MKL1888:Kestner
[701] Kestner, Charles, Industrieller, geb. 30. Juni 1803 zu Straßburg als Enkel von Goethes Freund K. und der Charlotte K. (s. Buff 1), studierte in Göttingen Chemie, bereiste Frankreich und Schottland, wurde dann Associé seines Vaters in der von diesem 1816 zu Thann gegründeten chemischen Fabrik und nach dessen Tod 1846 alleiniger Inhaber der Fabrik, die er unter dem Beistand seiner Schwiegersöhne, besonders des Chemikers und französischen Senators Scheurer-K., leitete. Kestners Hauptverdienst liegt auf dem Gebiet der technischen Chemie. Er hat die chemische Großindustrie im Elsaß begründet. Die Fabrikation der Schwefelsäure wurde durch ihn nebst allen Nebenfabrikationszweigen in großartigem Maßstab ausgeführt. Ferner lieferte er alle für die elsässische Färberei und Zeugdruckerei erforderlichen Chemikalien, besonders Zinnverbindungen und Weinsäure. Die Darstellung der letztern gab Veranlassung zur Entdeckung der Traubensäure. K. fabrizierte ferner Guignetgrün und viele andre Farbstoffe, nach Ankauf großer Waldungen auch Holzessig und die übrigen Destillationsprodukte des Holzes. Einen besonders hohen Standpunkt gewann die Fabrik durch die wahrhaft väterliche Sorge für das Wohl der Arbeiter, denen K. die nützlichsten Institutionen geschenkt hat. K. war auch Politiker und glühender Republikaner. Zweimal wählten seine Landsleute ihn in gesetzgebende Versammlungen. 1848 war er in der Konstituante, 1850 in der Legislative Deputierter des Oberrheins. Bei Gelegenheit des Staatsstreichs wurde K. in Mazas eingekerkert und dann verbannt, konnte aber nach einiger Zeit zurückkehren und beteiligte sich, von schweren körperlichen Leiden heimgesucht, seitdem nicht mehr am politischen Leben. Er starb 12. Aug. 1870.