MKL1888:Kaviār

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kaviār“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 645646
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Kaviār. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 645–646. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kavi%C4%81r (Version vom 15.01.2023)

[645] Kaviār (aus dem Türkischen oder Tatarischen), eingesalzener Rogen des Hausen, Stör, Scherg und Sterlett, wird besonders am untern Lauf der Wolga, Emba, des Mius, Don, Dnjepr, Bug und Dnjestr, am Ural, Aralsee, Asowschen und Kaspischen Meer bereitet und namentlich von Astrachan aus in den Handel gebracht. Die bei weitem größte Menge des Kaviars stammt vom Hausen, der bisweilen bis 3 Ztr. Rogen enthält. Der dunkelgraue Rogen wird auf einem Sieb geknetet, damit die Eier durch dessen Maschen hindurchfallen, während Membranen, Fasern und Fett des Eierstockes auf dem Sieb zurückbleiben. Die reinen Eier werden mit 4–6 Proz. feinem Salz gemengt und liefern den teuern flüssigen K. (Ikra). Je großkörniger, lockerer, frischer und je schwächer derselbe gesalzen ist, desto höher wird er geschätzt; aber diese beste Sorte kann nur bei Winterfrost bereitet werden und ist am wenigsten haltbar. Preßkaviar (Pajusnaya) wird mit Salzlake gesalzen, dann in Säcken gepreßt und in Tönnchen gefüllt, die innen mit Leinwand ausgeschlagen sind (daher Serviettenkaviar). In neuester Zeit wird der K. auch in hermetisch verschließbare Blechbüchsen gefüllt, in welchen er sich sehr lange hält. Die Produktion des flüssigen Kaviars beträgt 1/71/8 (etwa 500,000 kg) von der des Preßkaviars. Der beste K. ist der russische, besonders der von Astrachan und der aus der Krim. Hauptbestandteile des Kaviars sind Eiweiß und Fett, er ist leicht verdaulich und nahrhaft und wirkt in eigentümlicher Weise anregend und reizend auf den Magen. Er mundet besonders zum Wein; in der Küche benutzt man ihn als Farce für Pasteten und Omeletten und als Zusatz zu feinen Würsten. Bei Tisch figuriert er als Entremet oder als Zuspeise zu gebratenem Fasan etc. In Rußland genießt man ihn hauptsächlich als Vorkost mit Branntwein, bei uns auf Brot, am besten auf geröstetem Weißbrot und ohne Butter. Zwiebeln und Zitronensaft verderben den Wohlgeschmack des guten K. Die Kaviarproduktion hat sich in den letzten Jahren sehr ausgebreitet; abgesehen von dem in Pillau, Magdeburg und Hamburg dargestellten K. aus Elbstören wird auch roter K. (Ketzin) für die Juden aus Hechten, Karpfen, Karauschen, für die ärmern Volksklassen K. aus Zandern, Brassen, Sparusarten und Zärten gewonnen. In Italien bereitet man K. aus dem Rogen der Thunfische, Wolfsbarsche, Brassen, Äschen, welchen [646] man in die Fischblasen füllt, salzt und hart räuchert, Norwegen salzt den Rogen des Dorsches, der Makrele und des Leng (Gadus Molva) ein. K. ist in den Niederungen des Dnjepr, des Don und der Wolga ein wichtiges Nahrungsmittel des Volkes; der größte Teil des Exports geht nach der Türkei, Rumänien, Serbien, Persien und Ägypten, während er im westlichen Europa wegen der Länge und Schwierigkeit des Transports, der geringen Haltbarkeit und beschränkten Produktion als Delikatesse gilt, die schon zu Anfang des 16. Jahrh. beliebt war. Fischrogen wurde wahrscheinlich zuerst in Italien eingesalzen und gepreßt und galt in Klöstern als Fastenspeise. Der flüssige K. ist eine Erfindung der Kosaken und jetzt besonders in Deutschland geschätzt.