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MKL1888:Landsknechte

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Landsknechte“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 469471
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Landsknechte. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 469–471. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Landsknechte (Version vom 20.10.2024)

[469] Landsknechte, die zu Ende des 15. und im 16. Jahrh. in Deutschland zu Fuß dienenden Söldner. Kaiser Maximilian I., in seinen Kriegen vom Adel seiner Erbstaaten verlassen und von der Reichsritterschaft wenig unterstützt, brachte 1487 mit Hilfe des Grafen von Zollern und Georgs von Frundsberg rüstiges Stadt- und Landvolk aus den österreichischen Erblanden unter seine Fahnen, gab ihnen Sold und bewaffnete sie nach Schweizerart mit langen Spießen oder Hellebarden und mit Schlachtschwertern

Fig. 1. Landsknecht-Fähnrich (nach einem Stiche von H. S. Beham)
Fig. 2. Landsknecht-Profoß (nach F. Brun).

und nannte diese Mannschaften L. (unrichtig ist Lanzknechte), d. h. Leute aus dem Land, im Gegensatz zu den vom Gebirge, den Schweizern. Die aus Schwaben wurden „oberländische“, die aus den nördlichen Kreisen „niederländische Knechte“ genannt. Der Adel, die falsche Stellung begreifend, in die er beim Fernbleiben vom kaiserlichen Waffendienst kam, bewarb sich bald mit um die Führerstellen und verschmähte auch den Eintritt in die Reihen der L. nicht. Zur Aufstellung einer Truppe gab der Kaiser einem bewährten Kriegsmann einen Bestallungsbrief als Feldhauptmann oder Feldoberst nebst einem offenen Patent, ein Regiment L. aufzustellen, und zugleich den Artikelbrief, d. h. den Rechtsbrauch und die Verfassung, in welcher er das Kriegsvolk gehalten wissen wollte. Der Oberst wählte einen Oberstleutnant als Stellvertreter und bestellte je einen Hauptmann über die Anzahl der Fähnlein, aus denen das Regiment bestehen sollte. Die Hauptleute ließen dann auf öffentlichen Plätzen unter Trommelschlag das Werbepatent anschlagen. Die Aufnahme unter die L. war nicht leicht; nur wer mit Wams und Schuhen bekleidet, mit Blechhaube, Harnisch, gutem Schwert und tüchtigem Spieß versehen war oder statt dessen Geld zur Anschaffung jener Ausrüstung mitbrachte, ward [470] in die Musterrolle aufgenommen. War ein Mann eingetragen und mit dem Artikelbrief bekannt gemacht, so erhielt er ein Stück „Geld auf den Lauf“ („auf die Hand“, daher „Handgeld“) und die Weisung, sich an einem bestimmten Tag auf dem Waffenplatz einzufinden. Dort stellte sich der „Musterherr“ ein, ein erfahrener Kriegsmann; Kriegsräte und Musterschreiber standen ihm zur Seite. Darauf wurde eine Pforte von Spießen, wie das römische Joch, erbaut; bei ihr stellten sich der Oberst und der Hauptmann des zu musternden Fähnleins auf, die Knechte mußten zur Musterung einzeln hindurchgehen. Die Ausrüstung eines jeden ward aufgezeichnet; wer ganz vollständig geharnischt war, erhielt Doppelsold. Die einfachen Söldner, auch einspännige Knechte genannt, mußten mit Panzerärmeln, Armzeug, Rücken, Krebs,

Fig. 3. Landsknecht mit Zweihänder (nach D. Hopfer).

Ringkragen und Sturmhaube versehen sein. Zu Karls V. Zeit wurden auf jedes Fähnlein 50 Hakenschützen gerechnet, deren Zahl aber stets wuchs, weil die Ausrüstung mit der Feuerwaffe billiger war als die andre vollständige Rüstung. Nach der Musterung wurde der Artikelbrief verlesen und durch den Schultheiß den Kriegern der Eid abgenommen. Zugleich stellte der Oberst seinen Leutnant, den Quartiermeister, den Profoß, den Pfennigmeister und die übrigen zum Stab gehörigen Personen vor. Dem Fähnrich wurde die Fahne übergeben, und er versprach eidlich, sie nicht lebend in Feindeshand geraten zu lassen. Hierauf zog jedes Fähnlein auf einen besondern Platz, und die kleinen Soldatenrepubliken organisierten sich im Innern. Leutnant und Feldweibel wurden vom Hauptmann ernannt, Gemeinweibel, Furier und Rottmeister von den Leuten gewählt. War auf diese Weise ein Regiment aus 10–16 Fähnlein, jedes bis zu 400 Mann, formiert, so hatte es folgende Chargen: den Oberst und Oberstleutnant; Hauptleute, die sich gewöhnlich einen Staat, d. h. Trabanten, Buben, einen Kaplan, Schreiber, beilegten und stattlicher gerüstet waren als die Knechte; einen Fähnrich, dann Feldweibel und Gemeinweibel; einen Schultheiß, d. h. einen des bürgerlichen und peinlichen Rechts kundigen Mann; je einen Wachtmeister, Proviantmeister, Quartiermeister; mehrere Ambosaten (Gefreite), Kuriere; einen Profoß als Richter in polizeilichen und leichten Kriminalfällen, in dessen Gefolge sich der Stockmeister und dessen Gehilfen, die Steckenknechte, befanden. An diese reihte sich der „freie Mann“ mit der Blutfeder auf dem Hut, in rotem Wams, das breite Richtschwert an der rechten Hüfte. Der Hurenweibel hatte die Aufsicht über die Soldatenweiber, Kinder und die dem Regiment nachziehenden Weibspersonen. Zur Erhaltung der Ordnung war ihm ein Rumormeister beigegeben. Gewöhnlich hatte auch jedes Fähnlein zwei Spieler, einen Trommelschläger und einen Pfeifer. Auf dem Marsch wälzte sich der Haufe meist regellos fort. Vor dem Gefecht verrichteten die L. knieend ein Gebet,

Fig. 4. Landsknecht-Doppelsöldner mit Hakenbüchse (nach F. Brun).

schüttelten dann den Staub ab, senkten die Spieße und rückten stillschweigend, bisweilen aber auch mit Kriegsgeschrei gegen den Feind. Voran zog ein „verlorner Hauf“, aus den Läufern gebildet; diesem folgte der „helle Hauf“ in gevierter Ordnung mit ungerader Rottenzahl, welche Glück bringen sollte. Eigentümlich war die Rechtspflege der L. Um einen Übelthäter zu richten, kam die Gemeinde an einem „nüchternen Morgen“ zusammen. Der Profoß erhob die Anklage, dem Verbrecher wurde ein Fürsprecher bestellt und, wenn die Sache erhärtet, von 41 Knechten, die dreimal gewählt waren, das Urteil gesprochen. Lautete es auf Tod, so ward eine Gasse gebildet, in deren gefällte Spieße der Verurteilte sich stürzen mußte. Durch Dienst in fremdem Sold arteten die L. nach und nach aus, namentlich ward ihr Troß berüchtigt. Im 17. Jahrh. verlor sich der Name L., da die Banden des Dreißigjährigen Kriegs nicht mehr bloß aus deutschen Knechten, sondern aus Volk aller Nationen bestanden. Unsre Abbildungen (vgl. dazu auch Tafel „Kostüme II“, Fig. 10), die einige Typen der L. darstellen, sind alten Meistern entnommen. Vgl. Leitner, Das Kriegswesen in Deutschland unter Maximilian I. und Karl V. (Leipz. 1859); Wessely, Die L., eine kulturhistorische Studie (31 Faksimiledrucke [471] nach alten Meistern, Görl. 1877); Blau, Die deutschen L. (das. 1882).