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MKL1888:Koralleninseln

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Koralleninseln“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Koralleninseln“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 77
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Koralleninseln. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 77. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Koralleninseln (Version vom 27.12.2024)

[77] Koralleninseln, s. Korallenriffe.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 495497
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[495] Koralleninseln. Die riffbauenden Steinkorallen fordern eine Wassertemperatur von mehr als 19°, Abwesenheit von Verunreinigungen wie Sand, Schlamm etc. und hinreichende Nahrung. Sie sind deshalb beschränkt auf die tropischen und subtropischen Meere und auf seichtes Wasser; tiefer als 50 m unter dem Meeresspiegel gedeihen keine Riffkorallen. Sie fehlen an Flußmündungen und an solchen Stellen, wo der Wind Sand ins Meer weht. Sie sind abhängig von Strömungen, welche ihnen Nahrung zuführen. Man findet Riffkorallen an den tropischen Ostküsten, die von warmen, an Tieren reichen Strömungen bespült werden, während sie an den Westküsten mit kalten Strömungen und mit schneller Temperaturabnahme nach der Tiefe hin fehlen. Siedeln sich Riffkorallen an einer günstig gelegenen, bisher noch unbesetzten Küste an, so wird sich bald der submarine Abhang von der Ebbegrenze bis hinab zu einer Tiefe von 50 m mit Korallen bedecken. Die Breite des Korallengürtels, welcher in dieser Weise zu stande kommt, hängt von der Steilheit des submarinen Abhanges ab, den er bedeckt. Ist der Neigungswinkel , so beträgt die Breite des Korallengürtels m. Innerhalb dieser Korallenzone wachsen die Korallen, fußend auf den Skeletten ihrer Ahnen, senkrecht empor bis zur Ebbegrenze und erreichen dieselbe selbstverständlich zuerst in der Nähe der Strandlinie. Das ebene Korallenplateau verbreitert sich und sein Rand rückt vor bis zu der Tiefenlinie von 50 m. In manchen Gegenden, wie im Roten Meere, sind diese Strandriffe viel weniger mächtig, da die Korallen dort nicht unter 20 m Tiefe zu gedeihen scheinen. An der steilen, unter Umständen 50 m hohen äußern Wand der Strandriffe wachsen die Korallen, von den heranflutenden Wogen reichlich ernährt, üppig und schnell weiter. Es entsteht also ein überhängender Teil, der endlich sich nicht mehr zu tragen vermag, von Stürmen losgerissen wird und in die Tiefe stürzt. So entstehen am Fuße der äußern Wand steile Geröllhalden, auf denen sich Korallenbrut ansetzen kann, und wenn die Bodenneigung in der Umgebung des Riffes eine sanfte ist, so kann sich das letztere sehr weit ausbreiten. Bei schnell zunehmender Tiefe ist der Zuwachs ein sehr geringer, und bei großen Tiefen wirkt der hier herrschende Reichtum des Meerwassers an Kohlensäure schnell lösend auf die Korallentrümmer, so daß das Riff über die Tiefenlinie von 1500–2000 m nicht hinauswachsen kann. Die am äußern Rande lebenden Korallen ersetzen die abgerissenen Teile, das Riff bleibt stationär.

Tritt nach Bildung eines Strandriffs eine positive Verschiebung der Strandlinien ein, steigt der Meeresspiegel, so können die Korallen nachwachsen, am schnellsten aber wegen der reichlichern Zufuhr von Nahrungsmitteln der äußere Rand des Riffes. Bei heftigen Stürmen und Erdbeben können Korallenblöcke losgerissen und aufeinander getürmt werden, so daß auf dem erhöhten Randteil des Riffes ein Damm sich bildet, welcher die gewöhnliche Flutgrenze überragt und sich allmählich mit einer Vegetation bedeckt, die nebst den Winden zu weiterer Erhöhung beiträgt. Durch diese Dammbildung am Rande wird den weiter landeinwärts wachsenden Korallen die Nahrung mehr und mehr entzogen, so daß eine Erhöhung nicht mehr stattfinden kann, daß die Korallen absterben. Sinkt nun das Land und mit ihm der Meeresboden, so wird der Rand des Strandriffs sich immer an der Meeresoberfläche halten, zwischen ihm und dem Lande aber entsteht ein Kanal, der Lagunenkanal, der nach außen durch den Rand, das Wallriff (Barriereriff), abgeschlossen wird. Bilden die Wallriffe an Küsten von Kontinenten lange, schmale Wälle, so entstehen um sinkende Inseln ringförmig geschlossene Riffe, und wenn die Insel endlich ganz versinkt, Atolle, bei denen das Riff nur eine Lagune einschließt. Kleinere Atolle besitzen ziemlich oft vollständig geschlossene Ringwälle, bei größern sind letztere von Kanälen durchbrochen. Der Boden der Lagune, welche 60–150 m Tiefe besitzt, ist mit kalkigem Sediment bedeckt, welches heftige Regengüsse vom erhöhten Riffrande abgespült haben. Die Abdachung vom innern Rande des Walles ist eine sehr sanfte, und die Vegetation reicht in der Regel bis hart an den Rand der Lagune. Tümpel und Sümpfe werden häufig am Ufer der Lagune angetroffen. Am äußern Rande des Walles ist die Vegetation durch eine sanft geneigte Flache weißen Korallensandes vom Meere getrennt. Ein wenig unter der Ebbegrenze liegendes, von schmalen Schluchten durchfurchtes Plateau erstreckt sich vom äußern Rande der Insel sanft geneigt mehrere hundert Meter weit in die offene See hinaus und bricht plötzlich mit steiler Wand ab. Dieser Steilhang ist häufig unregelmäßig und klippig, stets aber nimmt seine Neigung nach untenhin ab. Auf dem Plateau, besonders gegen den Rand hin sowie an den obern Teilen des äußern Steilhanges wachsen riffbauende Korallen. In Tiefen von 50 m und mehr findet man Bruchstücke von Korallen, welche Geröllhalden bilden und schnell miteinander zu hartem Kalkstein oder Dolomit verkittet werden, in welchem Korallenstruktur oft gar nicht mehr zu erkennen ist. Bei tiefer Ebbe brechen sich die großen Wogen der offenen See an dem Plateaurande, bei hoher Flut näher dem Strande, stets aber ist das Plateau von heftig bewegtem Wasser überflutet, welches den Korallen reichlich Nahrung zuführt und üppiges Wachstum begünstigt. Durch weitere positive Strandverschiebungen wird die Gestalt des Atolls nicht wesentlich verändert; es wächst [496] ebenso schnell in die Höhe, wie das Meer ansteigt, und nimmt gleichzeitig an horizontaler Ausdehnung zu. Dies geschieht dort am schnellsten und stärksten, wo das Meer am reichlichsten Nahrung zuführt, und deshalb wird der der Strömung zugekehrte Teil des Atolls nach außen fortwachsen, während dies bei dem gegenüberliegenden Teile gar nicht oder nur in geringem Maße der Fall sein wird.

Bei größern Atollen ist der Ringwall in der Regel durch Kanäle durchbrochen, welche in Tiefen herabreichen können, in denen riffbildende Korallen niemals gedeihen. Die heftigen Strömungen, welche bei Ebbe und Flut durch die Kanäle gehen, fegen alles Sediment aus denselben hinweg, halten sie offen, mögen sie auch wohl verbreitern und schließlich den ganzen Ringwall in einen Kreis isolierter Inseln auflösen. Jede einzelne Insel aber kann bei weiterer gleichsinniger Verschiebung der Strandlinie zu einem besondern Atoll werden, und so erklären sich die Ringe von Atollen wie der Mahlos-Mahdoo-Atoll, der Maledivenarchipel u. a.

In den tropischen Gebieten, wo eine positive Verschiebung der Strandlinien stattgefunden zu haben scheint, finden sich viele Wallriffe und Atolle, die aus größtenteils strukturlosem, mehr oder weniger in Dolomit umgewandeltem Korallenkalk bestehen. Die betreffenden Strandverschiebungen müssen als lokale, durch begrenzte Versenkungen herbeigeführte betrachtet werden. Der geologische Bau der Küsten, welche großen Riffgebieten zugekehrt sind, weist in der That auf Versenkungen, lokale Einstürze der Erdrinde hin. Diesen Senkungsfeldern entragen jetzt mächtige, steile, submarine Kalkgebirge, welche bis an die Meeresoberfläche heranreichen. Es sind Wallriffe und Atollgruppen, Denksteine versunkener Strandlinien und Berggruppen.

Die Paläontologie lehrt, daß auch in frühern Perioden der Erdgeschichte Korallen existiert haben, welche allem Anschein nach ein ähnliches Leben führten wie ihre Nachkommen. Es werden also wohl auch in frühern Zeiten Korallenriffe gebildet worden sein, und man darf annehmen, daß einige derselben infolge der Oscillationen des Meeresspiegels seither trocken gelegt worden seien. Man wird dann hohe und steile Felsen erblicken, welche sich von dem frühern Meeresgrunde erheben, kalkig und dolomitisch sind und keine Schichtung oder andre Struktur in ihrem Gefüge erkennen lassen. Temperaturschwankungen zerklüften dann das Gestein an der Oberfläche, gefrierendes Wasser sprengt größere Stücke los, der Regen bildet Rinnsale und Schluchten, Geröll häuft sich am Fuße der Berge an, und das ganze Riff wird schließlich in eine steile, mit zackigen Graten und Zinnen gekrönte Felsmasse verwandelt. In der That gibt es genug Berge dieser Art, welche, wie die rezenten Riffe, tells aus Kalk, teils aus Dolomit bestehen. Unbedeutende Riffreste finden sich bereits im Silur, sehr viel bedeutendere in der devonischen Formation, so im östlichen Teile der südlichen Kalkalpen, in der Eifel, in Westfalen, in Mähren, Belgien, im Harz u. a. O. In der Nähe von Bristol finden sich Riffe, welche dem Kohlenkalk angehören. Die mächtigste Entfaltung erlangten die Korallenriffe in Europa zur Triaszeit. Ein großer Teil der nördlichen und südlichen Kalkalpen besteht aus triassischen Korallenriffen. Auch zur Jurazeit wurden im Gebiet der Kalkalpen, z. B. im Salzkammergut, Riffe gebildet. Der Kreideformation gehören die Riffkorallen der Gosauschichten an, die allerdings keine rechten Risse bildeten. Endlich lieferte auch die Tertiärzeit Korallenriffe.

Die großartigsten Korallenriffreste sind die triassischen Dolomitberge von Südtirol. Sie füllen eine Bucht aus, welche von S. her in die Zentralalpen hineinragt und von dem Bozener Porphyrplateau in eine östliche und eine westliche Hälfte zerlegt wird. Östlich von dem Plateau erlangen die triasischen Riffe ihre größte Mächtigkeit, und hier liegen auch die größten Gipfel der Dolomiten. Das ganze Gebirge besteht aus einzelnen Felsmassen, die steil abstürzen und schmal und klippig oder breiter und mit kleinen Plateaus gekrönt sind. Dieser stockförmige Bau des Gebirges zeigt deutlich, daß dasselbe nicht wie die Zentralalpen durch Faltung horizontal gelagerter Sedimentgesteine, sondern in andrer Weise entstanden sein muß. Der größte Teil des im Gebiet der Dolomiten zu Tage stehenden Gesteins ist triassischen Alters. Der Linie Idrosee-Meran entlang, welche einen Teil der Grenze des Gebirges bildet, verläuft ein großes Bruch. Der südöstlich von demselben gelegene Teil der Erdrinde ist längs des Bruches abgesunken. Der Bruchrand der nordwestlichen, stehengebliebenen Scholle bildete an dieser Stelle den Strand des triassischen Mittelmeers. Auch der Nordgrenze der Dolomiten entlang zieht ein großes Bruch mit stark abgesunkenem Südflügel. Dieses vom Villnäßthal nach O. verlaufende Bruch bildete ebenfalls einen Teil des triassischen Strandes. Ebenso ist das Drauthal, welches weiter östlich die Nordgrenze bildet, ein altes Bruch mit abgesunkener Südflanke; die Dolomiten sind im NW. und N. von Brüchern eingefaßt. Die triassischen Schichten sind im Gebiet der Dolomiten nur wenig gefaltet, und obwohl die Verwerfungen überall zu Aufkippungen der Schichten geführt haben, so sind doch die Abweichungen von der Horizontalen großenteils nur unbedeutend. Das ganze Gebiet ist eine hinabgesunkene, selbst zersprungene Erdscholle, deren südliche Teile tiefer hinabgesunken sind als die nördlichen. Der Charakter der untersten Stufe der alpin-mediterranen Trias, der Werfener Schichten, zeigt, daß zu Beginn der Triaszeit das Wasser in der Bucht von Südtirol seicht war. Nach oben werden diese Schichten stellenweise kalkig und gehen in Bänke von gerichtetem Kalk mit Ammoniten über, so daß gegen Ende der Werfener Zeit die Meerestiefe zugenommen haben muß. Die obere Grenze der Werfener Schichten wird durch Rauchwacken und Gipslager markiert, und diese deuten darauf hin, daß damals die Bucht von Südtirol trocken gelegt worden war. Auf die Werfener Schichten folgt zunächst eine schmale Zone von Muschelkalk, welcher reich an Ammoniten und andern Versteinerungen ist. Er tritt in zwei Facies auf, als thoniger oder kalkiger Schiefer und als stockförmiger Kalk oder Dolomit. Die nächste Zone bilden die Buchensteiner Schichten, welche ebenfalls in zwei Facies, als geschichtete Knollenkalke und als stockförmige Kalk- oder Dolomitmasse, auftreten. Der Knollenkalk wurde in tieferm Wasser gebildet als das Sediment des Muschelkalks. Zu Ende der Buchensteiner Zeit fanden nahe dem Ostufer des als Vorgebirge in die Bucht von Südtirol hineinragenden Bozener Porphyrplateaus, welches lange vor der Triaszeit entstand, gewaltige submarine Vulkanausbrüche statt, welche auf weite Strecken hin die Tiefe des Meeres mit vulkanischen Tuffen bedeckten. Nur die stockförmigen Kalk- und Dolomitmassen der Buchensteiner Zone ragen aus der Tuffdecke hervor, was beweist, daß sie schon zur Zeit der Bildung der letztern in Gestalt von Stöcken bestanden haben. Über dem Tuff lagern die jüngern Schichten der alpin-mediterranen [497] Trias, die Wengener, Cassianer, Raibler und Dachstein-Kalkschichten. Im westlichen Teile des Gebiets treten nur die ältern Glieder dieses Schichtenkomplexes auf, im O. dagegen sind die Gipfel aus geschichtetem Dachsteinkalk aufgebaut, ja es kommt stellenweise nahe dem Rande des Gebiets über dem Dachsteinkalk noch Jura vor. Diese Formationen, besonders die Wengener und Cassianer Schichten, treten wie die Buchensteiner in zwei Facies auf, als Sedimente und Stöcke. Erstere sind meist Mergel oder Schiefer, deren Versteinerungen auf größere Tiefe deuten als die der Buchensteiner Sedimente, ja man kann erkennen, daß die Tiefe während ihrer Ablagerung zugenommen hat. Die stockförmigen Kalk- und Dolomitmassen der Wengener und Cassianer Zone lassen keine Schichtung erkennen und wechsellagern an ihren Rändern mit dem Sediment. Sie sind also mit letzterm gleichzeitig entstanden. Da nun die aufeinander folgenden Sedimentlagen in immer tieferm Wasser gebildet wurden, so müssen auch diese Kalk- und Dolomitstöcke entstanden sein, während das Wasser an Tiefe zunahm, also während einer Periode positiver Strandverschiebung. Diese Kalk- und Dolomitstöcke stimmen im petrographischen Charakter mit rezenten Korallenriffen überein. Die trocken gelegten Riffe der Sinaihalbinsel lassen sich nur durch das genaue Studium ihrer Tierreste von gewissen triassischen Dolomiten unterscheiden. Die triassischen Dolomitstöcke von Südtirol, der Buchensteiner, Wengener und Cassianer Zone sind also Korallenriffreste, welche während einer Periode positiver Strandverschiebung gebildet wurden. Damit hat aber die obige Theorie der Bildung der Korallenriffe und K., welche von Lendenfeld aus der ältern Darwinschen Theorie entwickelt wurde, eine sehr wesentliche Stütze erhalten. Alle Beobachtungen über rezente und fossile Riffe stehen mit derselben im Einklang.