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MKL1888:Lagerscheine

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lagerscheine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 406407
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Lagerscheine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 406–407. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lagerscheine (Version vom 07.10.2022)

[406] Lagerscheine (Lagerpapiere, Auslieferungsscheine, Entrepotscheine, engl. Warrants), Urkunden, auf welchen der Aussteller bekennt, eine lagernde Ware erhalten zu haben, und dieselbe an den zum Empfang Berechtigten gegen Rückgabe der Urkunde auszuliefern verspricht. Solche Scheine werden vorzugsweise von Personen ausgestellt, welche sich berufsmäßig mit der Aufbewahrung von Waren befassen, wie Spediteuren und Lagerhausverwaltungen. Sie kamen bereits 1602 in Holland unter dem Namen Ontvangceduller vor. Eine größere Ausdehnung aber fand ihre Anwendung in England, Frankreich, Belgien, Italien, Nordamerika, dann auch in Spanien und Brasilien, als das System der Zollniederlagen sich mehr entwickelte. Einrichtung und Verwendung der Scheine nebst den daran geknüpften Rechten und Pflichten ist in den verschiedenen Ländern eine sehr ungleiche. In England, Frankreich und Belgien können zwei Scheine ausgegeben werden. Der eine (Warrant, Lagerpfandschein) dient zur Erleichterung der Verpfändung. Der Inhaber desselben hat ein Pfandrecht an der lagernden Ware, welche ohne seine Einwilligung von der Verwaltung nicht ausgefolgt wird. Da die Belastung durch Vormerkung auf dem Warrant (Belgien), bez. durch Eintragung im Lagerhausregister (Frankreich, Italien) kontrolliert wird, so werden beweglichen Gegenständen die Vorteile und die Sicherheit des Immobiliarkredits verschafft. In der Regel ist der Warrant an Order ausgestellt, so kann dann das Pfandrecht durch Indossierung (in Deutschland nach Art. 302 des Handelsgesetzbuchs unter der Bedingung, daß der Schein [Auslieferungsschein] von zur Aufbewahrung von Waren staatlich ermächtigten Anstalten ausgestellt wurde) auf dritte Personen übertragen werden. Der zweite Schein, der Lagereigentumsschein (in England: weight-note, in Frankreich: recépissé, in Belgien: cédule), dient zur Eigentumsübertragung. Der Inhaber ist Eigentümer der Ware, erhält dieselbe jedoch nur, wenn die auf ihr haftende Schuld getilgt ist. In Frankreich und Belgien, in welchen Ländern 1848 der Gebrauch der L. gesetzlich geregelt wurde, dient der eine Schein ausschließlich zur Eigentumsübertragung, der andre ausschließlich zur Verpfändung. In England kann der Warrant, wenn er allein ausgegeben wird, zur Veräußerung und zur Verpfändung benutzt werden. Dagegen dient die weight-note, wenn eine solche ausgestellt wird, ausschließlich zur Veräußerung und der Warrant alsdann zur Verpfändung. In Deutschland, Österreich [407] und England ist der Lagerschein neben seiner Eigenschaft als Warenumsatzpapier eine Pfandbestellungsurkunde, in Frankreich, Belgien, Italien und Ungarn gewinnt er dadurch, daß der Verpflichtete persönlich haftet, sobald das erste Indossament erfolgt ist, die Bedeutung eines Wechsels. Die L. gestatten nicht allein eine vorteilhafte Verwendung zu Kreditzwecken, sondern auch leichten Verkauf, überhaupt freie Verfügung über die Ware ohne Nachteil für den Gläubiger. In Deutschland haben sie noch keine größere Ausdehnung gefunden. Große Banken befassen sich nicht gern mit der Beleihung von Warrants, weil das Pfandrecht an der Ware, insbesondere im Fall eines Konkurses, nicht genügend sichergestellt ist. Eine spezielle gesetzliche Regelung ist bis jetzt nur erfolgt in Hamburg (1876) und in Bremen (1877). In Elsaß-Lothringen gelten mit einigen Änderungen die frühern französischen Bestimmungen. Vgl. Ebermann, Lagerhäuser und Warrants (Wien 1876); Bayerdörffer, Das Lagerhaus- und Warrantsystem (Jena 1878); Hecht, Die Warrants (Stuttg. 1884); Leonhardt, Der Warrant als Bankpapier (Wien 1886).