MKL1888:Lykĭen
[4] Lykĭen, im Altertum eine Landschaft an der Südküste Kleinasiens (s. Karte „Alt-Griechenland“), welche gegen NW. von Karien, gegen N. von Phrygien und Pisidien, gegen NO. von Pamphylien, im übrigen vom Mittelländischen Meer begrenzt ward. Das Land, überwiegend gebirgig, zum Teil sogar von bis 3000 m ansteigenden Hochgebirgen (Tauros) erfüllt, war trotzdem reich an Wein, Getreide und den übrigen Produkten Kleinasiens; namentlich wurden die Zedern, Tannen und Platanen von L. gerühmt. Besonders fruchtbar und städtereich war das die Landschaft von N. nach S. durchschneidende Xanthosthal. Der ältere Name von L. war nach Herodot Milyas, welcher sich in dem nördlichen Gebirgsland erhielt, der seiner ersten Einwohner Solymer und Termilen (Tramili). Die Lykier, welche schon bei Homer als Bundesgenossen der Troer auftreten, behaupteten ihre Freiheit gegen Krösos, erlagen aber später nach heldenmütigem Kampf der persischen Übermacht. Die Römer schenkten das Land zuerst den Rhodiern, gaben ihm aber nach dem makedonischen Krieg seine Freiheit wieder. Kaiser Claudius machte L. zur römischen Provinz und verleibte es der Präfektur Pamphylien ein. Erst in der Römerzeit wurde, wie die Inschriften beweisen, das Volk gräzisiert und erlangte dann in der Kaiserzeit rasch einen erstaunlichen Wohlstand, als dessen Zeugen die Reste zahlreicher Theater, Magazine und Hafenbauten sich erhalten haben. Erst Theodosius trennte L. wieder von Pamphylien, und so erscheint es nochmals als eine eigne Provinz mit der Hauptstadt Myra. Zur Zeit seiner Freiheit bildete es einen aus 23 selbständigen Republiken bestehenden Städtebund, an dessen Spitze ein Generalstatthalter (der Lykiarches) stand. Die Zahl der Städte betrug nach Plinius 70; die größten waren: Phaselis, Xanthos, Patara, Pinara, Telmessos, Olympos, Myra, Antiphellos und Tlos. Die Bundesversammlungen fanden in Xanthos statt. Die Lykier waren ein friedliebendes, wohlgesittetes Volk, das auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur stand [5] und namentlich in der Baukunst Tüchtiges leistete, wovon noch eine Menge wohlerhaltener Grabmäler, welche in ihrer Architektur den Holzbau nachahmen (s. Antiphellos), Zeugnis ablegen. Über die Sprache der Lykier s. Lykisch. Vgl. Fellows, Discoveries in Lycia (Lond. 1841); Spratt und Forbes, Travels in Lycia etc. (das. 1847, 2 Bde.); Bachofen, Das lykische Volk (Freiburg 1862); Treuber, Geschichte der Lykier (Stuttg. 1887).