MKL1888:Madeira

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Madeira“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 4243
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Madeira. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 42–43. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Madeira (Version vom 20.11.2023)

[42] Madeira (portug., spr. madē-ira), eine zu Portugal gehörige Insel im Atlantischen Ozean, 545 km vom Kap Juby, dem nächsten Punkte der Westküste Afrikas, umfaßt mit der nordöstlich gelegenen Insel Porto Santo und den Desertas im SO., drei unbewohnten Felsenklippen, 815 qkm (14,8 QM.) mit (1882) 133,955 Einw., wovon 1750 auf Porto Santo wohnen. Die Insel M. hat von O. nach W. eine Länge von 55 km und eine Breite von 24 km und wird in ihrer ganzen Länge von einer Gebirgskette durchzogen, deren durchschnittliche Erhebung 1200 m beträgt, und die im Pico Ruivo mit 1860 m ihre bedeutendste Höhe erreicht. Im O. endigt die Insel in eine ganz schmale Halbinsel, vor der auf der kleinen Insel Fora ein 40 km weit sichtbarer Leuchtturm errichtet ist. M. und seine Nebeninseln sind, wie Lotungen beweisen, die Gipfel von tief ins Meer eintauchenden Vulkanen, die aber, sämtlich längst erloschen, nur in zwei kleinen Kratern eine deutlich erkennbare Form bewahrt haben. Daß Hebungen noch im miocänen Zeitalter stattgefunden haben, beweisen in 370 m Höhe aufgefundene Muscheln. Die in den Tuffschichten angetroffenen fossilen Pflanzenreste gehören nach Unger einer Flora an, welche in der Tertiärzeit ein großes Festland bedeckte, das von Island bis zu den Kapverdischen Inseln Europa mit Afrika und wahrscheinlich auch mit Amerika verband, und von welchem die Inseln Island, M., die Azoren, die Kanarischen und Kapverdischen Inseln Trümmer sind. Den ältesten Kern bildet wahrscheinlich der im N. gefundene Hypersthenit, um den sich Basalt, Tuff und Trachyt gelegt haben. Das Bergland wird von tiefen

Kärtchen von Madeira.

und weiten Schluchten zerrissen, welche den Verkehr sehr erschweren, und steigt zum Meer in steilen, bis 585 m hohen Klippen hinab. Namentlich die Nordküste ist von außerordentlicher Wildheit; der Süden hat noch schwache Reste der Waldungen bewahrt, welche einst die ganze Insel bedeckten und ihr den Namen, der „Holzinsel“ bedeutet, verschafften. Das Klima ist von einer wunderbaren Milde. Nach den Beobachtungen des zu Funchal 24 m ü. M. gelegenen Observatoriums ist die durchschnittliche Jahrestemperatur 18,8°; die größte Wärme wurde in acht Jahren im August und September mit 32,38°, die geringste im Februar mit 7,9° C. erreicht. Die mittlere Temperatur des Winters ist 16,11°, des Frühlings 17,02°, des Sommers 21,15°, des Herbstes 20,05° C. Man rechnet 80 Regentage im Jahr; der durchschnittliche Regenfall beträgt 775 mm, die feuchtesten Monate sind November bis März. Ein heißer, trockner Wind, Leste, weht von der Sahara her, macht sich aber an der Küste selten fühlbar; Schnee fällt im Winter in den höhern Lagen, doch selten unter 700 m. Wegen der Gleichmäßigkeit seines Klimas wird M. als Kurort von Lungenkranken viel aufgesucht. Die Vegetation ist der von Südeuropa nahe verwandt; viele Pflanzen hat M. nur mit den Kanarischen Inseln und den Azoren gemein, andre sind von den Portugiesen eingeführt worden und haben sich, wie der Kaktus (Opuntia tuna), außerordentlich verbreitet. Die Dattelpalme liefert hier keine eßbaren Früchte. Der Ackerbau begegnete in dem sehr zerschnittenen und [43] spärlich bewässerten Terrain großen Schwierigkeiten, denen durch Anlage von Terrassen und Kanälen abgeholfen werden mußte. Der Bau von Getreide und Mais (Hauptnahrungsmittel der untern Klassen) ergibt höchstens ein Drittel des Bedarfs. Der Tabaksbau, früher untersagt, ist jetzt freigegeben; doch ist das Resultat schlecht. Die Ausfuhr von Ananas, Bananen, Zwiebeln und Knoblauch (nach Westindien) ist lebhaft; Hauptkulturen sind aber Zuckerrohr und Wein. Zuckerrohr, 1452 aus Sizilien eingeführt, war ehemals die wichtigste Kultur der Insel; jetzt werden jährlich 1 Mill. kg Zucker produziert, die, durch hohe Zölle geschützt, Absatz in Portugal finden. Über den Weinbau, der früher das Hauptprodukt der Insel lieferte, s. Madeirawein. Die Tierwelt ist sehr arm; einheimische Säugetiere gab es ursprünglich gar nicht, die überall verbreiteten Kaninchen, Ratten und Mäuse wurden erst von den Portugiesen eingeführt. Dagegen waren Seekälber (Monachus albiventer) früher an den Küsten sehr zahlreich, sind jetzt aber fast gänzlich ausgerottet. Kanarienvögel sind einheimisch; Eidechsen und Frösche sind durch nur je eine Art vertreten, Insekten sind zahlreich. Von Haustieren sind kleine, aber kräftige Pferde und Rinder zu nennen. Von Mineralien findet sich nur etwas Eisenerz und Schwefelkies. Die Bevölkerung ist portugiesischer Abkunft, aber in den untern Schichten durch Mauren und Neger stark beeinflußt. Sie nimmt trotz starker Kindersterblichkeit fortwährend zu und ist, da das arme Land wenig Hilfsquellen bietet, zur Auswanderung gezwungen, die sich nach Britisch-Guayana, der Kapkolonie, Brasilien, Hawai richtet. Die eigentümliche Nationaltracht, namentlich die von Männern wie Frauen getragene Carapuça, ein Käppchen aus blauem Tuch mit langer Spitze, verschwindet mehr und mehr. Gewöhnliche Beförderungsmittel sind bei den steilen Straßen von Ochsen gezogene Schlitten, Reitpferde, Hängematten. Die Industrie beschränkt sich auf Handstickerei, Holzarbeiten, Stroh- und Weidengeflechte, findet aber nur kärglichen Absatz. Der Handel, hauptsächlich in englischen Händen, ist im Stillstand begriffen, der Schiffsverkehr aber durch den gesteigerten Wettbewerb der europäischen Nationen um Westafrika in stetigem Wachsen, da Funchal Depot für Kohle (englische) ist. Handel und Schiffahrt bewegen sich ausschließlich über Funchal (s. d.), wo sich eine kleine Fremdenkolonie (208 Engländer) befindet, in deren Händen vornehmlich der Weinhandel liegt. Es laufen hier regelmäßig 5 englische, 2 portugiesische und eine deutsche Dampferlinie an. Von 880 im J. 1884 eingelaufenen Schiffen waren 608 englische, 123 portugiesische, 62 deutsche. Die Insel M. bildet mit Porto Santo eine Provinz des Königreichs Portugal, welche in den Cortes zu Lissabon durch Abgeordnete vertreten ist. An der Spitze der Regierung steht ein Gouverneur, dem ein Detachement Infanterie und Artillerie unterstellt ist. Administrativ wird M. in vier Comarras und zehn Distrikte (wovon Porto Santo einen bildet) geteilt. Für den Unterricht sorgen Elementarschulen, ein Lyceum und ein Seminar; derselbe ist kompulsorisch. Die Provinz bildet eine Diözese, deren Bischof zu Funchal residiert. Hauptstadt ist Funchal (s. d.) an der Südküste. – M. soll schon durch die Phöniker entdeckt worden sein; jedenfalls war es schon im frühen Mittelalter den Portugiesen bekannt, welche unter genuesischen Kapitänen Fahrten hierher machten. Auf einer florentinischen Karte erscheint die Insel bereits 1351 unter dem Namen Isola di legname („Holzinsel“). Ein Sturm verschlug 1419 zwei Portugiesen, João Gonzales und Martin Vaz, an die von ihnen aus Dankbarkeit Porto Santo benannte Insel, und im nächsten Jahr nahm Portugal Besitz von der bisher unbewohnten Gruppe und sandte Kolonisten hierher. Man glaubte damals die Atlantis der Alten wiedergefunden zu haben. Mit Portugal stand auch M. 1580–1640 unter spanischer Herrschaft, 1801 und abermals 1807–14 war es von England besetzt. Vgl. Unger, Die versunkene Insel Atlantis (Wien 1860); Hochstetter, Madeira (das. 1861); Hartung, Geologische Beschreibung von M. etc. (Leipz. 1864); Heer in den „Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft“ (1857); Mittermaier und Goldschmidt, M. und seine Bedeutung als Heilungsort (2. Aufl., Leipz. 1885); Schultze, Die Insel M., Aufenthalt der Kranken und Heilung der Tuberkulose (Stuttg. 1864); Johnson, M., its climate and scenery (3. Aufl., Lond. 1885); Taylor, M., its scenery etc. (das. 1882); Garcia Ramos, Ilha da M. (Lissab. 1882, 2 Bde.); Langerhans, Handbuch für M. (Berl. 1884).

Madeira (Madēra, „Holzfluß“), der Hauptzufluß des Amazonenstroms, wird durch den Zusammenfluß dreier großer Ströme gebildet. Der bedeutendste ist der Mamoré, der seinerseits aus zwei Hauptarmen entsteht: dem an der innern Seite der Kordillere von Cochabamba entspringenden Rio Guapay und dem von dem Nordabhang jener Kordillere herabfließenden viel kürzern, aber wasserreichern Rio Chimoré, bei deren Vereinigung in der Provinz Santa Cruz der Name Mamoré beginnt. Unter etwa 12° südl. Br. verbindet sich der Mamoré mit dem zweiten Hauptstrom, dem Guaporé (s. d.), und nach einem nördlichen Laufe von 178 km mit dem dritten Strom, dem von SW. kommenden Beni, welcher am Ostabhang der innern Kordillere von Bolivia seine Quellen hat; erst hier nimmt der Strom den Namen M. an. Bald danach wendet er sich nach NW., eine Richtung, die er bis zur Mündung beibehält. Stromschnellen verhindern die Beschiffung auf 370 km, zwischen den Fällen von Guajára-mirim (10° 45′ südl. Br., 155 m ü. M.) und São Antonio (76 m ü. M.). Unterhalb dieser Fälle ist der Fluß für Schiffe von 5 m Tiefgang fahrbar, oberhalb bis zum Fuß der Kordilleren. Die projektierte Madeira-Mamoré-Bahn ist bestimmt, diese Stromschnellen zu umgehen. Im Unterlauf des Flusses bewirken die in den Kordilleren fallenden Regen oft ungeheure Überschwemmungen. Das Stromgebiet des M., der oberhalb Serpa in der brasilischen Provinz Amazonas mit dem Solimões zum Amazonenstrom sich verbindet (36 m ü. M.), beträgt gegen 1,100,000 qkm (20,000 QM.). Vgl. Keller-Leuzinger, Vom Amazonas und M. (Stuttg. 1873); Heath im „Bülletin der Amerikanischen Geographischen Gesellschaft“ 1882.