MKL1888:Katakomben
[603] Katakomben (etymologisch noch unerklärt, vielleicht griech. kata kymbas, d. h. bei den Schluchten), unterirdische, in Felsen gehauene Begräbnisstätten. Die K. Ägyptens (griech. Hypogeia oder Syringes) finden sich noch erhalten an der libyschen Bergkette; die bedeutendsten sind die sogen. Königsgräber bei Theben. Die römischen und andern italienischen K. zeigen schmale und ungleiche Gänge (Krypten) sowie auch vielfach verschiedene Niveaus, nämlich 3–5 Stockwerke übereinander. Ihr ursprünglicher Name ist Coemeterium (s. d.). Je nach dem Namen des Besitzers jenes Grundstücks (area), worauf und unter welchem Grabstätten angelegt wurden, hieß das abgegrenzte Cömeterium, z. B. des Prätextatus etc. Die einzelnen Gräber hießen locus oder loculus. Zuweilen liegen mehrere Gräber beisammen in einer sogen. Grabkammer (cubiculum oder crypta); häufig begegnet man einer bogenförmigen Nische über dem Grab (arcosolium, Bogengrab). Die meisten Gräber sind einfach horizontal in die Wände der die Grabkammern verbindenden Galerien dicht neben- und übereinander eingehauen und mit einer Steinplatte geschlossen, die Namen und sonstige Inschriften aufweist. Diese im weichen Tuffstein (tufa litoide und granulare) angelegten unterirdischen Gänge füllen die ganze Umgegend Roms aus und würden, der eine an den andern angefügt, gegen 1000 km betragen. Im 3. Jahrh. zählte die römische Christengemeinde nach der Zahl ihrer tituli oder Pfarreien 25 oder 26 derartige Friedhöfe unter der Erde, neben welchen es etwa noch 20 einzelne Grabstätten, die im Familienbesitz verblieben, gab. Jetzt kennt man 54 K., deren einzelne Gänge, aneinandergereiht, eine Länge von 876 km ausmachen. Wie bis zum 3. Jahrh. durch die Privatbesitzer der bezüglichen Grundstücke mit den Gräbern für letztere nach dem römischen Gesetz Sicherheit gegeben war, so später durch die Korporationen für Begräbnis (collegia funeraticia), deren Rechtsnormen die Christenheit benutzte, um dem Staat gegenüber bestehen zu können. Das jetzt unter der Kirche San Sebastiano liegende Cömeterium hieß man schon im 4. Jahrh. in catacumbas, wovon später der Name auf alle andern übertragen wurde. Alle Cömeterien liegen nach römischem Gesetz außerhalb der Stadtmauern, nicht, wie man früher glaubte, unterhalb der Stadt; die ältesten und wichtigsten sind diejenigen an der Appischen Straße, das Coemeterium Calixti und das Coemeterium ad catacumbas, gegenüber das des Prätextatus; an der Ardeatinischen Straße das älteste, nämlich das der Domitilla, und einige kleinere. Seit Konstantin d. Gr. wurden über den berühmtesten Cömeterien Basiliken erbaut, z. B. St. Peter, St. Paul, St. Laurentius, St. Agnes. Seit Ende des 4. Jahrh. kamen diese Kirchhöfe außer Gebrauch; sie wurden aus Begräbnisstätten Kultusstätten, und seit 756 übertrugen die Päpste die Leichen der Märtyrer in die Kirchen der Stadt, so daß die Cömeterien verlassen und erst durch einen Zufall im Mai 1578 wieder aufgefunden wurden. Ähnliche K. fanden sich in Neapel, Syrakus, Malta, Alexandria, Kyrene, Spanien etc., die aber an Ausdehnung [604] und Reichtum der Denkmäler hinter den römischen zurückstehen. Letztere reichen bis in das 2. Jahrh. zurück und enthalten die ältesten Zeugnisse christlicher Kunst. Die leichte, dekorative Verzierungsweise der Wandgemälde mit den Arabesken, dem guten Hirten etc. schließt sich jedoch noch ganz an die spätrömische Malerei an, nicht minder die hier und da mit meist rohen Reliefs geschmückten Sarkophage, Lampen, Gläser etc. Vor den Christen begruben schon die römischen Juden ihre Toten in K., und von ihnen nahmen auch die Christen diese Sitte an. Man hat bei Rom vier jüdische K. gefunden. Altchristliche K. im eigentlichen Sinn kommen weder in Frankreich noch in Deutschland und Österreich vor. Nur auf dem Cömeterium des heil. Eucharius bei Trier hat man eine unterirdische Begräbnisstätte (hypogeum) entdeckt, und ebenso dienten die Grotten in der Einsiedelei zu Salzburg zu altchristlichen Begräbnisstätten. Die Pariser K. sind ursprünglich Steinbrüche gewesen, welche schon seit römischer Zeit Kalkstein als Baumaterial lieferten und sich unter einem großen Teil der Stadt hinziehen. Erst seit 1786 wurden die auf eingegangenen Kirchhöfen ausgegrabenen Gebeine in die unterirdischen Gänge der Steinbrüche geschafft, welche danach den Namen K. erhielten. Während der Revolution wurden auch Leichen Hingerichteter und Gestorbener in die K. geworfen. Seit 1810 wurden die Gebeine und Schädel geordnet und an den Wänden befestigt, auch Kapellen aus den Knochen errichtet. Das Hauptwerk über die römischen K. ist de Rossi, La Roma sotterranea cristiana (Rom 1874–79, 3 Bde.), welches zugleich gelehrte Erörterungen über die Inschriften, Skulpturen u. Gemälde, ihren Stil und ihre Gegenstände enthält. Außerdem vgl. Perret, Les catacombes de Rome (Par. 1851–1856, 5 Bde.); Kraus, Roma sotterranea; die römischen K. (2. Aufl., Freiburg 1879); V. Schultze, Die K. von San Gennaro dei Poveri in Neapel (Jena 1877); Derselbe, Die K. Die altchristlichen Grabstätten, ihre Geschichte und ihre Monumente (Leipz. 1882); Roller, Les catacombes de Rome (Par. 1881, 2 Bde.); Armellini, Le catacombe romane (Rom 1880).