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MKL1888:La Tène-Periode

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „La Tène-Periode“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „La Tène-Periode“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 539540
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La Tène-Periode. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 539–540. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:La_T%C3%A8ne-Periode (Version vom 21.11.2024)

[539] La Tène-Periode, eine voll entwickelte vorrömische Eisenperiode, deren Ornamentik die Motive der Wellenlinie, des Kreises, des Dreiecks benutzt, um klassische Motive in phantastischer Weise umzugestalten. Es erscheinen unter den Leitmotiven dieser Verzierungsweise Doppelvoluten, Fischblasen, Palmetten, verschnörkelte Pferde etc. Die L. hat ihren Namen erhalten von einer Stelle des Neuenburger Sees bei Marin, wo Schwab und Desor seit 1858 charakteristische Eisenwaffen, besonders lange Schwertklingen mit verzierten Scheiden, breite und gezackte Speerspitzen, Sensen, Beile, Messer, Fibeln mit zurückgebogenem Schlußstück, gallische Münzen etc. in Masse aufgefunden haben. Die La Tène-Waffen zeichnen sich durch eine wahre Verschwendung von Eisenmaterial aus und stimmen mit der Beschreibung, welche Diodorus Siculus von den Waffen der Galater und der südlicher wohnenden Kelten gibt, so auffallend überein, daß man sie unbedenklich als spezifisch gallische bezeichnen darf. Das Verbreitungsgebiet dieser typischen La Tène-Objekte reicht von den Begräbnisplätzen der Champagne und der Côte d’Or an durch die Schweiz, das Mittelrheinland und Süddeutschland bis Ungarn (wohl auch noch weiter östlich) und entspricht somit genau der Verbreitung der gallischen Stämme, wie sie uns die Geschichte ihrer Masseneinfälle in die Balkanhalbinsel vom Beginn des 3. Jahrh. n. Chr. mehrfach schildert. Auf diesem Gebiet aber sind prähistorische Eisenschmelzen schon seit langem bekannt, im Berner Jura allein wurden deren an 400 entdeckt; ebenso [540] fand man Eisenschmieden der Vorzeit am Südhang der Saalburg, und in der Nähe des jetzigen Eisenberg in der Pfalz stieß man auf mächtige Eisenschlackenhaufen. Aus dem Gebiet des Mittelrheinlandes, von Dürkheim bis Mainz und Wiesbaden, waren ferner in den letzten Jahren zahlreiche Eisenluppen aus vorgeschichtlicher Zeit in Gestalt zweier lang gezogener, an den Basen zusammengefügter vierseitiger Pyramiden von 5–6 kg Gewicht bekannt geworden, die augenscheinlich in primitiven Schmelzöfen erzeugt waren, und da sich auf der Limburg bei Dürkheim eine solche Luppe mitten unter Gefäßresten aus obiger Kulturepoche vorfand und unmittelbar dabei 1880 ein Bronzetorques mit Resten einer roten Paste, die auch ein Charakteristikum der La Tène-Zeit ist, so hat man mit Grund geschlossen, daß die erwähnten Eisenluppen ebenfalls in die L. fallen und zur Herstellung der luxuriösen Eisenwaffen und massenhaften Eisenwerkzeuge verwandt wurden, welche in der vorrömischen Periode bei den Galliern in Gebrauch waren. Wie für diese Industrie in der Schweiz der Jura ein Zentrum bildete, so am Mittelrhein die Gegend von Eisenberg in der Pfalz. Vgl. Mehlis im „Kosmos“ (Bd. 13); Tischler im „Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie etc.“ (1881); Keller in „Pfahlbauten“ (6. Bericht); Groß, La Tène, un oppidum helvète (1885).