MKL1888:Koloschen
[961] Koloschen (Koljuschen, Kaljuschen oder, wie sie sich selbst nennen, Thlinkit, Klinkits, „Menschen“), die Urbewohner des Küstenstrichs von Alaska, welcher sich vom Eliasberg südostwärts bis zum Dixonsund erstreckt, sowie der vorliegenden Küsteninseln, namentlich des Alexander-Archipels. Sie zerfallen in zwei Stämme: die Stikhin-Kwan, am Stikhinfluß, und die Sitkin-Kwan, an der Sitkabai bei Neuarchangel und auf den benachbarten Inseln. Ihre Gesamtzahl gibt der Zensus von 1880 auf 6757 Seelen an. Die K. bilden den Übergang zu den Nutkaindianern auf der Vancouverinsel, sprechen aber Dialekte, die von denen ihrer Nachbarn bedeutend abweichen. Sie sind in ihrem Äußern (s. Tafel „Amerikanische Völker“, Fig. 2), namentlich ihrer gelbbraunen Farbe, einigermaßen verschieden von den übrigen Indianern Nordamerikas, durchschnittlich klein, aber wohlgebaut und kräftig, führen meist ein seßhaftes Leben in Rindenhütten oder Blockhäusern und zeigten, ehe sie durch Branntwein u. a. herunterkamen, große Geschicklichkeit in Anfertigung von Haarschmuck aus Walroß- und Haifischzähnen, Klappern, Waffen, Götzenbildern, Kriegermasken, Schnitzereien etc. Auch verwendeten sie vor Ankunft der Europäer Kupfer zur Verfertigung ihrer Dolche und Lanzenspitzen, doch weiß man über den Ursprung des Metalls nichts; jetzt sind sie im Besitz von Gewehren. Gegenwärtig wird nur noch das Korbflechten von Frauen und Mädchen mit großer Gewandtheit betrieben. Im übrigen sind [962] die K. noch immer dasselbe, kühne und schlaue Volk wie vor 100 Jahren, das den Fremden bei der Jagd auf Seehunde, Seelöwen und Pelztiere unentbehrliche Dienste leistet. Ihre Pirogen, die oft 50–60 Menschen fassen können, bestehen aus ausgehöhlten Baumstämmen oder aus Holzgestellen, die mit Seehundsfellen überzogen werden. Wasser, Regen, Wälder, Bären, Fische etc. fassen sie als feindliche Mächte auf, deren Gunst man sich um jeden Preis erwerben muß, und an deren Spitze ein namenloses Wesen steht, der Inbegriff des Todes, der Zerstörung und alles Unglücks. Von großem Einfluß sind immer noch die sogen. Medizinmänner, die als Lehrer, Priester, Propheten und Dichter in Einer Person fungieren. Der Unsterblichkeitsglaube ist bei den K. vorhanden, doch beruht er auf sehr materiellen Anschauungen. Es besteht eine Adelsklasse und der Gebrauch des Totem; die Kriegsgefangenen werden zu Sklaven gemacht, bei Leichenbegängnissen auch geopfert. Vgl. Pinart, Notes sur les Koloches (im „Bulletin“ der Pariser Anthropologischen Gesellschaft 1872); Pfizmaier, Aufklärungen über die Sprache der K. (Wien 1884); Friedr. Müller, Bemerkungen über das Verbum der koloschischen Sprache (das. 1884); Krause, Die Tlinkitindianer (Jena 1885).