MKL1888:Kriegsgeschichte

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kriegsgeschichte“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 212213
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Kriegsgeschichte. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 212–213. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kriegsgeschichte (Version vom 08.10.2023)

[212] Kriegsgeschichte, die Geschichte der Kriege eines Volkes, eines Zeitraums, eines bestimmten Kriegs oder auch eines einzelnen Feldzugs, daher wohl zu unterscheiden von der Geschichte des Kriegswesens, welche die Entwickelung der Kriegskunst (s. d.) im Krieg wie im Frieden, also der militärischen Einrichtungen der Völker etc., behandelt. Die K. hat sich nicht allein mit einer Erzählung der kriegerischen Ereignisse zu befassen, sondern auch mit einer Würdigung der politischen Verhältnisse, welche den Krieg herbeigeführt und seinen Verlauf beeinflußt haben. Als Teil der Kriegswissenschaft (s. d.) muß sie ein genaues Bild vom Kriegsschauplatz und dem Zustand der feindlichen Heere geben, namentlich soweit diese auf den Gang des Kriegs von Einfluß waren; sie muß die Gedanken zu ergründen suchen, welche bei der Leitung des Kriegs maßgebend waren, die Umstände erforschen, welche als Ursachen des Gelingens oder Mißlingens der Operationen zu betrachten sind; sie hat endlich den Krieg kritisch zu beleuchten und durch diese Kritik die Grundlage der Erfahrung für die Kriegswissenschaft zu schaffen. Die Aufgabe der Kriegsgeschichtschreibung ist eine außerordentlich schwierige; die Erforschung der Thatsachen in ihrem wechselseitigen Zusammenhang und Einfluß aufeinander, die Ergründung der verschiedenartigsten Umstände, welche die Feldherren beeinflußt haben, ist der Natur der Sache nach unendlich schwer; denn es liegt im Interesse der Kriegführenden, vor und während der Operationen ihre Pläne, die Verhältnisse der Armeen etc. geheimzuhalten, und mannigfache Ursachen bestimmen die beteiligten Führer sowie die Regierungen der kriegführenden Staaten, den Schleier über vielem nicht zu lüften, während sie doch die einzigen sind, welche dazu im stande wären. Ein umfassendes allgemeines Werk über die K. verspricht, abgesehen von frühern Versuchen F. v. Kauslers (s. d.), Fürst Galizyns (s. d. 11) „Allgemeine K. aller Völker und Zeiten“ (deutsch von Streccius, Kassel 1871 ff.) zu werden; kürzer gefaßt sind J. v. Hardeggs „Grundzüge einer Anleitung zum Studium der K.“ (Stuttg. 1851) und dessen „Vorlesungen über K.“ (2. Bearbeitung, das. 1868–78, 3 Bde.). An kriegsgeschichtlichen Werken für einzelne Perioden oder Völker etc., einzelne Kriege und Kriegsepisoden ist die Litteratur sehr reich. Besondere Erwähnung verdienen hier die Arbeiten von Köchly und Rüstow (Altertum), General v. Peucker (Germanen), Boutaric (fränkische Zeit), Stenzel, Mone (deutsches Mittelalter), Heilmann (Dreißigjähriger Krieg) etc. Erzherzog Karl („Feldzüge von 1796 und 1799 in Deutschland“), Clausewitz („1796 und 1799 in Italien und der Schweiz“), Höpfner („Feldzug von 1806 und 1807“) sowie besonders Rüstow („Feldherrnkunst des 19. Jahrhunderts“, „Krieg von 1805“, fast sämtliche Kriege der letzten Jahre) gehören zu den bedeutendsten neuern Bearbeitern der K. Memoiren, Korrespondenzen und Biographien sowie die neuerdings vielfach bearbeiteten [213] Regimentsgeschichten liefern ebenfalls reiches Material zum Studium der K. Eine ganz neue Phase der Bearbeitung derselben bezeichnen aber seit dem letzten Jahrzehnt die bald nach Beendigung der letzten großen Kriege hauptsächlich vom preußischen Generalstab herausgegebenen aktenmäßigen Darstellungen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71. Sie bringen, was das ganze Volk in seinen Tiefen bewegt hat, mit höchster Unparteilichkeit und in mustergültiger Form zur allgemeinen Kenntnis in einem großen Sammelwerk, dem sich Spezialbeschreibungen, namentlich für den Festungskrieg und für einzelne größere Truppenverbände oder für einzelne Kriegstheater, von den berufensten Bearbeitern anreihen. Aber auch ältere Partien der K. hat der preußische Generalstab zu bearbeiten begonnen, wie denn der österreichische Generalstab die Zeit des Prinzen Eugen in einem großen Werk behandelt.