MKL1888:Mähren

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mähren“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 104106
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Mähren. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 104–106. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:M%C3%A4hren (Version vom 19.11.2023)

[104] Mähren (tschech. Morava), Markgrafschaft und Kronland der österreich. Monarchie, wird nördlich von Preußisch- und Österreichisch-Schlesien, östlich von Ungarn, südlich von Ungarn und Niederösterreich, westlich von Böhmen begrenzt und umfaßt 22,224 qkm (403,6 QM.). S. Karte „Böhmen, Mähren etc.“

[Physische Beschaffenheit.] Das Land ist im W., N. und O. von Randgebirgen eingeschlossen und hat am hercynisch-sudetischen Hochland sowie an den Karpathen Anteil. Mit Ausnahme der Oder fließen seine Gewässer, wie in Böhmen (nur in entgegengesetzter Richtung), einem einzigen Ausgang zu. Man unterscheidet vier Erhebungszonen: 1) den böhmisch-mährischen Höhenzug, welcher aus kristallinischem Schiefer besteht und drei Terrassen bildet, die südliche mährisch-österreichische Terrasse, welche nördlich bis zur Thaya reicht, die mittlere mährische Terrasse, welche sich mit zahlreichen Kuppen bis zur Schwarzawa hinzieht, im Mittel 485 m hoch ist, im Iglauer Bergland aber die größte Höhe erreicht (Jaworschitze 836 m, Kaiserstein 810 m, Hradisko 769 m), und die niedrigere nördliche mährische Terrasse, welche sich bis zum Oberlauf der March erstreckt und in dem zerklüfteten Gebirge um Blansko (Hornberg 657 m) die berühmten Slouper Höhlen und den Erdfall Mazocha (s. d.) enthält; 2) die Sudeten im N., welche im äußersten Nordwesten mit dem Glatzer Bergland (Großer oder Spieglitzer Schneeberg 1417 m) nach M. hereinreichen, sodann von der Marchquelle bis zur Oder sich als mährisch-schlesisches Gesenke mit den höchsten Erhebungen des Landes hinziehen (Altvater 1487 m, Köpernikstein 1417 m, Hohe Heide 1400 m) und sich nach SO. zum Odergebirge abflachen (Rothberg 745 m). Jenseit des Sattels, zwischen March und Oder, erheben sich 3) die Karpathen mit dem an der ungarischen Grenze gelegenen Weißen Gebirge oder der Miavagruppe (Wysoka 1020 m, Javornik 1013 m) und deren Seitenästen (Keltscher und Bistritzer Gebirge 857 m, Hostein 731 m, Zapp 837 m), dann den Bieskiden im nordöstlichen Teil des Landes (Kniehyna 1252 m, Smrk 1339 m, Radhoscht 1135 m). Wichtige Pässe sind in den Sudeten der Spornhauer Paß, in den Karpathen der Lissa- und Wlarapaß. Isoliert steigt im S. der fruchtbaren Hanna 4) das Marsgebirge (Hrad 534 m) auf und südlich von der Thaya die Gruppe der Polauer Berge (544 m). Unter den Thälern sind die bedeutendsten: das Marchthal, welches mit der fruchtbaren Niederung der Hanna und dem Thayathal in Verbindung steht, dann das Oderthal („Kuhländchen“). Der größte Teil des Landes (an neun Zehntel) gehört dem Gebiet der March und also dem Donaugebiet an. Der Hauptfluß ist die March, welche vom Spieglitzer Schneeberg kommt, aber erst von Göding an schiffbar wird. Ihre wichtigern Nebenflüsse sind rechts: Sazawa, Hanna und vorzüglich die Thaya, die den ganzen Süden des Landes durchfließt und die Iglawa, welcher die aus der Vereinigung der Schwarzawa und Zwittawa entstehende Schwarza zugegangen ist, aufnimmt; links: die Betschwa und Olsawa. Die in M. entspringende Oder bildet streckenweise die Grenze gegen Österreichisch- und Preußisch-Schlesien und nimmt rechts die Ostrawitza auf. Seen hat M. keine, dagegen viele Teiche, die größten an der Südgrenze bei Eisgrub. Von den mehr als 50 Mineralquellen sind beachtenswert: die warme Schwefelquelle zu Ullersdorf im Teßthal und die Kochsalzquellen von Luhatschowitz. Außerdem ist Rožnau (mit Molkenheilanstalt) ein besuchter Kurort. Das Klima ist im allgemeinen mild, doch besteht zwischen dem gebirgigern Norden und dem Süden ein bedeutender klimatischer Unterschied; während hier der Wein gut gedeiht, kommt dort nicht selten der Hafer kaum zur Reife. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt zu Brünn 8,9° C., in Hochwald bei Mistek 7,8°, zu Iglau 9,5° C. Die jährliche Menge des Niederschlags ist in Brünn 50, in Hochwald 78 cm. Herrschender Wind ist der Nordwest.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung von M. betrug 1880: 2,153,407 Einw. und vermehrt sich im Durchschnitt um 0,59 Proz. im Jahr. Auf das QKilometer kommen 97 Bewohner. Der Nationalität nach ist die Bevölkerung überwiegend (mehr als 70 Proz.) slawischer Abkunft (Tschechen oder Mähren), doch gibt es auch viele Deutsche (über 29 Proz.). Nach der Religion sind über 95 Proz. Katholiken, gegen 3 Proz. Reformierte und Lutherische und 2 Proz. Juden im Lande. Die Deutschen leben an den Grenzen gegen Niederösterreich und Schlesien, sonst in verschiedenen Sprachinseln (um Iglau, Zwittau) und in allen Städten. Die Slawen teilt man in Hannaken (s. d.), Slowaken, Walachen, Podhoraken etc.; doch sind dies zumeist lokale Bezeichnungen. M. hat 3374 Ortschaften mit 300,936 bewohnten Häusern.

[Land- und Forstwirtschaft etc.] Die Landwirtschaft, die Hauptbeschäftigung der Bewohner, wird sehr rationell betrieben und durch die Fruchtbarkeit des Bodens und die klimatischen Verhältnisse recht begünstigt. Die Teilung des Grundbesitzes ist sehr vorgeschritten, da auf einen Grundbesitzer nicht ganz 5 Hektar Grundfläche kommen. Der Boden ist mit 56 Proz. Ackerland, 27 Proz. des Bodens sind Wald, 8 Proz. nehmen Wiesen und Gärten, 6 Proz. Weiden ein, 1/2 Proz. kommt auf Weingärten, 3 Proz. sind unproduktiv; kein andres Kronland hat verhältnismäßig so viel Ackerboden. Der fruchtbarste Teil des Landes ist die Hanna, dann folgen das Kuhländchen, das Marchthal und die Niederungen an der Thaya. Am meisten werden Roggen und Hafer gebaut, nächstdem Gerste und Weizen (zusammen beträgt die durchschnittliche Ernte 12 Mill. hl Kornfrüchte); außerdem werden viel Hülsenfrüchte (350,000 hl), Kartoffeln (11 Mill. hl), Zuckerrüben (10 Mill. metr. Ztr.), Futterrüben, Kraut, Klee, Flachs und Hanf sowie auch Anis, Fenchel, Senf und Mohn gebaut. Gemüse- und Obstbau sind von erheblicher Bedeutung; ersterer liefert unter anderm den berühmten Spargel von Eibenschitz, letzterer besonders Pflaumen zur Ausfuhr. Im mittlern Teil des Landes gewinnt man auch Kastanien. Guter Wein wird an den Hügeln von Znaim bis zur March hin, besonders um Bisenz, im ganzen auf einer Fläche von 15,000 Hektar gewonnen (Durchschnittsertrag 162,000 hl). Die niedrigen Bergzüge sind mit Laubholz (Eichen und Buchen), die höhern mit Nadelholz bestanden; beides gibt einen wichtigen Handelsartikel ab, der besonders nach Österreich geht, Die Weiden sind für Schafzucht sehr geeignet; im Gesenke und in den Bieskiden wird selbst eine Art Almwirtschaft mit veredelten Schafen und Kühen getrieben. Die mährische Wolle ist fein und sehr gesucht, und aus Schafmilch bereiteter, sogen. Brinsenkäse ist Ausfuhrartikel. Doch nimmt der Schafstand sehr ab (1880: 158,852 Stück). Die Rindviehzucht (677,807 Stück) wird am erfolgreichsten im Kuhländchen, die Pferdezucht (122,858 [105] Stück) in der Hanna betrieben. Beträchtlich ist auch die Zucht von Ziegen (116,880), Schweinen (205,976), Hühnern, Gänsen und Bienen (83,441 Bienenstöcke). Der mährische Seidenbauverein bemüht sich um die Einführung der Seidenzucht. Jagd und Fischerei sind ansehnlich. Produkte des Mineralreichs sind Steinkohle (über 10 Mill. metr. Ztr., hauptsächlich in dem nach Schlesien hinüberreichenden Ostrauer und im Rossitzer Becken), Braunkohle (1 Mill. metr. Ztr.), Eisenerz (239,000 metr. Ztr.) und Roheisen (1,516,000 metr. Ztr., namentlich aus ungarischen und steirischen Erzen gewonnen, die bedeutendste Produktion unter allen österreichischen Kronländern), Graphit (34,000 metr. Ztr.). Die Zahl der im Bergbau und den Hüttenwerken verwendeten Arbeiter beträgt 8300, der Wert der Jahresproduktion 7 Mill. Gulden.

[Industrie und Handel.] Die Industrie steht in M. auf einer hohen Stufe. An Mannigfaltigkeit der Produkte kommt sie zwar der böhmischen nicht gleich, doch ist der Wert der Produktion relativ größer. Die wichtigsten Artikel sind: Tuch, Leinwand, Baumwollwaren und Rübenzucker. Der Hauptsitz des Gewerbfleißes ist Brünn. In Schafwollwaren nimmt M. den ersten Rang in Österreich ein; die Zahl der hierbei beschäftigten Hilfsarbeiter dürfte sich auf 40,000, der Wert der Jahreserzeugung unter günstigen Zeitverhältnissen auf 50. Mill. Gulden belaufen. Die bedeutendsten Orte für diesen Industriezweig sind: Brünn, Iglau, Namiest, Neutitschein, Leipnik u. a. Die Leinenspinnerei, Weberei (letztere hauptsächlich als Hausindustrie) und Bleicherei werden meist im nördlichen Gebirgsland betrieben. Die Baumwollweberei hat ihre Hauptsitze in der Gegend von Sternberg, Proßnitz, Zwittau und Mistek. Unter den Textilindustriezweigen sind außerdem noch die Seidenweberei und die Maschinenspitzenfabrikation (Lettowitz) zu nennen. Die Rübenzuckerfabrikation ist in M., ebenso wie in Böhmen, zu hoher Entwickelung gelangt. 1886 waren 48 Fabriken im Betrieb, welche 13,000 Arbeiter beschäftigten und 7,5 Mill. metr. Ztr. Rüben verarbeiteten. Eisenwaren und zwar Gußwaren, Schienen, Bleche etc. liefern insbesondere die Werke zu Blansko, Friedland, Witkowitz und Zöptau. Andre Erzeugnisse der Metallindustrie sind: Eisengeschirr, Maschinen und Zinkblech. Wichtig sind ferner die Gerberei und Schuhwarenfabrikation, die Branntweinbrennerei und Likörerzeugung, die Bierbrauerei (1886: 168 Etablissements mit einer Erzeugung von 1,1 Mill. hl) und die damit in Verbindung stehende, für den Export thätige Malzfabrikation, die Darstellung von ätherischen Ölen und andern chemischen Produkten, die Thonwaren- und Glas-, die Papier- und Hutfabrikation und die Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz. Vom Staat werden 6 Tabaksfabriken (mit 6800 Arbeitern) betrieben. Der Handel ist bedeutend; der Export umfaßt sowohl Rohprodukte als Fabrikate, wogegen Salz, Kolonialwaren, Roh- und Hilfsstoffe der Industrie importiert werden. Wichtig sind die Brünner Märkte. Dem Mangel an Wasserstraßen (ein Oder-Marchkanal ist projektiert) helfen gute Landstraßen (9190 km) und die Eisenbahnen (1173 km) ab.

[Bildungsanstalten.] An Bildungsanstalten bestehen: eine technische Hochschule in Brünn, 12 Ober-, 6 Unter- und 4 Realgymnasien, 12 Oberrealschulen (3 in Brünn) und 3 Unterrealschulen, eine theologische Fakultät in Olmütz, ein erzbischöfliches Seminar in Kremsier und ein bischöfliches in Brünn, ferner eine Staatsgewerbeschule, 12 gewerbliche Fach- und 2 Handelsschulen, 10 land- und forstwirtschaftliche Schulen und eine militärtechnische Schule (Weißkirchen). Außerdem zählt M. 2107 Volksschulen, 4 Lehrer- und 3 Lehrerinnenbildungsanstalten.

[Verwaltung.] Die Markgrafschaft M. wird in Landesangelegenheiten vom Landtag vertreten, welcher aus 100 Mitgliedern besteht, nämlich dem Fürsterzbischof von Olmütz und dem Bischof von Brünn, 30 Abgeordneten des großen Grundbesitzes, 31 der Städte, 6 der Handelskammern und 31 Abgeordneten der Landgemeinden. An der Spitze des Landtags steht der Landeshauptmann. In das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrats sendet M. 36 Vertreter. An der Spitze der Landesverwaltung steht die Statthalterei, welcher 6 politische Magistrate und 31 Bezirkshauptmannschaften unterstehen, nämlich:

Bezirk Areal in QKilom. Bevölke­rung 1880
Städte:    
Brünn 17 82660
Iglau 10 22378
Kremsier 10 11816
Olmütz 3 20176
Ung.-Hradisch 3 3659
Znaim 6 12254
Bezirkshaupt­mannschaften:    
Auspitz 733 69710
Boskowitz 851 79257
Brünn 1223 128710
Datschitz 1107 66243
Gaya 461 45287
Göding 769 71259
Gr.-Meseritsch 548 37878
Hohenstadt 609 72941
Iglau 510 35606
Kremsier 456 43211
Kromau 677 40866
Littau 652 73280
Mähr.-Trübau 686 73646
Mistek 562 76266
Neustadtl 806 60485
Neutitschein 500 67827
Nikolsburg 396 37111
Olmütz 499 55134
Prerau 434 55483
Proßnitz 472 60950
Römerstadt 382 32186
Schönberg 806 74176
Sternberg 754 65832
Trebitsch 728 48718
Ungarisch-Brod 990 64911
Ung.-Hradisch 849 88191
Wal.-Meseritsch 989 76448
Weißkirchen 596 54461
Wischau 867 82048
Znaim 1438 93794
Zusammen: 22224 2153407

Behufs der Rechtspflege ist das Land in sechs dem mährisch-schlesischen Oberlandesgericht in Brünn unterstehende Sprengel von Gerichtshöfen erster Instanz mit 70 Bezirksgerichten, behufs der Finanzverwaltung in vier der Finanzlandesdirektion in Brünn untergeordnete Bezirke eingeteilt. Revierbergämter sowie Handels- und Gewerbekammern bestehen zu Brünn und Olmütz. Das Land bildet ferner 6 Ergänzungsbezirke für das Heer und 2 katholische Diözesen (Erzbistum Olmütz und Bistum Brünn). Das Wappen (s. Tafel „Österreichisch-ungarische Länderwappen“) bildet ein in Gold und Rot geschachter, gekrönter Adler mit ausgebreiteten Flügeln im blauen Feld. Im Schild befindet sich ein Fürstenhut. Die Landesfarben sind Gold-Rot. Landeshauptstadt ist Brünn.

Geschichte.

Die frühsten bekannten Bewohner Mährens waren suevische Germanenstämme und zwar die Quaden, dann begegnen wir Rugiern, Herulern, Langobarden und im 6. Jahrh. den Slawen, zunächst zwischen der Donau und March (Maraha, Morava), von welchem Strom die Landes- und Volksbezeichnung: Marahanien = Mähren, na Moravě, anderseits Marahanen = Mähren, Mährer, Moravci, stammt. Mojmir I. war der Begründer dieses westkarpathischen, das nordwestliche Ungarn und Südost-Mähren einschließenden Vasallenstaats unter fränkischer Oberhoheit. Unter der Herrschaft Rastislaws vergrößerte sich das Mährenreich während der Familienzwistigkeiten der Karolinger im 9. Jahrh. Rastislaw nahm den Königstitel [106] an und wollte sich in politischer wie religiöser Beziehung von dem fränkischen Reich völlig unabhängig machen, indem er Bündnisse mit den oströmischen Kaisern und mit den Bulgaren einging und sich vom griechischen Kaiser Michael Missionäre erbat. Dieser sandte ihm 863 die Mönche Methodius und Konstantin (Cyrillus), welche die mährischen Landesapostel wurden. Von Ludwig dem Deutschen und seinen Söhnen vielfach bekriegt, nahm Rastislaw seinen Neffen Swatopluk zum Mitregenten an. Dieser schloß jedoch, von dem berechtigten Argwohn des Oheims bedroht, ein Bündnis mit Karlmann, nahm seinen Oheim durch List gefangen und lieferte ihn an Ludwig den Deutschen aus, welcher ihn 870 blenden ließ und in ein Kloster verbannte. Swatopluk wurde nun Lehnsherzog von M., indes schon 871 selbst des Treubruchs angeklagt und von Karlmann verhaftet. Als jedoch der Priester Sklagamar, von den Mähren zu ihrem Fürsten erwählt, einen Aufstand erregte, gab Karlmann Swatopluk wieder frei und übertrug demselben die Führung des bayrischen Heers, das letzterer jedoch, nachdem er sich heimlich mit den Mähren verständigt und zum Herzog ausgerufen worden war, plötzlich an der Spitze derselben überfiel und vernichtete. Ein Feldzug Karlmanns 872 endete gleichfalls mit einer Niederlage. Auf dem Reichstag zu Forchheim 874 mußte König Ludwig Swatopluk als erblichen Herzog des mährischen Reichs gegen das Versprechen eines regelmäßigen Tributs anerkennen. Der Mährenherzog wußte seine Macht nach allen Seiten hin auszubreiten, auch die Tschechen unter Boriwoj I. in ein Abhängigkeitsverhältnis als Schutzpflichtige zu ziehen. Doch erwuchs ihm bald an den Magyaren der gefährlichste Feind. Als er König Arnulf den Gehorsam verweigerte, unternahm dieser 892, unterstützt von den Ungarn, gegen M. einen Feldzug, der erfolglos blieb. Swatopluk starb 894, und nach seinem Tod ging sein Reich rasch seinem Verfall entgegen. Seine Söhne Mojmir II. und Swatopluk II. bekämpften sich in einem Bruderkrieg, der die Kraft des Volkes brach; die Tschechen fielen ab und unterwarfen sich dem fränkischen Reich. 906 erlagen die Mähren den wilden Magyaren, die den östlichen Teil, der auch den Namen M. verlor, das Gebiet der heutigen Slowaken, völlig unterwarfen. Im westlichen Teil, im eigentlichen M., erlangten die Tschechen das Übergewicht; diesem Teil, dem Gebiet der March, blieb der Name M. Die slowenische Liturgie, welche Methodius begründete, wich bereits unter Swatopluk (nach Methods Tode) der lateinischen, die von Salzburg aus Eingang fand, und M. verlor so auch seine kirchliche Unabhängigkeit. Unter Herzog Boleslaw III. von Böhmen ward M. eine Beute der Polen, die es bis 1029 behielten. Herzog Udalrichs Sohn Břetislaw I. 1029 vollführte die Wiedereroberung des Landes, so daß M. damals, abgesehen von dem größern Gebietsumfang im Südwesten und der geringern Ausdehnung nach Ungarn hin, im großen und ganzen seinen jetzigen Umfang erhielt. Seitdem blieb M. mit Böhmen verbunden; doch ward es an die jüngern Söhne verteilt, welche dem ältesten, dem Herzog von Böhmen, zum Gehorsam verpflichtet waren. Břetislaw I. (gest. 1055) selbst wies seinem zweiten Sohn, Wratislaw, Olmütz, dem dritten, Otto, Brünn, und dem vierten, Konrad, Znaim zu, welche indes sofort einen Versuch machten, sich von Böhmen loszureißen, und deshalb von ihrem ältesten Bruder, Spithiniew, ihrer Lande beraubt wurden. Wratislaw II., welcher 1140 selbst Herzog von Böhmen wurde, teilte M. unter seine Brüder Otto und Konrad. Konrad von Znaim nahm, um gegen den böhmischen Herzog Friedrich einen mächtigen Beschützer zu gewinnen, M. vom Kaiser Friedrich I. als eine Markgrafschaft zu Lehen (1182), ward aber vom böhmischen Herzog besiegt, und in der Konstitution der Markgrafschaft M. vom 6. Dez. 1197 wurde bestimmt, daß dieselbe dem Königreich Böhmen lehnspflichtig sein sollte. Nachdem Böhmen an das Haus Luxemburg gefallen war, belehnte Kaiser Karl IV. als König von Böhmen 1349 seinen Bruder Johann Heinrich mit der Markgrafschaft M., und diesem folgte 1375 sein Sohn Jodocus (Jost), dessen Brüder Johann und Procopius mit dem Titel Markgrafen von M. einzelne Herrschaften des Landes zugewiesen erhielten. Jodocus brachte indes die Anteile seiner Brüder durch Vertrag an sich und beherrschte danach die ganze Markgrafschaft. Später erbte er von seinem Oheim Johann von Görlitz die Lausitz und ward kurz vor seinem Tod (1411) zum deutschen Kaiser gewählt. Nach seinem Tod ging M. als böhmisches Kronlehen an König Wenzel IV. und nach dessen kinderlosem Ableben an seinen Bruder Siegmund, König von Ungarn, über, der es 1423 seinem Schwiegersohn, dem Herzog Albrecht von Österreich, überließ. Darauf ward es vom König Matthias Corvinus von Ungarn erobert. Nach seinem Tod fiel es an Böhmen zurück und mit diesem Land nach Ludwigs II. von Ungarn Tod 1526 an Österreich. Seit der Regierung des Kaisers Matthias hat es keine besondern Markgrafen mehr gehabt. Durch die Reichsverfassung von 1849 wurde M. für ein unmittelbares Kronland der Monarchie erklärt und das Herzogtum Schlesien, das bis dahin administrativ mit M. vereinigt war, davon abgelöst. Eine der Hauptforderungen der tschechischen Partei in Böhmen jedoch ist die Wiedervereinigung Mährens mit der Wenzelskrone. Diese Partei besitzt in den feudalen und klerikalen Autonomisten Mährens ihre Anhänger, welche an der Tschechisierung Mährens arbeiten. Dagegen sucht die deutschliberale Partei ihre Stellung zu behaupten. Vgl. Wolny, Die Markgrafschaft M., topographisch, statistisch und historisch geschildert (Brünn 1835–42, 6 Bde.); Derselbe, Kirchliche Topographie von M. (das. 1855–66, 10 Bde.); Koristka, Die Markgrafschaft M. und das Herzogtum Schlesien (Wien 1860); Trampler, Heimatskunde der Markgrafschaft M. (das. 1877); Smolle, Die Markgrafschaft M. (in „Die Länder Österreich-Ungarns“, das. 1881); „Spezial-Ortsrepertorium von M.“ (hrsg. von der k. k. statistischen Zentralkommission, das. 1885); „Vollständiges topographisches Ortslexikon der Markgrafschaft M. etc.“ (Brünn 1885). Zur Geschichte: „Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae“ (hrsg. von Boczek, dann von Chlumetzky, Chytil und Brandl, Brünn 1836–64, 7 Bde.); „Die Landtafel des Markgrafentums M.“ (hrsg. von Demuth u. a., das. 1854); Dudik, Mährens allgemeine Geschichte (Olmütz 1860–86, Bd. 1–11).