Juwelierkunst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 342–343. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Juwelierkunst (Version vom 26.12.2024)

[342] Juwelierkunst, ein selbständiger Zweig der Goldschmiedekunst, datiert von der Erfindung des Schleifens der Edelsteine, vornehmlich des Diamanten, mit Diamantstaub durch Ludwig van Berquen um 1456, welche Erfindung zunächst die Folge hatte, daß man das „Feuer“, das wechselnde Farbenspiel, des Diamanten viel höher schätzte als die konstante Farbe der Steine. Zwar hatte man, soweit unsre Kenntnis des Altertums reicht, schon in ältester Zeit Edelsteine gefaßt, um sie als Schmuck des Menschen verwenden zu können. Aber mancherlei Erwähnungen in der [343] Bibel u. a. O. zeigen, daß man im Altertum zwischen natürlichen Steinen und Glasfluß nicht streng unterschied. Bis in das Mittelalter fand man einen Hauptreiz in der Zusammenstellung verschiedenfarbiger Steine. Wie auf dem Brustgeschmeide des Hohenpriesters der Juden zwölf verschiedene Steine die zwölf Stämme andeuteten, schreibt der Mönch Theophilus vor, Edelsteine verschiedener Farbe miteinander abwechseln zu lassen, z. B. an Kronreifen, Gewandsäumen etc. Den Griechen und griechisch gebildeten Römern war der Edel- und Halbedelstein das vorzüglichste Material für den Gemmen- und Kameenschnitt, und wenn auch die Färbung oder die Seltenheit den Wert eines Ringsteins erhöhte, so wurde dieser doch vor allem in der Arbeit des Künstlers gesucht. Die berühmten Kleinodien des Altertums, wie der Ring des Polykrates, waren Intaglien, und Plinius sagt noch ausdrücklich, die Edelsteine seien dazu da, mit Zeichen (Schriftzügen, Sinnbildern etc.) versehen zu werden; allein er rügt auch bereits, daß seine Zeit anfange, auf die Steine selbst einen ungebührlichen Wert zu legen. Die Kleinodien und die Kostümbilder aus dem Mittelalter zeigen in den Kronen, Agraffen, an Rüstungen, Büchereinbänden etc. die Edelsteine nur geglättet und wesentlich in ihrer natürlichen Gestalt, ferner in Verbindung mit Email, Filigran etc. Den ersten Diamantschmuck in Frankreich soll Agnes Sorel (gest. 1450) besessen haben. Von jener Zeit an erlangte das Fassen, Aufbringen, Tingieren der Edelsteine (s. Edelsteine) eine höhere Bedeutung. Cellini gibt zu alledem umständliche Anweisungen. Zu seiner Zeit war es bereits allgemein gebräuchlich und erlaubt, den Edelsteinen (zu welchen er nur Rubin–Feuer, Diamant–Wasser, Saphir–Luft, Smaragd–Erde und bedingungsweise Topas–Sonnenlicht rechnet) Folie zu geben. Dagegen war die Anwendung einer Tinktur auf der Unterseite des Steins nur bei den Diamanten gestattet, bei den übrigen Steinen galt es ebenso als Fälschung wie das namentlich in Mailand betriebene Dublieren. In Deutschland erreichte die J. in der Zusammenstellung von farbigen Steinen, Perlen und Email ihren Höhepunkt im 16. Jahrh. Durch das Vorwiegen des Diamanten und zumal seit Einführung des Brillantschliffs im 17. Jahrh. wurde eine Umwälzung im Geschmack bewerkstelligt, welche für die J. verhängnisvoll werden sollte. Das unruhige Gefunkel des facettierten Steins ordnet sich in kein künstlerisches Ensemble ein, zerstört in der Zusammenstellung mit andern Steinen deren Wirkung, und so ging allmählich auch der Sinn für künstlerischen Schmuck überhaupt verloren. Kleine Steine verschiedener Färbung und Perlen wurden im vorigen Jahrhundert noch zur Umrahmung von Medaillons u. dgl. verwendet (Rokokoschmuck); vorwiegend aber suchte man ein Gleichgewicht gegen den Diamanten in der Zusammenstellung großer Edelsteine von durchaus gleicher Farbe zu Einem Schmuck oder in der Häufung vieler kleiner gleicher Steine auf Einem Stück in der Art, daß das Ganze ungefähr einem einzigen, zu unzähligen Facetten geschliffenen Stein glich. Eine heilsame Reaktion gegen den farblosen Schmuck begann erst mit der allgemeinen Reform des Kunstgewerbes seit dem Beginn der 70er Jahre des 19. Jahrh., wobei man auf die farbigen Renaissancemuster des 16. Jahrh. zurückgriff. Eine reiche Sammlung von solchen Mustern enthält das Werk von F. Luthmer: „Der Goldschmuck der Renaissance“ (Berl. 1881). Als Kuriosität ist zu erwähnen, daß in der ersten französischen Revolution Bijoux de la révolution, gefaßte Stücke Stein von der Bastille, als Schmuck getragen wurden. Vgl. auch Boué, Traité d’orfèvrerie, bijouterie et joaillerie (Par. 1832, 2 Bde.); v. Kulmer, Handbuch für Gold- und Silberarbeiter und Juweliere (2. Aufl., Weimar 1887), sowie die Artikel Bijouterien und Goldschmiedekunst und die Abbildungen auf Tafel „Schmucksachen“.