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MKL1888:Krinoideen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Krinoideen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Krinoideen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 227
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Krinoideen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 227. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Krinoideen (Version vom 24.09.2022)

[227] Krinoideen (Crinoidea, Haarsterne, Liliensterne), Klasse der Echinodermen (s. d.), kugelige, becher- oder kelchförmige Seetiere, meist mit einem gegliederten Stiel, welcher an feste Gegenstände angeheftet ist. Die gewöhnlich fünfeckigen Stielglieder (fossil unter dem Namen Entrochiten bekannt; s. Enkriniten) sind untereinander durch Bandmasse verbunden und von einem die Ernährung vermittelnden Zentralkanal durchbohrt. In gewissen Absätzen tragen sie gegliederte Rankenanhänge (cirri). Der becherförmige Leib (Kelch) ist auf der dem Stiel zugewandten Rückenseite mit regelmäßig gruppierten Kalktafeln bedeckt, während die obere Fläche mit der Mundöffnung und dem After eine derbe Haut hat. Am Rande des Kelchs entspringen meist bewegliche, einfache oder verästelte Arme, deren festes Gerüst aus bogenförmigen Kalkstücken besteht. Fast überall tragen die Arme an ihren Hauptstämmen oder deren Zweigen Seitenanhänge (pinnulae). Vom Munde, der in der Regel im Mittelpunkt des Kelchs liegt, erstrecken sich nach den Armen hin rinnenartige Furchen (Ambulakralfurchen), welche mit einer weichen Haut überzogen sind und die Ambulakralfüßchen tragen; letztere (vgl. Echinodermen) dienen als Tentakeln. Das Wassergefäßsystem selbst ist, gleich dem Nerven- und dem Blutgefäßsystem, im allgemeinen dem der Seesterne ähnlich gebaut. Der Darm verläuft gewunden, so daß der After in die Nähe des Mundes zu liegen kommt. Die Geschlechtsorgane erstrecken sich durch die ganzen Arme und deren Verzweigungen hindurch, enthalten jedoch nur in den letztern Eier, resp. Samen. Die Entwickelung verläuft zum Teil mit starker Metamorphose. Diejenigen Gattungen nämlich, welche im erwachsenen Zustand sich schwimmend fortbewegen, sind gleich den übrigen in der Jugend festgewachsen und lösen sich zu verschiedenen Perioden von dem Stiel ab. – Die K. stellen ein offenbar im Aussterben begriffenes Geschlecht dar. In den ältesten Zeiten der Erdgeschichte sind sie durch zahlreichere Gattungen vertreten als zur Sekundärzeit; der lebenden Formen aber sind nur noch ganz wenige. Völlig ausgestorben ist die Gruppe der Blastoideen (Blastoidea), nahezu die der Cystoideen (Cystoidea). Erstere haben die Gestalt von Blütenknospen, sind armlos und sitzen mittels eines Stiels fest. Sie beginnen im obern Silur mit der Gattung Pentremites (s. die Tafeln „Devonische Formation“ und „Steinkohlenformation I“) und erreichen ihre größte Mannigfaltigkeit im Devon und Kohlengebirge, über welches sie nicht hinausreichen. Die Cystoideen oder Seeäpfel sind entweder direkt mit ihrem kugelförmigen Kelch oder mittels eines kurzen Stiels aufgewachsen und besitzen keine oder nur schwache Arme. Sie erreichen im Silur ihr Maximum, finden sich in der Steinkohlenperiode vereinzelt und besitzen in der Gegenwart noch einen allerdings stark abgeänderten Vertreter (Hyponome Sarsii), der in der Torresstraße vorkommt. Die dritte Gruppe der K., die Armlilien (Brachiata), zeichnet sich durch den Besitz von mächtigen Armen aus. Sie zerfallen in die Tafellilien (Tesselata), mit vollständiger Täfelung des Kelchs, welche vom Silur bis zur Kreide reichen und die Gattungen Hypanthocrinus (s. Tafel „Silurische Formation“), Cupressocrinus, Haplocrinus (s. Tafel „Devonische Formation“), Platycrinus, Rhodocrinus (s. Tafel „Steinkohlenformation I“) u. a. umfassen, und in die Gliederlilien (Articulata), mit minder vollständiger Gliederung des Kelchs. Diese beginnen mit Encrinus (s. Tafel „Triasformation I“), Pentacrinus in der Trias, erreichen ihre höchste Entwickelung im Jura (Pentacrinus, Apiocrinus, s. Tafel „Juraformation I“) und nehmen dann ab, sind aber noch jetzt in mehreren Arten vertreten. So lebt der Medusenstern (Pentacrinus caput Medusae Mill., s. Tafel „Echinodermen“) in den Tiefen der westindischen Meere und ist nur selten gefangen worden. Rhizocrinus lofotensis Sars lebt in bedeutender Tiefe in den hochnordischen Meeren und zwar mittels der Ranken seines Stiels befestigt. Aus der Familie der Komatuliden oder Haarsterne (Antedon) kennt man Arten aus allen Meeren. Sie leben in der Tiefe, kriechen mit Hilfe ihrer rankenförmigen Arme umher und nehmen mit dem Schlamm die Nahrung zu sich. Sie sind nur in der Jugend festgewachsen, und von ihrem Stiel bleibt später nur das oberste Glied als Knopf am Kelch übrig. Der ausgewachsene Haarstern erscheint also als ein durch das Freiwerden höher entwickelter Pentacrinus. Hierher gehört der mittelländische Haarstern (Comatula mediterranea Lam., s. Tafel „Echinodermen“). Vgl. Miller, Natural history of the Crinoidea (Bristol 1821); Sars, Mémoires pour servir à la connaissance des crinoïdes vivants (Christ. 1868); Johannes Müller, Über den Bau von Pentacrinus (Berl. 1841); Ludwig, Morphologische Studien an Echinodermen (Leipz. 1877); L. v. Buch, Über Cystideen (Berl. 1845); Römer, Monographie der Blastoideen (das. 1851).